Arthur Mensch, der CEO von Mistral AI.
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In der KI-Branche ist es jetzt anscheinend Brauch, große Veröffentlichungen neuer Modelle mit nobler Zurückhaltung bekannt zu machen. Wo andere Software-Firmen auf den Putz hauen und Presse und Promis zu riesigen Events einladen, ist davon wenig zu spüren, wenn es um KI geht. ChatGPT wurde im Vorjahr mit einem wenig aufgeregten Blogpost auf der Website von OpenAI angekündigt.

Es scheint fast so, als wäre der Nicht-Aufwand zur Veröffentlichung indirekt proportional zum Hype, den die Systeme später auslösen. Wenn diese Vermutung stimmt, dann dürfte Mistral AI das nächste große Ding auf dem KI-Markt werden. Denn das französische Start-up hat sein KI-Modell nun auf eine Weise veröffentlicht, die unspektakulärer nicht sein könnte: per Torrent-Link, gepostet auf X, vormals Twitter. Dabei soll das Modell sogar leistungsfähiger sein als GPT 3.5.

Die "erogenen Zonen" von Entwicklern

Mistral gilt als einer der Hoffnungsträger der KI-Szene in Europa und wird auch immer wieder als Gegenbeispiel genannt, wenn der EU zu viel Regulierung im Rahmen des AI Acts vorgeworfen wird. Das Start-up nahm jüngst in einer Finanzierungsrunde 415 Millionen Dollar ein und wird insgesamt auf einen Wert von zwei Milliarden Dollar geschätzt. Dem Unternehmen und schon gar nicht dem Mitgründer und CEO Arthur Mensch sieht man das aber nicht an.

Man pflegt eher eine gewisse leichte Hacker-Attitüde und vermarktet seine eigenen großen Sprachmodelle als leicht, schnell und effizient – ganz im Gegensatz zu vermeintlichen, von Microsofts Milliarden aufgeblähten Moloch OpenAI. Die Entscheidung von Mistral, das jüngste Sprachmodell kurzerhand öffentlich zu posten, führte dementsprechend auch zu viel öffentlichem Applaus und Memes und Komplimenten auf X. Ein Kommentator stellte fest: "Kein Blog, keine Aufregung, keine Beschreibung – nur ein Torrent mit den Modelldateien ... Mistral weiß, dass sein Hauptzielpublikum Entwickler sind und kennt deren erogene Zonen."

Am Montag veröffentlichte das Unternehmen schließlich doch noch einen Blogpost auf der Firmenwebsite und gab ein wenig mehr Kontext über die Veröffentlichung von Mixtral-8x7B. Laut den in diesem Blogbeitrag enthaltenen Benchmarks übertrifft Mistral einige seiner US-Konkurrenten, darunter die Llama-2-Familie von Meta und GPT-3.5 von OpenAI. Laut einem Bericht von "Gizmodo" scheint man sich im Netz einig zu sein, dass das Modell aus Frankreich vor allem schnell funktioniert.

Ein Einhorn aus Europa

Mistral ist erst im Mai 2023 gegründet worden und zog binnen kürzester Zeit viel Aufmerksamkeit auf sich und konnte vor allem die Investoren überzeugen. Nur wenige Woche nach der Gründung sammelte das Unternehmen rund 105 Millionen Euro Risikokapital ein. Unter den Investoren war unter anderem der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt. Im September veröffentlichte Mistral das erste Sprachmodell namens Mistral7B. Mit der jüngst erfolgten Neubewertung von zwei Milliarden Euro, gilt Mistral AI als sogenannte Einhorn. Gemeinsam mit Aleph Alpha aus Heidelberg gilt Mistral mittlerweile als eines der führenden KI-Unternehmen in Europa. CEO Arthur Mensch ist in der Branche auch kein Unbekannter: Der heute 31-Jährige arbeitete knapp drei Jahre lang an Googles Deepmind mit, ehe er Mistral AI gemeinsam mit Guillaume Lample und Timothée Lacroix gründete.

Umso überraschender kommt die Veröffentlichung von Mixtral-8x7B: Eigentlich sollte der Release erst Anfang 2024 erfolgen, nun preschte das Unternehmen vor und postete den Downloadlink. Ganz unbescheiden ist Mistral dann aber doch nicht. CEO Mensch gab jüngst an, man wolle ein "europäischer Champion mit globaler Ausrichtung" sein, und freute sich gleichzeitig, dass sein Unternehmen am Radar der Amerikaner aufgetaucht sei. Vielleicht wird das mit dem Marketing ja doch noch. (pez, 12.12.2023)