Der Film beginnt mit einem Anruf bei Dieu Hao Dos Onkel. Im Hintergrund der Blick aus einem Hochhaus auf Ho Chi Minh City, die ehemalige Hauptstadt Südvietnams. Viele Vietnamesinnen und Vietnamesen nennen die Millionenmetropole nach wie vor bei ihrem alten Namen – Saigon. Sein Onkel will nichts mit ihm zu tun haben. "Was willst du von mir? Ruf mich nicht mehr an!", schreit er ins Telefon.

Streitigkeiten in der Großfamilie sind wohl keine Seltenheit. Doch der Schmerz, der in Dieu Hao Dos Familie sitzt, ist tief. Seit Jahrzehnten sind seine Mutter und ihre Geschwister zerstritten, reden kein Wort miteinander. Manche geben dem Kommunismus die Schuld, sein ältester Onkel sagt, es geht um ein ungerecht verteiltes Erbe, der Rest hüllt sich in Schweigen. Der Regisseur rekonstruiert in dem Dokumentarfilm "Hao are you" die geografische und mentale Zersplitterung seiner Familie fast 50 Jahre nach dem Ende des Kriegs in Vietnam.

Postmigrantische Perspektive

Es folgt ein Zusammenschnitt von Videoszenen: Ausschnitte aus seiner Kindheit in Deutschland, Spielen mit Freunden und historische Aufnahmen von der Übernahme Saigons durch Nordvietnam. Die Fluchterfahrung beschränkt sich aber nicht nur auf die Generation von Dieu Hao Dos Eltern. Bereits zuvor ist die Familie von China nach Vietnam geflohen. Dort bauten sich seine Großeltern einen Handel mit Stoffen auf, verdienten gutes Geld. Nach dem Fall von Saigon im Jahr 1975 wurde die Familie enteignet und sollte einem landwirtschaftlichen Leben außerhalb der Stadt nachgehen. Nach und nach versuchten die Geschwister das Land zu verlassen. Einige wurden dabei geschnappt, verhaftet und landeten im Straflager. Anderen gelang die Flucht übers Meer als Boatpeople.

Regisseur Dieu Hao Do gemeinsam mit seiner Mutter Hua Minh und seinem Onkel Hui Kam-Sang
Regisseur Dieu Hao Do (Mitte) gemeinsam mit seiner Mutter Hua Minh und seinem Onkel Hui Kam-Sang (links) im Taxi in Saigon auf dem Weg zum ehemaligen Haus, das von den Kommunisten enteignet wurde.
Foto: ZDF, Florian Mag

Ihre Schicksale sind keine Seltenheit. Rund 1,5 Millionen Menschen verließen in den Jahren nach der nordvietnamesischen Übernahme ihre Heimat, nicht alle überlebten es. Mittlerweile leben seine Onkels und Tanten, deren Kinder und Enkelkinder über drei Kontinente verteilt. Seine Reise führt Dieu Hao Do von Deutschland nach Ho Chi Minh City und Hongkong bis in die USA und zeigt, wie sich Traumata von Krieg und Verfolgung nicht nur auf die Überlebenden, sondern auch auf deren Nachfahren auswirken. Am Ende des Films stehen die gemeinsame Rückkehr in die frühere Heimat und der Wunsch nach der großen Versöhnung. Doch die alten Wunden lassen sich nicht so leicht schließen, wie gedacht. (Anika Dang, 20.12.2023)