Baustelle beim Elbtower in Hamburg.
Die Baustelle des Elbtowers in Hamburg gilt mittlerweile als Symbol für den Absturs von René Benkos Immobilienimperium.
IMAGO/Rico THUMSER / foto-leipzi

Intransparenz stand bei der Signa Holding stets hoch im Kurs. Das Unternehmen verschwieg Jahresabschlüsse, umschiffte die Prüfpflicht und verzichtete auf eine konsolidierte Konzernbilanz. Mehr Transparenz hätte den Absturz des Immobilienimperiums zwar nicht verhindert. Vielleicht aber wäre die Öffentlichkeit früher hellhörig geworden.

1. Verspätete Jahresabschlüsse

Pünktlichkeit wurde in der Signa nie großgeschrieben – jedenfalls nicht bei ihren Jahresabschlüssen. Kapitalgesellschaften müssen ihre Bilanzen zeitgerecht beim Firmenbuch hinterlegen. Das soll Transparenz schaffen und der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, sich über die finanzielle Situation des Unternehmens zu informieren. Die Signa Holding hat diese Vorgaben systematisch nicht befolgt. So wurden die Jahresabschlüsse für 2019, 2020 und 2021 etwa erst kürzlich gesammelt vorgelegt.

Wie Recherchen des Magazins "News" zeigen, hat der Konzern die niedrigen Strafen, die damit verbunden sind, bewusst in Kauf genommen. Gesetzlich vorgesehen sind Zwangsstrafen zwischen 700 und 3600 Euro, die im Abstand von zwei Monaten gegen die Geschäftsführer verhängt werden können. Bei der Signa sollen so über die Jahre hunderttausende Euro an Strafen angefallen sein, die vom Unternehmen übernommen wurden. Weil die Geldbußen laut internen Dokumenten als Personalkosten klassifiziert wurden, konnten sie auch noch von der Steuer abgesetzt werden.

Damit Unternehmen die Geldbußen nicht mehr aus der Portokassa bezahlen können, wäre wohl eine drastische Erhöhung notwendig. Ob das wirklich zielführend ist, ist allerdings fraglich, sagt Georg Schneider, Professor für Unternehmensrechnung an der Universität Graz. Die Motive dafür, die Strafen nicht zu bezahlen, seien von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Üblicherweise rechne sich ein Unternehmen genau aus, ob der Vorteil einer Nichtveröffentlichung die Kosten der Strafe überwiegt. Der größere Hebel ist laut Schneider das Gesellschaftsrecht. Kommen Geschäftsführer und Aufsichtsräte ihren Pflichten nicht nach und entsteht dadurch ein Schaden, können sie unter Umständen zu Ersatz verpflichtet werden. Der Gesetzgeber könnte hier die Bestimmungen in Bezug auf Offenlegungsregeln konkretisieren.

2. Keine Konzernbilanz

Konzerne sind dazu verpflichtet, eine gemeinsame konsolidierte Bilanz vorzulegen, in der die Kennzahlen aller verbundenen Unternehmen zusammengefasst werden. Das soll interne Verflechtungen und gegenseitige wirtschaftliche Beziehungen transparent machen. Zwar gibt es im Signa-Geflecht Konzernabschlüsse von Tochtergesellschaften wie der Signa Prime. Die eigentliche Muttergesellschaft Signa Holding legte aber nie einen derartigen konsolidierten Abschluss vor.

Offenbar hat es die Leitung der Signa über gesellschaftsrechtliche Konstruktionen geschafft, dass die Holding bilanzrechtlich nicht als Konzern-Muttergesellschaft gilt. Interne Dokumente, die "News" veröffentlicht hat, legen nahe, dass Signa die Konsolidierungspflicht mithilfe von Beratern bewusst umgangen hat.

An sich liegt laut Gesetz ein Konzern vor, wenn eine Muttergesellschaft Kontrolle über ihre Tochtergesellschaften ausübt. In einem sehr verschachtelten Unternehmen kann es aber auch für die Gerichte schwierig zu beurteilen sein, wann eine "Kontrolle" durch die Muttergesellschaft vorliegt, sagt Schneider. Roman Rohatschek, Professor für Unternehmensrechnung an der Johannes Kepler Universität Linz, schlägt zudem vor, dass Unternehmen beim Firmenbuchgericht melden müssen, wer ihre Muttergesellschaft ist.

3. Keine Prüfpflicht

Mit Passiva in der Höhe von fünf Milliarden Euro ist die Pleite der Signa Holding die größte in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Im Firmenbuch war das milliardenschwere Unternehmen dennoch als "kleine" GmbH registriert. Diese Einstufung bedeutet, dass weniger strenge Pflichten gelten, etwa bei der Transparenz. So musste die Signa Holding zum Beispiel ihren Jahresabschluss nicht von Wirtschaftsprüfern absegnen lassen.

Ob eine GmbH im Firmenbuch als "klein" gilt, hängt von drei Schwellenwerten ab. Das Unternehmen darf nicht mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigen, nicht mehr als zehn Millionen Euro Umsatz pro Jahr erwirtschaften und keine Bilanzsumme von mehr als fünf Millionen Euro aufweisen. Allerdings darf einer dieser Schwellenwerte überschritten werden. Bei der Signa Holding war das der Fall: Sie hatte zwar eine Bilanzsumme in Milliardenhöhe, beschäftigte aber weniger als 50 Mitarbeiter und machte weniger als zehn Millionen Euro Umsatz. Deshalb galt sie als "kleine" GmbH.

Aus Sicht von Schneider liegt hier eine Spezialkonstellation vor, die fast nur bei Immobilienkonzernen denkbar ist. Dass zwei Schwellenwerte unterschritten werden, der dritte aber immens überschritten wird, könne bei einem gewöhnlichen Produktionsbetrieb eigentlich nie der Fall sein. "Ich bin kein Fan von Anlassgesetzgebung, aber natürlich könnte man festlegen, dass Unternehmen, die eine der Schwellen sehr deutlich überschreiten, als große Kapitalgesellschaften gelten." Rohatschek könnte sich vorstellen, dass man bei Muttergesellschaften etwa nicht auf den Umsatz abstellt, sondern darauf, wie viel Ausschüttungen sie aus ihren Beteiligungen bekommen haben. Sinnvoll wären all diese Regelungen aber wohl nur auf europäischer Ebene. (Jakob Pflügl, 7.12.2023)

Video: Vergangenen Mittwoch reichte die Signa Holding Insolvenzantrag am Handelsgericht Wien ein.
APA