US-Präsident Joe Biden und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
US-Präsident Joe Biden steht zwar verbal an der Seite der Ukraine (hier im September 2023), die Freigabe neuer Mittel wird derzeit aber von einem Streit im US-Parlament blockiert. Mehr und mehr Republikaner melden Zweifel an der Unterstützung für die Ukraine an oder lehnen diese völlig ab.
AP/Evan Vucci

Zweimal schon ist Wolodymyr Selenskyj seit dem russischen Überfall auf sein Land nach Washington gereist. Das erste Mal, vor genau einem Jahr, wurde der ukrainische Präsident vom versammelten Kongress wie ein Held gefeiert. Beim zweiten Mal, im September, musste er sich im Senat mit Gesprächen hinter verschlossenen Türen begnügen. Nun kommt Selenskyj an diesem Dienstag überraschend ein drittes Mal in die US-Hauptstadt. Doch sein Besuch gleicht einem verzweifelten Hilferuf.

Ende des Jahres nämlich laufen die Hilfen der USA, die Kiew bislang mit Militärgütern und anderen Leistungen im Wert von mehr als 100 Milliarden Dollar unterstützt haben, aus. Und es erscheint zunehmend unwahrscheinlich, dass der Kongress die neuen Hilfen im Umfang von 61 Milliarden Dollar, die Präsident Joe Biden beantragt hat, billigen wird. Im republikanisch dominierten Repräsentantenhaus gibt es dafür keine Mehrheit, und in der vergangenen Woche hat der Senat das Gesetzesvorhaben blockiert.

Viktor Orbán in den USA

Wie verhärtet die Fronten im Kongress sind, dürfte am Dienstag überdeutlich werden. Während der ukrainische Präsident Selenskyj mit Vertretern des Senats zusammentrifft, findet in der rechten Denkfabrik Heritage Foundation, die die Blaupause für eine erneute Trump-Amtszeit erarbeitet hat, nach einem Bericht des britischen "Guardian" eine denkwürdige Veranstaltung statt: Dort will der rechtspopulistische ungarische Premierminister Viktor Orbán republikanische Kongressabgeordnete treffen und mit ihnen über die endgültige Einstellung aller Ukraine-Hilfen beraten. Ein Auftritt vor dem Repräsentantenhaus bleibt Selenskyj verwehrt. Nur eine Begegnung mit dessen Sprecher Mike Johnson ist vorgesehen.

Präsident Biden hat seine Ukraine-Gelder in ein 110 Milliarden Dollar schweres Sicherheitspaket gepackt, das auch Mittel für Israel, Taiwan und die Sicherung der US-Grenze enthält. Offenbar hoffte das Weiße Haus, durch diese Bündelung Ukraine-skeptische Republikaner, die Israel unbedingt unterstützen wollen, auf seine Seite zu ziehen. Doch diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Die Republikaner sind nur bereit, über weitere Ukraine-Hilfen zu reden, wenn Biden seine Asylpolitik derart drastisch verschärft, dass er damit den linken Flügel der Demokraten verprellen würde.

Entsprechend dramatisch klingen die Warnungen transatlantisch orientierter Demokraten vor einem Aus der US-Ukraine-Hilfen: "Das ist einer der gefährlichsten Momente der amerikanischen Politik, die ich erlebt habe", sagte Senator Chris Murphy dem Sender NBC. Der Politiker aus Connecticut warnte: "Wenn wir das nicht in den nächsten Wochen lösen, wird Wladimir Putin die Gelegenheit haben, die ukrainische Front zu durchbrechen, auf Kiew zu marschieren und damit ganz Europa zu bedrohen."

Geschenk für Putin

Auch Selenskyj will seinen Besuch offenbar nutzen, um noch einmal eindringlich an die US-Öffentlichkeit zu appellieren. Nach einer Begegnung mit Biden im Weißen Haus ist eine gemeinsame Pressekonferenz der beiden Regierungschefs geplant. Der US-Präsident hatte schon in der vergangenen Woche eindringlich gemahnt: "Das kann nicht warten! Es ist unglaublich, dass es so weit gekommen ist und Republikaner im Kongress bereit sind, Putin das größte Geschenk zu machen, auf das er hoffen konnte."

Geholfen hat der Appell wenig: Kurz darauf blockierte der Senat sein Gesetzespaket. Nun verbleiben dem Kongress nur noch wenige Sitzungstage. Am Freitag entschwinden die Parlamentarier planmäßig in die Weihnachtsferien. (Karl Doemens aus Washington, 12.12.2023)