Der deutsche Kanzler hält eine Rede.
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz wird der roten Basis am Samstag einiges zu erklären haben.
AFP/JOHN MACDOUGALL

Man kann ja nie exakt voraussagen, wie ein SPD-Parteitag ablaufen wird. Jenes dreitägige Treffen der deutschen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, das am Freitag beginnt, hat noch eine Unwägbarkeit mehr: Es ist nicht ganz klar, wie die Delegierten, die für die Anreise weitere Strecken zurücklegen müssen, in die deutsche Hauptstadt kommen werden. Denn just an diesem Tag streiken die Lokführer im ganzen Land, der Zugverkehr ist praktisch lahmgelegt.

Immerhin aber gibt es nun eine politische Gewissheit, wenngleich diese keine angenehme ist. "Obwohl wir von unserer Seite alles dafür getan haben, kann der Haushalt für das Jahr 2024 nicht mehr rechtzeitig in diesem Jahr beschlossen werden", heißt es in einer Mitteilung der parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, an die Bundestagsabgeordneten.

Gericht stoppte Tricksereien

Eigentlich sollte das Budget für das Jahr 2024 schon vor Tagen vom Bundestag beschlossen werden. So lautete der Plan. Doch die Ampel bekam es nicht hin. Denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November hat die deutsche Regierung ins Finanzchaos gestürzt.

Das Gericht stufte Tricksereien der Ampel beim Nachtragshaushalt 2021 als verfassungswidrig ein. Die Folge: Es fehlen nun 60 Milliarden Euro, an allen Ecken und Enden ist das Geld knapp. Im Haushalt 2024 müssen 17 Milliarden Euro eingespart werden. Diskutiert wird auch das neuerliche Aussetzen der Schuldenbremse, was die Koalition eigentlich hätte vermeiden wollen.

Seit Tagen ringen SPD, Grüne und FDP um Kürzungsmöglichkeiten. Die FDP will die Schuldenbremse einhalten und keine höheren Steuern, die Grünen wollen wiederum nicht bei Klimaprojekten und der Kindergrundsicherung kürzen. Nun kommt Kanzler Olaf Scholz am Samstag ohne konkrete Botschaften zu den Genossinnen und Genossen. Er kann nur betonen, dass die Pflichtausgaben des Staates (etwa Pensionszahlungen, Kindergeld, Sozialhilfen) weiterhin automatisch erfüllt würden.

Sein Auftritt ist der Höhepunkt des dreitägigen Treffens. Auf der Tagesordnung ist vermerkt: "10 Uhr Rede Olaf Scholz, Bundeskanzler". Das ist eine recht nüchterne Beschreibung jenes Programmpunkts, auf den viele Menschen in Deutschland warten. Denn eigentlich wollen sie hören, was Scholz zu konkreten Einsparungen im kommenden Jahr zu verkünden hat. Sie werden dazu wohl eher wenig hören. Auch im Bundestag, vor zwei Wochen, hatte sich Scholz dazu nicht erklärt. Er skizzierte nur kurz, wo er nicht sparen will: bei der Hilfe für die Ukraine. Zudem, so Scholz damals, solle die Modernisierung des Landes vorangetrieben werden.

Schlechte Umfragewerte

Dabei bräuchte die SPD ein Signal des Aufbruchs und der Zuversicht. Seit zwei Jahren stellt die SPD den Kanzler, in Umfragen liegt sie aktuell nur noch bei 15 bis 17 Prozent, sogar die AfD hat die Roten überholt. Am 8. Dezember 2021, als Scholz zum Kanzler gewählt wurde, hatte er versprochen: "Es soll ein guter Aufbruch für unser Land werden. Ich will jedenfalls alles dafür tun."

Vor dem Parteitag sagte SPD-Generalsekretär Kühnert: "Wir werden eine Sozialdemokratie erleben, die den Kampf aufnimmt und kampfbereit sein wird." Es klingt wie eine Warnung an Scholz. Die Genossinnen und Genossen wollen wieder mehr "SPD pur". Das zeigt sich auch im Leitantrag. Die Parteispitze will die Erbschafts- und Schenkungssteuer so reformieren, "dass Multimillionäre und Milliardäre mehr zum Gemeinwohl beitragen". Außerdem strebt sie eine Reform der Einkommensteuer an. Dadurch sollen 95 Prozent der Bürgerinnen und Bürger entlastet werden.

Um dies zu finanzieren, sollten "diejenigen, die reichensteuerpflichtig sind, zusätzlich eine temporäre Krisenabgabe beisteuern". Der Solidaritätszuschlag ("Soli"), der heute in der Einkommensteuer nur von Menschen mit Spitzeneinkommen bezahlt wird, soll als "Zukunftsabgabe" neu begründet und weitergeführt werden.
Auch dazu wird eine Positionierung von Kanzler Scholz am Samstag erwartet. Den Veranstaltungsort Cube an der Berliner Messe kennt er übrigens gut. Dort fand 2021 ein Teil der Ampelkoalitionsverhandlungen statt. (Birgit Baumann aus Berlin, 7.12.2023)