Neue Verbindungen, bequemere Züge: Die ÖBB hat sich im Geschäft mit den Nachtzügen in Europa gut in Stellung gebracht, der Konzern schwärmt auf seiner Website regelrecht davon, den Kontinent über Nacht zu verbinden. Und es wird auch investiert: Seit dem 10. Dezember zum Beispiel ist ein Nightjet der neuen Generation im Einsatz, der moderne Zug ist auf der Strecke Wien–Hamburg und Innsbruck–Hamburg unterwegs. Dazu kommen seit dieser Woche neue Verbindungen, die von der ÖBB gemeinsam mit Partnern geführt werden, darunter die Deutsche Bahn. So werden etwa die Destinationen Berlin und Paris sowie Berlin und Brüssel per Nachtzug verbunden.

Video: Immer mehr Reisende sind in Europa mit Nachtzügen unterwegs - auch um umweltfreundlicher zu reisen. Dabei waren die Nachtzüge jahrelang auf dem Abstellgleis. Doch jetzt stoßen immer neue Anbieter in die Lücke.
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Die Aktivitäten der Bahn lassen sich aktuell besonders gut vermarkten: Der Nachtzug wird regelmäßig, auch von Klimaministerin Leonore Gewessler, als wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz propagiert. Wer allerdings schon mal versucht hat, einen Liege- oder Schlafwagen zu buchen, wird zumindest in der Ferien- und Urlaubssaison feststellen: Die Züge sind oft ausgebucht. Die gute Nachfrage nutzen die ÖBB nun und bringen Bewegung in ihre Preise: Seit Sonntag hat die Bahn offenbar bei den Nachtzugstrecken auf eine dynamische Preisgestaltung umgestellt, die Preise richten sich also nun nach Angebot und Nachfrage. Aufgefallen ist das zunächst dem Betreiber der Schweizer Plattform "Night-Ride.ch", dem Journalisten und Programmierer Timo Grossenbacher. Die Plattform ermöglicht den Preisvergleich für europäische Nachtzugverbindungen.

Präsentation und Premierenfahrt der neuen Nightjet-Generation in Wien im November.
IMAGO/Andreas Stroh

Grossenbacher reist aus privaten Gründen oft von Zürich nach Amsterdam, wie er erzählt, weshalb ihm die Idee vor einem Jahr kam, eine Plattform für Preisvergleiche bei Nachtzügen zu bauen und online zu stellen. Die Website greift dabei vor allem auf Daten der ÖBB zurück, die inzwischen bei Verbindungen in Kontinentaleuropa bei Nachtzügen quasi Monopolist sind. Laut Grossenbacher gab es am Sonntag eine Umstellung: Die Preise stiegen plötzlich an.

Das nahm er zum Anlass, eine Auswertung zu machen: Er hat sich die angebotenen Preise für die Nachtzugverbindungen der Nightjet-Linien der ÖBB auf seiner Plattform angesehen und sie mit den Preisen in den Monaten davor verglichen. Insgesamt untersuchte Grossenbacher 30 Verbindungen, etwa Wien–Paris oder Wien–Hamburg, aber auch Verbindungen wie Zürich–Amsterdam oder Innsbruck–Hamburg. Er wertete mit der Datenbank die Preise an zehn ausgewählten Daten bis Ende Februar 2024 aus.

Ergebnis: Für Fahrgäste winken vor allem in den Schlafwagen "happige Aufschläge". Im Schnitt steigen die Preise für die verschiedenen Schlafwagenoptionen demnach um 16 bis 186 Prozent im Vergleich zum Vorzeitraum. Am größten ist der Sprung bei Einzelabteilen, wo es fast zu einer Verdreifachung der Preise im Durchschnitt für die zehn ausgewählten Daten kommt. Die Preise variieren dabei im Gegensatz zu früher laut seiner Darstellung, wo es Fixpreise und ein Kontingent an Sparschiene-Tickets gab. Ein Platz in einem Zweierabteil im Schlafwagen Wien–Hamburg kostet demnach bis Ende Februar zwischen 195 und 385 Euro, je nach Wunschdatum bei der Buchung.

Sitzen kommt immerhin billiger

Auch in den Liegewagen steigen die Preise bei einigen Angeboten, allerdings moderater, zwischen fünf und sieben Prozent. Der Sechserabtei- Liegewagen wird billiger, um 16 Prozent. Und: Sitzplätze verbilligen sich um ein Viertel. Süffisante Anmerkung dazu auf der Preisvergleichsplattform: Das gleiche sich wieder aus, wenn man nach der langen Zugfahrt zum Chiropraktiker müsse.

Der Schlafwagen ist die Goldklasse bei den Nachtzügen, mit teilweise eigener Toilette und Bad. Die Liegewagen bieten Platz für mehr Personen, Wasch- und Toilettenräume befinden sich im Wagen.

Die ÖBB kommentiert in einer Stellungnahme ihre Vorgehensweise so: Die Bahn nutze im Nachtverkehr seit vielen Jahren ein dynamisches Preissystem. "Wir bieten zukünftig aber eine breitere Spanne an Preisen an, um besser auf die Nachfrage unserer Kunden reagieren zu können. Es wird sowohl Preise geben, die günstiger sind und unter den alten Preisen liegen, als auch Preise, die darüber liegen. Aktuell sind beim Fahrplanwechsel kurzfristig durch sehr viele Preisabfragen die ausgewiesenen Preise im System hochgeschossen. In den nächsten Tagen wir das System die Preise wieder kalibrieren, und es ist mit wieder deutlich günstigeren Angeboten zu rechnen."

Verbindungen, die sehr gering ausgelastet sind, würden ein höheres Kontingent an Tickets in niedrigen Preisstufen erhalten. Die ÖBB weiter: "Jene Verbindungen zur Hochsaison oder an den am häufigsten genutzten Reisetagen werden im Allgemeinen teurer, da auch die Zahlungsbereitschaft unserer Kund:innen für diese Fahrten deutlich höher ist." Warum die ÖBB das neue Preissystem nicht kommuniziert hat, blieb unbeantwortet. (András Szigetvari, 13.12.2024)