Fast nackte Männer am Boden aufgereiht, die Gesichter nach unten gewandt
Wer die Bilder von den palästinensischen Gefangenen gemacht hat, ist unklar.
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Dutzende Männer, die offenbar gezwungen wurden, sich bis auf die Unterhose auszuziehen und auf dem Boden zu kauern, manche knien auf dem Asphalt, die Hände am Rücken gefesselt: Verstörende Bilder wie diese werden derzeit in sozialen Medien geteilt. Auf anderen sind Männer auf dem Boden aufgereiht, die Gesichter nach unten gewandt. Auf einem anderen Bild sieht man ebenfalls unbekleidete männliche Erwachsene und Jugendliche, die in einer Reihe vor einer Grube kauern, ihre Augen sind verbunden. Wieder andere Aufnahmen zeigen halbnackte Menschen, eng zusammengepfercht auf der Ladefläche eines Pick-up-Trucks. Die Fotos stammen laut Angaben der israelischen Armee aus dem Norden des Gazastreifens.

Halbnackte Menschen, eng zusammengepfercht auf der Ladefläche eines Pick-up-Trucks
Laut israelischer Armee stammen die Aufnahmen aus dem Norden des Gazastreifens. Die Männer
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Es ist unklar, wie lange und zu welcher Tageszeit die Männer in diesen Positionen ohne Bekleidung verharren mussten. Am Morgen liegen die Temperaturen in Gaza derzeit bei rund 13 Grad Celsius.

Quellen aus Gaza berichten, dass Israels Armee alle Kinder und Frauen, die im Norden aufgegriffen wurden, in den Süden schickt, während Männer und Buben über 15 Jahre festgehalten würden. Als Ort der Festnahmen dienten Schulen der UN-Organisation UNRWA.

Befragungen angekündigt

In israelischen sozialen Medien wurden die Männer auf den Bildern als "Hamas-Leute" oder "Terroristen" bezeichnet. Dafür gibt es jedoch keine Belege. Israels öffentlicher Sender Kan hat berichtet, dass es sich auch um Zivilisten handeln könnte. Daniel Hagari, Sprecher der israelischen Streitkräfte, bestätigte das in einem Pressegespräch Donnerstagabend. Die Bodentruppen im Norden des Gazastreifens hätten den Auftrag, alle Männer, die aus Gebäuden oder Tunneln kommen, auf Bombengürtel zu kontrollieren, festzunehmen und zu befragen. "Wir forschen aus, wer von ihnen Verbindungen zur Hamas hat."

Einer der auf den Fotos abgebildeten Männer wurde inzwischen als bekannter Journalist identifiziert: Es handelt sich um Diaa Al-Kahlout, Gaza-Chef des in London stationierten TV-Senders Al-Arabiya Al-Jadid. Man habe seit Donnerstagmittag jeden Kontakt zu Al-Kahlout verloren, gab der Sender bekannt. Später habe man erfahren, dass der Journalist gemeinsam mit mehreren Familienmitgliedern abgeführt worden sei.

Das Komitee für den Schutz von Journalisten (CPJ) zeigt sich "tief betroffen über die Festnahme", sagte deren Nahost-Koordinator Sherif Mansour. "Die israelische Armee soll seinen Aufenthaltsort bekanntgeben, ihn sofort freilassen und Schritte ergreifen, um die Sicherheit aller Journalisten, die über diesen Krieg berichten, zu gewährleisten."

Seit Beginn des Krieges wurden laut CPJ mindestens 63 Journalisten und Medienleute getötet, 18 weitere seien von der israelischen Armee festgenommen worden, die Mehrzahl von ihnen im Westjordanland.

Humanitäre Notlage

Video: Kämpfe im Gazastreifen treiben Schutzsuchende immer mehr in die Enge
AFP

Israels Armee setzt seine Offensive im Süden des Gazastreifens fort. Zugleich sind die Truppen auch im Norden immer noch damit beschäftigt, Hamas-Kämpfer aufzuspüren. Humanitäre Helfer berichten von extremer Not: Die Binnenvertriebenen - laut UN-Angaben mittlerweile 85 Prozent der Bevölkerung im Gazastreifen - hätten kaum Zugang zu Trinkwasser und Nahrung. Seit dem Krieg dürfen keine Waren mehr nach Gaza importiert werden. Der Bedarf muss durch Hilfslieferungen gedeckt werden, die Mengen an humanitären Gütern werden jedoch von Israel und Ägypten auf ein Minimum reduziert. Jene, die sich immer noch im Norden des Gazastreifens aufhalten, sind von humanitären Gütern völlig abgeschnitten.

Das sorgt für zunehmende internationale Kritik, auch von engen Verbündeten Israels wie den USA und Deutschland. "Israel muss sein militärisches Vorgehen in Gaza anpassen und mehr humanitäre Hilfe reinlassen, um das Leid der Zivilbevölkerung zu lindern", erklärte Außenministerin Annalena Baerbock auf X. "Der Krieg ist nicht gewonnen, wenn man die Aussicht auf Frieden dabei verliert."

Im UN-Sicherheitsrat scheiterte ein Resolutionsentwurf für einen sofortigen humanitären Waffenstillstand Freitagabend in New York. Die USA legten ihr Veto ein, Großbritannien enthielt sich. Somit stimmten 13 der 15 Mitglieder für den von den Vereinigten Arabischen Emiraten eingebrachten Entwurf, der am Veto der USA scheiterte. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 10.12.2023)