Eines der frühgeborenen palästinensischen Babys, die Anfang Dezember nach Kairo evakuiert wurden.
REUTERS/AMR ABDALLAH DALSH

"Es wird keine Anfrage von unserer Seite geben", sagte der palästinensische Botschafter in Österreich, Salah Abdel Shafi, kürzlich in einem Video-Interview, das auf Twitter kursierte, zum Vorschlag des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig (SPÖ), palästinensische Babys in Wien behandeln zu lassen. Denn Österreichs Bundesregierung habe "völlig die israelische Position adaptiert" und gegen die Uno-Resolution zu einem Waffenstillstand in Gaza votiert. Mit seiner Position würde Österreich praktisch die Angriffe gegen Zivilistinnen und Zivilisten im Gazastreifen rechtfertigen. Eine "humanistische Geste" Österreichs könne man daher nicht akzeptieren, sagte Abdel Shafi. "Wer sich Sorgen um Zivilisten macht, muss eindeutig für einen Waffenstillstand eintreten."

Aber wie relevant ist diese Positionierung des palästinensischen Botschafters eigentlich in der Praxis? Oder anders gefragt: Gibt es überhaupt eine konkrete Perspektive, dass Babys aus Gaza tatsächlich zur medizinischen Behandlung nach Österreich gebracht werden könnten? Und was hat sich in der Sache nach der Ende November vom Wiener Bürgermeister artikulierten Idee getan?

Abhängig vom Bund

Man sei da abhängig vom Bund, heißt es aus Ludwigs Büro auf STANDARD-Nachfrage. Denn das Hereinholen von Menschen aus Gaza müsste jedenfalls von der Bundesregierung koordiniert werden. Sollte es dazu kommen, sei man jedenfalls "in der Sekunde bereit", Babys oder Kinder in den Wiener Krankenanstalten zu versorgen. Mit dem Wiener Gesundheitsverbund habe man zuvor schon geklärt, dass die entsprechenden Kapazitäten vorhanden seien. Die zuständigen Stellen in der Bundesregierung seien vom Wiener Angebot jedenfalls informiert.

Im Außenministerium verweist man auf STANDARD-Nachfrage auf Ägypten. Denn dort wurden die Babys aus Gaza, die Ludwig in Wien unterbringen wollte, hingebracht. Dabei handelte es sich um insgesamt 28 palästinensische Frühgeborene, die sich laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) in äußerst kritischem Zustand befanden und aufgrund schwerer Infektionen dringend medizinische Versorgung benötigten.

Kein Hilfsansuchen aus Ägypten

Für eine Überstellung nach Wien bräuchte es laut Ministerium ein Hilfsansuchen aus Ägypten. Und das gebe es bislang nicht. Sollte eine Anfrage aus Kairo kommen, sei man aber selbstverständlich bereit, Frühchen medizinisch zu versorgen, heißt es aus dem Büro von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP). "Kinder leiden am meisten unter dem Krieg, egal wo."

Grundsätzlich würden die israelischen und ägyptischen Behörden aktuell nur wenigen Menschen die Ausreise aus Gaza erlauben. In den meisten Fällen handle es sich dabei um ausländische Staatsangehörige. Auch im Falle der palästinensischen Frühchen, die nun in Krankenhäusern in Kairo untergebracht sind, sei der formale Ablauf wie in anderen Fällen auch: Wenn medizinische oder humanitäre Hilfe benötigt werde, könne ein entsprechender Bedarf im dafür vorgesehenen europäischen Krisenmechanismus eingemeldet werden.

Zur Koordination und etwaigen Verteilung auf die EU-Länder seien dann die Innenministerinnen und Innenminister zuständig. Über dieses System nahm Österreich etwa während der Corona-Pandemie Patientinnen und Patienten aus Montenegro und Rumänien auf, die medizinische Versorgung benötigten. Für den Transport nach Österreich ist in diesen Fällen das Außenressort zuständig.

Wiener Angebot steht

Ohne Anfrage aus Ägypten also auch keine palästinensischen Babys in Österreich. Ist das Thema damit auch für Wien erledigt? "Nicht unbedingt", heißt es aus dem Büro Ludwig. Denn Bereitschaft wie Möglichkeiten in den Spitälern der Hauptstadt blieben auch längerfristig erhalten.

Je nachdem, wie lange der Krieg im Nahen Osten noch dauern würde, könnte es auch weiterhin Bedarf an humanitären Leistungen und medizinischer Behandlung in Wiener Krankenhäusern geben. Wie die Entwicklung auch auf internationaler Ebene voranschreite, könne aus Wien zwar nicht beeinflusst werden. Sollte es aber internationale Koordination geben, sei in Zukunft etwa auch denkbar, Babys direkt aus Gaza aufzunehmen – ohne den "Umweg" Ägypten. (Martin Tschiderer, 11.12.2023)