Roboterarm Forschungsprojekt
Der dritte Arm sah im Versuch eher stilisiert aus.
Alain Herzog / EPFL

Für manche Aktivitäten wäre es überaus praktisch, einen dritten Arm zur Hand zu haben. Abgesehen von der Frage, wo dieser an einem perfekten Cyborg sinnvollerweise angebracht sein müsste, ist auch unklar: Ist unser Hirn überhaupt in der Lage, mehr als zwei Arme zu steuern?

"Wenn man das Gehirn herausfordert, etwas völlig Neues zu tun, kann man herausfinden, ob es die Kapazität dazu hat", sagt Silvestro Micera von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL). Er führte im Rahmen des "Third-Arm Project" eine Studie durch, die genau dies herausfinden sollte. Und sie fand Bestätigung: Ein zusätzlicher Roboterarm, den das Team entwickelte, ließ sich über die Atmung steuern, ohne die Kontrolle über die beiden normalen Arme zu beeinträchtigen. Die Ergebnisse präsentierte das Team im Fachblatt "Science Robotics".

Virtueller Arm mit sechs Fingern

Das Ziel ist nicht eine Utopie dreiarmiger Menschen. Die Hauptmotivation hinter dieser Studie habe daraus bestanden, das Nervensystem besser zu verstehen, sagte Studienleiter Micera. Doch es gibt durchaus praktische Anwendungsfelder: "Dieses Wissen kann dann genutzt werden, um zum Beispiel Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen oder Protokolle für die Rehabilitation nach einem Schlaganfall zu entwerfen." Man könnte Personen mit einem tragbaren Roboterarm ausstatten, um sie bei alltäglichen Aufgaben zu unterstützen oder Hilfe bei Rettungsaktionen zu leisten.

Um zu sehen, ob das menschliche Hirn dazu in der Lage ist, einen dritten Arm zu bedienen, bauten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter zunächst eine virtuelle Umgebung. Die Antwort auf die Frage, wo man den zusätzlichen Arm positionieren sollte, beantwortete sie mit der goldenen Mitte: Per Virtual-Reality-Brille sahen die Testpersonen der Studie zwischen ihrer linken und rechten Hand eine dritte.

Dritte Hand Virtual Reality
Ein Proband testet die Mobilität der virtuellen dritten Hand.
Alain Herzog / EPFL

Diese dritte Hand hatte, um symmetrisch zu sein, auf beiden Seiten einen Daumen, also insgesamt sechs Finger. "Wir haben eine symmetrische Hand gezeichnet, um eine Verzerrung zugunsten der linken oder rechten Hand zu vermeiden", erklärte Giulia Dominijanni. Jeder Testperson wurde ein Gürtel um den Brustkorb geschnallt, der die Bewegungen des Zwerchfells maß. Daraufhin wurden die Benutzerinnen und Benutzer gebeten, mit ihrem mittleren Arm bestimmte Ziele anzugreifen. Die Bewegung des Zwerchfells – das für die Atemmuskulatur eine wichtige Rolle spielt – steuerte die Hand. Die Nutzerinnen und Nutzer lernten sehr schnell, die zusätzliche Gliedmaße zu kontrollieren, wie es von der EPFL hieß. Dies geschah auch gleichzeitig mit den beiden natürlichen Händen.

Steuerung per Zwerchfell – oder Ohren

Das System wurde an 61 Personen in über 150 Sitzungen getestet. Die Kontrolle des dritten Arms über das Zwerchfell beeinträchtigte dabei die Fähigkeit der Testpersonen nicht, zusammenhängend zu sprechen. In einem zweiten Schritt testeten die Forschenden die Kontrolle über das Zwerchfell an einem tatsächlichen Roboterarm. Einen Schönheitspreis dürfte dieser vereinfachte Arm nicht gewinnen: Er besteht aus einem ausfahrbaren Stab mit einem grünen Kreis am Ende. Auch diesen lernten die Testpersonen laut den Forschenden schnell zu steuern. Zumindest einfache Aufgaben wie das Ausfahren und Bewegen des Stabs in die richtige Richtung ließen sich so bewältigen.

Cognitive strategies for augmenting the body with a wearable, robotic arm
EPFL

In einem nächsten Schritt wollen die Fachleute komplexere robotische Geräte erforschen und dabei verschiedene Kontrollstrategien nutzen, wie die EPFL mitteilte. So wurde in der Vergangenheit beispielsweise bereits versucht, einen dritten Arm mit Ohrmuskeln zu steuern. Welche Muskelgruppe sich hierzu am besten eignet, dürfte noch erforscht werden. (APA, red, 14.12.2023)