Bei einer Wahlkundgebung in der ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma wurde Félix Tshisekedi deutlich. Paul Kagame, sein Amtskollege im benachbarten Ruanda, benehme sich wie Adolf Hitler, wetterte der kongolesische Staatschef: "Er wird auch wie Adolf Hitler enden." Anlass der Frontalattacke waren neue Umtriebe der Rebellentruppe M23, die mutmaßlich von Ruanda aus mit Waffen und Soldaten unterstützt wird. Ihre Kämpfer rückten kurz vor den Wahlen bis 35 Kilometer vor Goma vor.

Die Idylle trügt: Die landschaftlich majestätische Region im Osten des Kongo ist Schauplatz eines der schlimmsten Kriege in Afrikas Geschichte.
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Die "Bewegung" M23 ist nur eine von unzähligen bewaffneten Gruppen im Ostkongo: Insgesamt sollen hier 120 Bürgermilizen, Rebellentruppen und Soldaten aus mehreren Nachbarstaaten aktiv sein. Die Gründe für diese beispiellose Kämpferdichte: Einerseits eignet sich das fruchtbare Land und Urwaldgebiet bestens als Rückzugsregion für Regierungsgegner oder verfolgte Minderheiten aus Burundi, Ruanda, Uganda und der Zentralafrikanischen Republik. Andererseits strotzt die Region nur so von Bodenschätzen wie Gold, Coltan, Zinnerz, Wolfram und Diamanten, mit denen sowohl die Rebellen wie auch die Nachbarstaaten ihre militärischen Umtriebe finanzieren.

Exportierter Konflikt

Ausgelöst wurde das Chaos vom ruandischen Völkermord vor dreißig Jahren, als zwei Millionen Angehörige des Hutu-Volks, darunter auch die Verantwortlichen des Genozids, in den Ostkongo flohen. Deren Überbleibsel, die Rebellentruppe Forces démocratiques de libération du Rwanda (FDLR), ist der Erzfeind von M23: Der "Bewegung" gehören vor allem bereits vor geraumer Zeit aus Ruanda in den Kongo geflohene Tutsi an. Der mörderische Konflikt zwischen ruandischen Hutu und Tutsi wurde auf diese Weise ins Nachbarland exportiert.

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Weder der undisziplinierten kongolesischen Regierungsarmee noch einer schon vor 25 Jahren in den Ostkongo entsandten Blauhelmtruppe gelang es, die Region zu befrieden. Die Bevölkerung beschwert sich seit Jahren darüber, dass sie von den zeitweise über 18.000 Soldaten der UN-Mission Monusco (Mission de l'Organisation des Nations unies pour la stabilisation en République démocratique du Congo, auf Deutsch: Mission der Vereinten Nationen für die Stabilisierung in der Demokratischen Republik Kongo) nicht entschieden genug geschützt werde. Der Monusco wurde deshalb noch eine schlagkräftigere Eingreiftruppe des Südafrikanischen Staatenbunds SADC zur Seite gestellt. Sie soll auch künftig im Ostkongo bleiben, während die Regierung in Kinshasa inzwischen den Abzug der "ineffektiven" Blauhelmtruppe verlangt hat. Die Mission wird in den kommenden Monaten abgewickelt.

Wenig Hoffnung auf die Wahl

Schließlich entsandte auch der ostafrikanische Staatenbund EAC vor einem Jahr noch eine knapp 2000-köpfige Truppe in den Kongo. Sie wurde von der Bevölkerung jedoch genauso entschieden abgelehnt wie die Blauhelmsoldaten. Auch sie habe sich mit den M23-Rebellen arrangiert, statt sie zu bekämpfen, hieß es. Anfang Dezember zogen die ostafrikanischen Soldaten unverrichteter Dinge wieder ab.

Soldaten der ostafrikanischen Stabilisierungsmission am Flughafen von Goma, der größten Stadt des Ostkongo. Sie reisten dort weitgehend unverrichteter Dinge wieder ab.
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US-Diplomaten gelang es vor wenigen Tagen, einen Waffenstillstand zwischen M23 und der kongolesischen Armee auszuhandeln. Er soll zumindest bis nach den Wahlen andauern. Was danach kommt, weiß keiner: Das sich das Ergebnis der Abstimmung positiv auf die miserablen nachbarlichen Verhältnisse zwischen Ruanda und dem Kongo auswirkt, ist nicht zu erwarten. (Johannes Dieterich, 18.12.2023)