Der 39-jährige Robert Klauß hinterlässt einen entschlossenen Eindruck.
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Die Ära des neuen Rapid-Trainers Robert Klauß begann mit einem 1:0 gegen Blau-Weiß Linz und einem 2:1 bei der WSG Tirol. Am Samstag (14.30 Uhr) empfangen die Hütteldorfer in der letzten Runde der Fußball-Bundesliga vor der Winterpause Meister Red Bull Salzburg. Der Nachfolger des gefeuerten Zoran Barisic ist jedenfalls bereit.

STANDARD: Zwei Spiele, zwei Siege. Besser geht es nicht, oder?

Klauß: Von den Ergebnissen her war es ein optimaler Start. Wir hätten uns gewünscht, dass wir die beiden Spiele etwas früher für uns entscheiden, damit wir nicht bis zum Abpfiff zittern müssen. Aber trotzdem sind die sechs Punkte extrem wertvoll gewesen.

STANDARD: Vor dem Tirol-Match saß man ungefähr 30 Stunden im Bus. Hat diese Art von Vorbereitung eine Zukunft? Werden Sie den Enkelkindern davon erzählen?

Klauß: Es war eine Ausnahme. Dass so viel Schnee auf einmal kommt, ist sogar in Österreich eine Seltenheit. Wir haben das gut gemeistert, mit Humor und Pragmatismus genommen. Ich habe der Mannschaft vor dem Spiel tatsächlich gesagt, wenn wir gewinnen, wird das eine Super-Story, von der wir länger erzählen können. Dass man zweimal so eine lange Fahrt nach Tirol hat und dann erst recht auf Schnee spielt, ist originell. Ob es die Enkelkinder hören wollen, wird sich weisen.

STANDARD: Sie haben gesagt, Sie haben eine intakte Mannschaft vorgefunden. Wundern Sie sich, warum bei Rapid überhaupt ein Trainerwechsel stattgefunden hat?

Klauß: Nein, es ist nicht meine Aufgabe, dies zu bewerten. Es gab Gründe dafür, die wurden vom Verein erläutert. Es geht darum, dass ich mit dem Team erfolgreich bin, Spiele gewinne, wir guten Fußball zeigen, uns weiterentwickeln. Ja, die Mannschaft lebt, sie ist intakt, hat Lust aufs Training.

STANDARD: Sie sind seit knapp drei Wochen im Amt. Hat Sie irgendetwas überrascht?

Klauß: Sehr positiv sind die Trainingsbedingungen, das Zentrum ist super, die Qualität der Plätze ist top. Die Kraftkammern, die Büros, das Essen passen. So ein Umfeld braucht man, um Leistung bringen zu können. Es ist professionell, es macht Spaß, hier zu arbeiten. Und der Wiener Schmäh ist auch lässig.

STANDARD: Bei Rapid klaffen seit Jahren Anspruch und Wirklichkeit sehr weit auseinander. Was ist Ihr Anspruch?

Klauß: Mein Anspruch ist, in jedem Match in der Lage zu sein, es zu gewinnen. Wir wollen so viele Spiele wie möglich auf Augenhöhe bestreiten, nicht als Außenseiter hineingehen. Es darf nicht von vornherein klar sein, dass wir unterlegen sind. Nicht weil wir Rapid sind, sondern weil wir gut sind.

STANDARD: Gilt das auch für internationale Spiele, sofern man sich irgendwann wieder für den Europacup qualifiziert?

Klauß: Das ist noch weit weg. Es geht um diese Saison. Als Verein, als Mannschaft und als Trainerstab müssen wir einen Schritt nach dem anderen setzen und jene Dinge angehen, die wir beeinflussen können. Ein Erfolg gegen Salzburg, eine gute Wintervorbereitung, eine starke Restrunde bis zu Punkteteilung. Sind wir erfolgreich, kommt alles automatisch. Zu weit in die Zukunft zu schauen ist sinnlos. Fußball ist ein Tagesgeschäft. Wichtig ist das heutige Training. Am Ende bekommt man das, was man verdient. Vielleicht einen Titel.

"Als Trainer musst du dich an die jeweilige Gegebenheit anpassen, Flexibilität ist wichtig."
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STANDARD: Worauf kommt es an im Fußball? Die einfache Antwort lautet: aufs Gewinnen. Wie schaut die komplizierte Antwort aus?

Klauß: Die Sachen, die von außen einfach ausschauen, muss man besonders gut erledigen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Man muss es schaffen, die Aufgaben, die erfolgversprechend sind, auf und neben dem Platz zu lösen. Das sind oft Binsenweisheiten. Da rede ich nicht nur von taktischen Dingen, sondern auch vom Umgang miteinander. Der muss respektvoll sein, du musst füreinander da sein, dir gegenseitig helfen, gemeinsam die Fehler ausbügeln. Das setzt man zwar voraus, kommt aber oft zu kurz. Man muss alles mit Leidenschaft machen.

STANDARD: Sie wurden von Ralf Rangnick und Julian Nagelsmann in Leipzig quasi ausgebildet. Ihnen wird das Red-Bull-Gen nachgesagt. Was bedeutet das genau?

Klauß: Die Ausbildung begann schon früher, aber ich habe als Co-Trainer der beiden sehr viel gelernt. Was den Profifußball, die Taktik, die Mannschaftsführung betrifft. Trotzdem würde ich mich nicht als klassischen RB-Trainer bezeichnen, der Fußball von RB hat sich ja auch weiterentwickelt, ist nicht stehengeblieben. Das Pressing und das Umschalten kommen schon großteils von RB, aber was den Ballbesitz betrifft, die Balance, das Abdecken der Spielphasen, da habe ich eigene Ideen. Es geht um den ganzheitlichen Fußball.

STANDARD: Sie wollen also in keine Schublade gesteckt werden.

Klauß: Genau, ich verwahre mich gegen das Schubladendenken. Es hängt immer von der Situation ab. Steckt man im Abstiegskampf, oder mischt man oben mit? Rapid ist in Österreich ein großer Verein, mit einem Kader ausgestattet, der viel kann. Man muss viele Fragen beantworten. Wie präsentieren wir uns auf und neben dem Platz? Welche Verbindung haben wir zur Stadt, zu den Fans? Du musst als Trainer ein Gefühl entwickeln. Wo bin ich gerade? Welches Standing hat der jeweilige Klub? Als Trainer musst du dich an die jeweilige Gegebenheit anpassen, Flexibilität ist wichtig. Du musst aber immer bei dir bleiben, darfst deine Grundsätze nie aufgeben. Und du musst zuhören können, die Bedürfnisse anderer erkennen.

STANDARD: Wie Ihr voriger Klub 1. FC Nürnberg gilt auch Rapid als sehr emotionaler Verein. Macht das die Arbeit schwieriger?

Klauß: Im Falle des Misserfolgs ist es schwieriger, weil man mehr Leute hat, die enttäuscht sind. Andersrum – ich bin ein Optimist, bei dem das Glas halb voll ist – macht es die Arbeit schöner. Weil mehr Emotionen da sind.

"Am Ende bekommt man das, was man verdient. Vielleicht einen Titel."
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STANDARD: Trotzdem: Ist man als Trainer bei emotionalen Vereinen nicht gefährdeter? Rapid ist ja ein Paradebeispiel.

Klauß: Ja, das kann so sein. Wenn die Entscheidungsträger instabil und nicht vom Plan überzeugt sind. Bei Rapid geht es jetzt in die gleiche Richtung, ich spüre Rückendeckung.

STANDARD: Am Samstag geht es gegen Serienmeister Salzburg. Die jüngsten 20 Vergleiche bescherten drei Remis und 17 Niederlagen. Was spricht dafür, dass diese triste Serie endet?

Klauß: Die grundsätzliche Qualität von Salzburg ist seit Jahren die höchste in der Liga. Deshalb kommt die Statistik zustande. Salzburg ist gegen Rapid speziell motiviert. Ich glaube, wir sind in einer guten Verfassung. Das beschäftigt mich mehr als die Bilanz. Sie sollen sehen, dass wir etwas können. Wir wollen gewinnen, gehen an unsere Grenzen.

STANDARD: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Klauß: Keine Ahnung. Bei einem Klub, wo es passt und ich glücklich bin. Vielleicht Rapid. (Interview: Christian Hackl, 8.12.2023)