Serbiens Präsident Aleksandar Vučić beim Wahlkampf in einer Sportarena in Belgrad.
Serbiens Präsident Aleksandar Vučić macht Stimmung für seine Serbische Fortschrittspartei (SNS).
AFP/ANDREJ ISAKOVIC

Während er Premierministerin Ana Brnabić nach Brüssel zum Westbalkan-Gipfel entsandte, widmete sich der serbische Präsident Aleksandar Vučić vergangene Woche wichtigeren Dingen: einem Fußballspiel in Belgrad. Vor zehn Jahren dachte man in Brüssel, dass man Serbien mit der EU-Perspektive locken könnte, um die Beziehungen zum Kosovo zu normalisieren oder sogar eine "De facto"-Anerkennung zu erreichen. Doch das ist ganz offensichtlich gescheitert.

Die EU-Staaten fordern nun, dass Serbien das jüngste Abkommen mit dem Kosovo umsetzen muss, um das Verhandlungskapitel 35 abzuschließen. Doch Premierministerin Brnabić machte umgehend "Vorbehalte" geltend. Bei dem Abkommen handle es sich keineswegs um einen rechtsverbindlichen Text. Der Kosovo sei weiterhin ein Teil von Serbien, so Brnabić.

Die Direktorin des European Fund for the Balkans in Belgrad, Aleksandra Tomanić, meint, dass die EU keine Druckmittel mehr habe, den Mediationsprozess zwischen Serbien und dem Kosovo aber selbst verspielt habe. "Vučić ist es immer weniger wichtig, was man in Brüssel über ihn denkt." Die EU habe keine richtige Strategie für den Westbalkan, man sei nun vor allem auf die Ukraine fokussiert. Auch den Plan, sechs Milliarden Euro in die Region zu pumpen, hält Tomanić nicht für zielführend. Geld ohne politische Strategie in die Hand zu nehmen zeige die Hoffnungslosigkeit der EU. "Sollte es in die vorhandenen korrupten Systeme fließen, ist mehr Schaden als Nutzen zu erwarten“, so Tomanić zum STANDARD.

Wahlwerbung im Ausland

Die Wahlen am Sonntag seien schon jetzt "entschieden", meint sie, und verweist darauf, dass die Serbische Fortschrittspartei (SNS) in den vergangenen Jahren dafür Mechanismen gebildet habe. "Das Sozialsystem ist im Dienste der Wahlmaschine." Selbst in Belgrad könne die Opposition sehr wahrscheinlich nicht gewinnen, weil die SNS dafür sorge, dass Leute, die gar nicht dort wohnen, in der Hauptstadt gemeldet wurden, um ihr Kreuzerl auf dem "richtigen Platz" zu machen.

So werden etwa im Landesteil Republika Srpska des Staates Bosnien und Herzegowina, wo viele Serben wohnen, Wähler für Vučić organisiert. Fährt man in Vororte von Sarajevo, sieht man Wahlplakate für die SNS, so als wäre man mitten in Serbien und nicht in einem anderen Staat. Laut der Plattform "klix.ba" bekamen in den letzten elf Jahren knapp 180.000 bosnische Bürgerinnen und Bürger die serbische Staatsbürgerschaft, 28.242 Bürger aus Montenegro, 20.324 aus Kroatien und etwa 8200 aus Nordmazedonien. Leute in Belgrad berichten, dass sie an ihre Adressen Wahlwerbung an Personen zugesandt bekämen, die dort gar nicht leben. Diese Auslandsserben, die in Belgrad scheingemeldet zu fiktiven Inlandsserben wurden, sind offenbar ein Teil von Vučićs Machtsystem.

Gewählt werden am Sonntag nicht nur 250 Vertreter des Parlaments, in dem die SNS bisher 109 Sitze, die Sozialisten 23 und die größte Oppositionspartei "Freiheit und Gerechtigkeit" 15 Sitze innehat. Zusätzlich finden auch Provinzwahlen in der Vojvodina und Kommunalwahlen in 65 Städten und Gemeinden statt. Laut dem Gesetz sollte die nächste Parlamentswahl erst im Frühjahr 2026 stattfinden. Doch Vučić lässt zu seiner Machtabsicherung immer wieder wählen. Analytiker denken, dass er auch von dem Terroranschlag serbischer Milizen im Kosovo am 24. September ablenken will.

Rechtsradikale Wurzeln

Gleichzeitig ist der Präsident zu seinen rechtsradikalen Wurzeln zurückgekehrt. Seine Partei kandidiert in Belgrad gemeinsam mit der Serbischen Radikalen Partei des Kriegsverbrechers Vojislav Šešelj, der Vučić früher angehörte. Die SRS hat dazu aufgerufen, den Beitrittsprozess Serbiens zur EU abzubrechen, sie wolle noch engere Beziehungen zu Russland und sich um eine Mitgliedschaft in der BRICS bewerben. Dessen Sohn Aleksandar Šešelj forderte ein Verbot von Nichtregierungsorganisationen, die die Anerkennung des Kosovo unterstützen. Und Vučić selbst meinte, dass jede Stimme für die Opposition "eine Stimme für die Unabhängigkeit des Kosovo und für die Einführung von Sanktionen gegen Russland" sei. (Adelheid Wölfl, 15.12.2023)