Ein Wahlplakat mit Abdelfattah Al-Sisi auf einem Markt in Kairo, rundherum Passantinnen.
Nicht nur auf diesem Markt in Kairo ist Abdelfattah Al-Sisi allgegenwärtig. Vor seiner dritten Amtszeit wurden Konkurrenten strategisch ausgeschaltet. Trotzdem steht der Ex-General mehrfach unter Druck.
AFP/KHALED DESOUKI

Die dieses Wochenende beginnende Präsidentschaftswahl in Ägypten ist nichts Geringeres als eine Farce. Oppositionskandidaten und deren Unterstützer werden schon seit Monaten von Sicherheitsbehörden, Justiz und Regimeanhängern systematisch eingeschüchtert, an der Einreichung von für Kandidaturen notwendigen Dokumenten gehindert oder strafrechtlich verfolgt. Die de facto gleichgeschalteten Medien im Land geben dabei nur einem der Kandidaten für das höchste Staatsamt eine Bühne: dem 2014 zum Präsidenten gewählten und seither mit eiserner Faust regierenden Amtsinhaber Abdelfattah Al-Sisi.

Video: Dreitägige Präsidentenwahl in Ägypten läuft
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Dessen Wiederwahl gilt zwar als reine Formalität, die Abstimmung als weder frei noch fair. Doch der Ex-General steht unter Druck. Die Wirtschaftslage ist katastrophal, soziale Spannungen nehmen angesichts hoher Inflation und schwindender Kaufkraft schon seit Jahren spürbar zu. Auch politisch setzt Al-Sisis Regime – eine Mischung aus paranoidem Polizeistaat und autoritärer Militärdiktatur – weiterhin auf kompromisslose Härte. Während zehntausende politische Häftlinge in den Gefängnissen sitzen, wird jede Form der Kritik an Staat, Militär und Al-Sisi regelmäßig mit Verhaftung und strafrechtlicher Verfolgung bedacht.

Vier Kandidaten

Für den Urnengang ließ die staatlich kontrollierte Wahlbehörde nun immerhin vier Kandidaten offiziell zu. Bei den Wahlen 2014 und 2018 war es jeweils nur einer. Neben Al-Sisi stehen heute zwei Vertreter linientreuer Parteien sowie der Chef der ägyptischen Sozialdemokraten, Farid Zahran, auf dem Stimmzettel. Letzterer gilt aber als einziger echter Oppositionskandidat, allerdings als einer, der die orchestrierte Wahlscharade nicht ernsthaft gefährden dürfte.

Der einzige Kandidat, der von Al-Sisi als ernstzunehmend betrachtet wurde, hatte nach monatelangen Einschüchterungen schon vor Wochen das Handtuch geworfen. Der ehemalige Parlamentarier und Ex-Chef der linken Karama-Partei, Ahmed Tantawi, hatte sich in den letzten Jahren einen Namen als schlagfertiger Oppositionspolitiker gemacht und im April seine Kandidatur angekündigt.

Vorwürfe gegen Opposition

Sicherheitsapparat und Justiz nahmen ihn bereits damals aufs Korn, intensivierten ihr Vorgehen gegen Tantawi und sein Wahlkampfteam aber erst im Oktober derart massiv, dass ihm nichts anderes übrigblieb, als seine Kampagne einzustampfen. Er muss sich inzwischen wegen fadenscheiniger Vorwürfe vor Gericht verantworten, während Dutzende seiner Anhängerinnen und Anhänger nach einer Verhaftungswelle hinter Gittern sitzen. Karama und acht andere linksliberale Oppositionsparteien rufen daher zum Boykott der Wahl auf.

Bedrohlich für einen reibungslosen Ablauf der Wahlfarce ist derweil der Krieg in Gaza. Schon seit Kriegsbeginn fordern israelische Offizielle offen die Vertreibung der gesamten Bevölkerung Gazas in den ägyptischen Nordsinai, ein Horrorszenario für die Palästinenser.

Der bisherige Kriegsverlauf und geleakte israelische Regierungsdokumente weisen nun darauf hin, dass ein solches Szenario durchaus bevorstehen könnte. Al-Sisi und ägyptische Offizielle werden daher seit Wochen nicht müde, ihre konsequente Ablehnung solcher Planspiele auszudrücken.

Karten neu gemischt

Eine Vertreibung der Palästinenser in den Nordsinai rhetorisch auch nur in Erwägung zu ziehen würde für Al-Sisi zum Bumerang werden und könnte gar Proteste gegen ihn auslösen und damit die diesjährige Wahlfarce stören. Ein genauerer Blick auf die Entwicklungen im Nordsinai seit 2014 wirft jedoch unangenehme Fragen auf, die Al-Sisis jüngste Gaza-Rhetorik als wenig glaubhaft erscheinen lassen.

Ägyptens Armee hat seit 2014 unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung die Region nahe der Grenze zu Gaza praktisch entvölkert. Bis zu 150.000 Menschen sollen vertrieben, mehr als 12.000 Häuser abgerissen worden sein.

Die ägyptische Stadt Rafah wurde sprichwörtlich dem Erdboden gleichgemacht. Im Sinai selbst wird derweil schon seit Jahren gemunkelt, Ägypten bereite die Region für eine auf Zwangsumsiedlung von Palästinensern setzende "Lösung" des Nahostkonflikts vor. Bislang galt ein solches Szenario als absurd und nicht durchsetzbar – der andauernde Krieg hat die Karten jedoch neu gemischt. (Sofian Philip Naceur, 10.12.2023)