Der armselige Stall von Bethlehem, das Jesuskind auf Stroh in der Futterkrippe, Maria und Josef, der Ochs und der Esel, die Hirten, eventuell auch noch die drei Könige: Jahrhundertelang war die figürliche Darstellung der Krippe das Symbol für die Weihnachtszeit schlechthin gewesen, viel mehr als der (heidnische) Weihnachtsbaum. Und in katholisch geprägten Ländern wie Italien ist sie es bis heute geblieben.

Die wenigsten Menschen freilich wissen, von wem und wo die Tradition ins Leben gerufen wurde: Es war Franz von Assisi, der vor genau 800 Jahren in einer Grotte in der Nähe des kleinen Städtchens Greccio 80 Kilometer nordöstlich von Rom die erste Krippe aufgebaut haben soll, um die Geburt Jesu nachzustellen. An der Stelle wurde später ein Kloster gebaut.

Krippe am Petersplatz in Rom
Die Krippe, die bis zum 7. Jänner 2024 am Petersplatz in Rom zu sehen ist, ist dem Original des heiligen Franz von Assisi nachempfunden.
REUTERS/REMO CASILLI

Die erste Krippe von Greccio war eine "lebendige": Laut dem Biografen des Gründers des Franziskanerordens, Tommaso da Celano, waren der Adlige Giovanni Velita, seine Gattin Alticama sowie drei Ordensbrüder des Heiligen und einige Hirten die Darsteller. Auch Ochs und Esel seien schon präsent gewesen. Der örtliche Priester habe vor der Krippe die Messe gefeiert, um an den inneren Zusammenhang mit der Menschwerdung Gottes zu erinnern. Die Bevölkerung von Greccio habe angesichts der Darstellung der Weihnachtsszene eine "zuvor nie gekannte Freude" empfunden, berichtet der Chronist.

"Lebendiges Evangelium"

Auch Papst Franziskus, der mit der Wahl seines Papstnamens bewusst seine Bewunderung für Franz von Assisi ausdrücken wollte, ist ein großer Anhänger der von seinem Namensvetter gegründeten Tradition. "Im Hause meiner Eltern in Buenos Aires hat dieses weihnachtliche Zeichen nie gefehlt, die Krippe kam vor dem Weihnachtsbaum", schreibt der katholische Oberhirte im Vorwort seines kürzlich erschienenen Buchs "Il mio presepe. Vi racconto i personaggi di Natale" (Meine Krippe. Ich beschreibe euch die Persönlichkeiten der Weihnachtsgeschichte). In der Krippe hätten die Hirten das Antlitz Gottes "in seiner Kleinheit" erkannt, so der Papst. Es seien gerade die kleinen Dinge, die den Weg zu Gott wiesen.

Krippe in Lucéram, Frankreich
Die Krippentradition wird seit Jahrhunderten weltweit gepflegt, so auch hier im südfranzösischen Lucéram.
EPA/SEBASTIEN NOGIER

Die Engel hätten die Hirten auf ein Kind hingewiesen, das im Stall geboren worden sei. "Das ist kein Zeichen von Macht, Selbstgenügsamkeit oder Stolz. Nein. Der ewige Gott erniedrigt sich in einem wehrlosen, sanftmütigen, demütigen Menschen. Gott hat sich herabgelassen, damit wir mit ihm gehen können und damit er sich an unsere Seite stellt, nicht über und weg von uns", betont Franziskus. Die Krippe sei nichts anderes als "ein lebendiges Evangelium, das von den Seiten der Heiligen Schrift nur so überquelle", schreibt der Papst. Das Erstaunen und das Sich-Wundern seien die Gefühle, die alle Menschen, die Kleinen und die Großen, beim Betrachten einer Krippe erfüllten.

"Momente der Stille"

In seinem neuen Buch hat Franziskus einige seiner zahlreichen Texte über die Weihnachtskrippe und ihre Bedeutung zusammengefasst. Einmal, im Jahr 2019, hat er den Krippen sogar ein eigenes apostolisches Schreiben gewidmet: "Admirabile Signum". Unterzeichnet hat er es natürlich in Greccio. Auch mit diesem Schreiben unterstütze er "die schöne Tradition in unseren Familien", vor Weihnachten eine Krippe aufzubauen; aber auch "den guten Brauch, sie am Arbeitsplatz, in Schulen, Krankenhäusern, Gefängnissen, auf öffentlichen Plätzen und so weiter aufzustellen", schrieb der Papst. "Vor der Weihnachtskrippe entdecken wir, wie wichtig es für unser so oft hektisches Leben ist, Momente der Stille und des Gebets zu finden", so Franziskus.

Natürlich erinnert auch die diesjährige Krippe auf dem Petersplatz in Rom an die "Erfindung" der Krippe vor 800 Jahren durch Franz von Assisi: Sie wurde gebaut von Handwerkern der Provinz Rieti, wo auch Greccio liegt, und ist dem Original im Wallfahrtsort nachempfunden. Der 25 Meter hohe Weihnachtsbaum dagegen stammt in diesem Jahr aus der piemontesischen Provinz Cuneo.

Eingeweiht wurden Krippe und Baum am 9. Dezember durch den Leiter der Vatikanstaatsverwaltung, Kardinal Fernando Vergez Alzaga. Das Ensemble bleibt bis zum liturgischen Ende der Weihnachtszeit am 7. Jänner 2024 stehen. (Dominik Straub aus Rom, 20.12.2023)