Tim Lochner
Wurde mit über 38 Prozent zum Oberbürgermeister Pirnas gewählt: Tim Lochner.
APA/dpa/Sebastian Kahnert

Längst ist die AfD nicht mehr einfach nur ein ostdeutsches Phänomen: Erst im Oktober etwa war die rechtspopulistische Alternative für Deutschland bei der Landtagswahl im westdeutschen Hessen auf Platz zwei gekommen – hinter der konservativen CDU, aber klar vor den Parteien der Berliner Ampelkoalition, also vor SPD, Grünen und FDP. Die wirklichen Erfolgsmeldungen aber, die kommen für die AfD weiterhin aus dem Gebiet der ehemaligen DDR. So wie am Sonntag aus dem sächsischen Pirna. Dort hat ihr Kandidat Tim Lochner die Wahl zum Oberbürgermeister deutlich gewonnen. Es ist für die Partei bundesweit der erste derartige Sieg in einer Kreisstadt.

Lochner ist parteilos, trat aber für die AfD an und erhielt im zweiten Wahlgang 38,5 Prozent der Stimmen. Das ist die relative Mehrheit, und diese reicht nun für den Einzug ins Rathaus. Schon nach der ersten Wahlrunde, bei der allerdings eine absolute Mehrheit erforderlich gewesen wäre, war Lochner mit knapp 33 Prozent vorn gelegen. Daraufhin zogen sich ein parteiloser Kandidat sowie jener der SPD, der auch von den Grünen unterstützt wurde, zurück. Beide hatten im ersten Wahlgang zusammen knapp 24 Prozent auf die Waage gebracht und unterstützten nun die CDU-Kandidatin Kathrin Dollinger-Knuth.

Das reichte allerdings nicht, um Lochner als Oberbürgermeister zu verhindern: Dollinger-Knuth (CDU) blieb mit rund 31 Prozent klar hinter dem AfD-Kandidaten zurück. Der parteilose Ralf Thiele, der für die Freien Wähler ins Rennen ging, landete mit 30 Prozent auf Platz drei. Das Ergebnis und seine Geschichte zeigen, dass nicht nur die Ampelparteien immer mehr in Bedrängnis geraten. Gerade auch die CDU ist dem Abfluss von Wählerstimmen und sogar von Kandidaten ausgesetzt: Lochner und Thiele waren früher selbst CDU-Mitglieder.

Gesichert rechtsextremistisch

Pirna mit seinen 40.000 Einwohnern liegt südöstlich der sächsischen Landeshauptstadt Dresden. Etwa 20 Kilometer sind es von hier bis an die tschechische Grenze. Die Stadt wird auch "Tor zur Sächsischen Schweiz" genannt, das nahe Elbsandsteingebirge mit seinen schroffen Felsformationen ist ein beliebter Touristenmagnet. Die AfD war hier schon in den vergangenen Jahren besonders stark – sogar für sächsische Verhältnisse. Bereits bei der Landtagswahl 2019 kam sie in Pirna mit etwa 33 Prozent auf den ersten Platz, während sich die Partei in Sachsen insgesamt noch mit 27,5 Prozent und Platz zwei zufrieden geben musste.

Dass der sächsische Verfassungsschutz die Landes-AfD erst vor wenigen Tagen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hat, damit hat Lochner kein Problem. Eine entsprechende Frage eines Journalisten beantwortete er am Wahlabend knapp mit "Nein". Dennoch gilt der 53-Jährige nicht als Hardliner vom Schlag des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke, den sogar das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als Rechtsextremisten einstuft. Als Nicht-Parteimitglied hat Lochner explizit angekündigt, sich von der AfD in der Kommunalpolitik nichts vorschreiben zu lassen.

Der Tischler und Restaurator hat allerdings im Zusammenhang mit Migration nach Deutschland von einem "Bevölkerungsaustausch" gesprochen und sich damit in die Nähe rechtsextremer Verschwörungstheorien gerückt. Später erklärte er, diese Aussagen "als Privatperson" getätigt zu haben. In der AfD wird über das Ergebnis in Pirna jedenfalls gejubelt: Bundeschefin Alice Weidel gratulierte auf X (früher Twitter) zu einem "historischen Ergebnis". Und der sächsische AfD-Chef Jörg Urban sprach von einer "Steilvorlage für das nächste Jahr": In Sachsen stehen im September 2024 Landtagswahlen an. (Gerald Schubert, 18.12.2023)