Kann noch immer viel lachen: Franz Klammer, der beim Legendenrennen diese Woche anlässlich seines 70. Geburtstags in Bad Kleinkirchheim die Richtzeit vorgab.
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In Bad Kleinkirchheim gewann Franz Klammer 1971 seine erste Europacup-Abfahrt. Dort, wo alles begann, fand zu seinem 70. Geburtstag ein Legendenrennen unter Teilnahme vieler Weggefährten samt großer Geburtstagsfeier statt. DER STANDARD traf Klammer im Kärntner Skiort.

STANDARD: Wie geht es gesundheitlich?

Klammer: Sehr gut. Etwas zwicken tut immer, damit muss man leben.

STANDARD: Geht Franz Klammer noch immer gern Ski fahren, oder ist es mittlerweile eine Strapaze?

Klammer: Nach dem Rennsport wollte ich eine Zeitlang nicht mehr. Jetzt macht es wieder richtig Spaß. Wenn man oben am Berg steht und dann die Piste hinuntergleitet – das ist immer wieder ein Glücksgefühl.

STANDARD: Viele haben die Ski längst abgeschnallt, weil zu teuer.

Klammer: Momentan erleben wir eine Phase, wo nahezu alle Preise steigen. Der Skisport kann sich dem leider nicht entziehen.

STANDARD: Wie bringt man wieder vermehrt junge Leute auf die Piste?

Klammer: Schülerskikurse müsste es wieder geben. Wer einmal Blut geleckt hat, bleibt dabei. Negativ ist, dass viele Dorflifte zugesperrt haben. Am Land hat man dort Skifahren gelernt. Es wäre gut, diese Lifte zu reaktivieren. Dann hätte man die Jugend später ewig auf den Pisten.

STANDARD: Schnee ist wichtig, nicht nur für den Tourismus. Was aber, wenn die Durchschnittstemperaturen weiter steigen?

Franz Klammer im Anzug, stehend
Franz Klammer vor Beginn des großen Galadinners zu seinem 70. Geburtstag mit 280 geladenen Gästen im Hotel Pulverer, Bad Kleinkirchheim.
Günther Strobl

Klammer: Momentan passt es ja mit den Temperaturen, und Tauwetter zu Weihnachten gibt es, seit ich mich erinnern kann. Aber ja, es ist eine Erwärmung da, das kann man nicht wegreden. Mit Beschneiung und der Effizienz, die man bis jetzt erreicht hat, kommt man aber schon irgendwie durch.

STANDARD: Sie haben Ihre Abfahrtssiege noch auf Naturschnee gefeiert. Inzwischen geht ohne technische Beschneiung definitiv nichts mehr.

Klammer: Das wird auch so bleiben, am Schnee hängt viel zu viel. Früher war Schnee weniger wichtig. Die Pisten waren zwar auch damals teilweise aper, es waren aber nicht so viele Touristen unterwegs. Inzwischen ist die Bedeutung des Tourismus für die Volkswirtschaft aber so groß, dass es nicht mehr egal ist, ob es Schnee gibt oder nicht.

STANDARD: Fünfmal den Abfahrtsweltcup gewonnen, 26 Einzelsiege, dazu 1976 Olympiagold in Innsbruck. Was heißt Erfolg für Sie?

Klammer: Ich bin Ski gefahren, weil ich Freude hatte. Natürlich wollte ich erfolgreich sein. Es hat sich herausgestellt, dass ich sehr häufig schneller unterwegs bin als andere. Das hat mir Spaß gemacht. Erfolg ist, wenn man etwas mit Konsequenz und besser als andere macht.

STANDARD: Was war Ihr Geheimnis?

Klammer: Ein gewisses Talent und dass ich ein sehr guter Rennläufer war. Das ist fast noch wichtiger als Talent. Man muss im Rennen die beste Leistung bringen, nicht im Training. Das ist mir gelungen. Und ich war risikobereit.

STANDARD: Viele können gut Ski fahren, schaffen es aber nie an die Spitze. Weil sie dem Druck nicht standhalten?

Klammer: Unter Druck musst du funktionieren, alle Ablenkung ausblenden und keine Angst vor einer Niederlage haben. Du musst das Letzte geben, hinunterfahren allein ist zu wenig. Der Sieg kommt nicht zu dir, du musst ihn dir holen.

STANDARD: Erfolg und Niederlage liegen oft dicht beieinander. Woraus lernt man mehr?

Klammer: Ist man ehrlich zu sich, dann aus Niederlagen. Wenn man weiss, was man falsch gemacht hat, weiss man auch, was man ändern muss, um erfolgreich zu sein. Erfolg hingegen kann dazu führen, dass man lax wird und sich sagt, es funktioniert ohnehin gut, ich muss muss nicht mehr so viel trainieren.

STANDARD: Ihre größte Niederlage?

Franz Klammer behelmt und im Skianzug auf Skiern stehend
Franz Klammer am Ort, wo für ihn skifahrerisch alles begann: Der frühere Schlepplift in St. Oswald in der Gemeinde Bad Kleinkirchheim ist längt von einer modernen Gondelbahn ersetzt worden.
Günther Strobl

Klammer: Schwer zu sagen. Man empfindet Vieles nicht als Niederlage, weil man auch weniger oft gewinnt als verliert. Gewinnt man nicht, ist das noch keine Niederlage. Dann waren es gewisse Umstände, dass es nicht funktioniert hat. Nächstes Mal wird es besser gehen, denkt man.

STANDARD: Nach Ihrer Rennkarriere haben Sie einen Ausflug in die Modewelt versucht mit einer eigenen Bekleidungslinie, das hat nicht so gut funktioniert. War das eine Niederlage?

Klammer: Nein, für mich war auch das keine Niederlage. Ich war von einem Team umgeben und der Meinung, dass die können alles. Dem war nicht so. Wir haben viele Fehler gemacht, ich inklusive.

STANDARD: Zum Beispiel?

Klammer: Wir haben zwar gut verkauft, aber gleich am Anfang zu viel Geld ausgegeben. Die Ausgaben konnten wir nicht mehr einholen, deshalb hat man irgendwann die Reißleine ziehen müssen. Wenn man nur Löcher stopfen muss, kommt man nicht weit.

STANDARD: Was war im Rückblick das größte Glück für Sie?

Klammer: Dass ich überhaupt zum Skifahren gekommen bin.

STANDARD: Gab es dort, wo Sie aufgewachsen sind, Skipisten?

Klammer: Bis zum Alter von acht Jahren bin ich zu Fuss gegangen, Skilift gab es keinen. Ich habe damals selbst Piste getreten, Sprungschanzen gebaut, Haselnussstauden geschnitten und Tore gesteckt.

STANDARD: Was können sich Manager von Spitzensportlern abschauen?

Klammer: Es gibt Parallelen. Du must zielstrebig sein, deine Hausaufgaben machen, Risiko eingehen und Mut zur Entscheidung haben. Und du darfst nicht zögern. Für den Erfolg im Skisport ist aus meiner Sicht zu 90 Prozent mentale Stärke verantwortlich. Sich etwas zutrauen, etwas frecher sein als die anderen - das macht den Unterschied.

STANDARD: Mentaltrainer gab es in den 1970er-Jahren noch keine?

Klammer: Ich glaube sowieso, dass man selbst der beste Mentaltrainer ist. Wie soll mir einer sagen, wie ich in Kitzbühel am besten die Streif hinunterfahre? Das muss ich selbst wissen.

STANDARD: Wie halten Sie sich fit?

Klammer: Radfahren, Skitouren und Golfspielen.

STANDARD: Gibt es im Hause Klammer eine "Folterkammer" mit Laufband, Hometrainer usw.?

Klammer: (lacht) Nein. Ich habe zwar einen Hometrainer zu Hause, darauf sitze ich aber sehr selten. Ich bin ein Outdoor-Mensch, in der Natur ist es wunderschön, drinnen langweilig.

STANDARD: Heuer gab es wieder viel Kritik am frühen Saisonstart in Sölden, es sei das falsche Signal angesichts der fortschreitenden Erderwärmung. Wie beurteilen Sie das?

Franz Klammer im Anzug, aufrecht stehend
Franz Klammer hat mit der Stiftung gleichen Namens bisher rund 300 verletzten Sportler und Sportlerinnen geholfen, einen Weg zurück ins normale Leben zu finden.
Günther Strobl

Klammer: Sportlich gesehen war ich nie ein Freund des ganz frühen Starts. Aus wirtschaftlicher Sicht gibt es aber sehr wohl Argumente dafür. Die Firmen, die den Skisport aufrechterhalten, brauchen die Aufmerksamkeit. Für sie ist der Termin Ende Oktober wichtig, weil die breite Öffentlichkeit dann sieht, dass es wieder losgeht, dass man wieder Skifahren kann.

STANDARD: Sie haben 1998 eine eigene Stiftung gegründet mit dem Ziel, verletzten Sportlern zu helfen.

Klammer: Bisher konnten wir etwa 300 Sportler und Sportlerinnen mit insgesamt rund 1,5 Millionen Euro unterstützen und ihnen so den Weg zurück ins normale Leben erleichtern. Auslöser für die Gründung der Klammer Foundation war die schwere Verletzung, die mein Bruder Klaus in jungen Jahren bei einem Abfahrtsrennen erlitten hat.

STANDARD: Sich kümmern um andere ist ein Charakterzug, der bei Ihnen schon immer da war?

Klammer: Eigentlich schon. Es ist in gewissem Sinn auch ein Zurückgeben. Ich habe durch den Sport so viel erreicht und so viele Glücksmomente gehabt, dass es nur recht ist, dass man auf andere schaut, die es nicht so gut haben.

STANDARD: Wenn Sie zum 70er einen Wunsch frei hätten, wie würde der lauten?

Klammer: Dass ich das, was ich gern mache, weiter machen kann und das noch möglichst lang. (Günther Strobl, 10.12.2023)

Compliance-Hinweis: Der Aufenthalt in Bad Kleinkirchheim erfolgte auf Einladung der Kärnten Werbung.