Das Regime des autoritär regierenden serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić geht aus den Wahlen am Sonntag gestärkt hervor. Seine Fortschrittspartei SNS, die seit elf Jahren an der Macht ist, wurde sowohl bei den Parlaments- als auch bei den Lokalwahlen wieder stärkste Kraft. Nach den vorläufigen Ergebnissen bekam die SNS mehr als 46 Prozent der Stimmen und damit 129 der 250 Mandate im Parlament. Die größte Oppositionskraft, "Serbien gegen Gewalt", wurde bundesweit von 23 Prozent der Serbinnen und Serben gewählt.

Aleksandar Vučić jubelt.
Aleksandar Vučić stand selbst gar nicht zur Wahl, gewann aber trotzdem – wie geplant.
IMAGO/Predrag Milosavljevic

Bei der Gemeinderatswahl in Belgrad stimmten 38,5 Prozent für die rechtspopulistische Regierungspartei, wie Vučić selbst den Medien mitteilte. Damit wird die SNS 48 von 110 Mandaten im Gemeinderat haben. Das oppositionelle Koalitionsbündnis "Serbien gegen Gewalt" – benannt nach der Protestwelle, die auf zwei Amokläufe im Mai folgte – hatte sich einen Sieg bei den Lokalwahlen in Belgrad erhofft. Das Bündnis liegt nun jedoch mit knapp 35 Prozent fünf Mandate hinter der SNS und hat es auch viel schwerer, Koalitionspartner zu finden.

Achtungserfolg der Opposition

Der Wiener Politologe Vedran Džihić vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP) spricht von einem Achtungserfolg der Opposition. "In einer Situation, in der die Wahlen weder frei noch fair sind, sind die Chancen für eine Opposition eine relative Sache", moniert er.

Das Regime hat zudem am Sonntag dafür "gesorgt", dass die Wählerinnen und Wähler, die für den Sieg in Belgrad notwendig waren, auch nach Belgrad gebracht wurden, selbst wenn sie dort gar nicht leben. Die Opposition spricht von etwa 40.000 solcher Phantomwähler. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass diese und andere Unregelmäßigkeiten von der Wahlkommission eingehend überprüft wird oder die Wahlen gar angefochten werden.

Video: Nach der Parlamentswahl in Serbien hat Präsident Aleksandar Vučić einen klaren Sieg für seine regierende rechtspopulistische Serbische Fortschrittspartei (SNS) beansprucht.
AFP

Partner für Belgrad gesucht

Die SNS wird gemeinsam mit der prorussischen Sozialistischen Partei von Ivica Dačić wieder auf der Bundesebene, aber auch in Belgrad eine Koalition bilden. Sie benötigt dazu einen weiteren Koalitionspartner für Belgrad. Nach Vučićs Wunsch soll der bisherige Bürgermeister, der Ex-Wasserpolospieler Aleksandar Šapić, wieder Chef der Hauptstadt werden.

Vučić selbst ist zwar nicht mehr Parteichef der SNS, er und seine Getreuen kontrollieren aber die Partei. In den vergangenen Jahren konnte er in allen zentralen Institutionen loyale Anhänger verankern und so seine Macht absichern. Džihić meint, Vučićs Macht beruhe auf vier Säulen. In autoritären Regimen wie jenem in Serbien kooptiere die regierende Partei ihre Anhänger erstens durch materielle Anreize, erklärt Džihić: "Vučić' Herrschaft ist auch eine gekaufte Herrschaft". Die SNS hat über 700.000 Mitglieder, die von der Partei abhängig sind und von ihr profitieren.

Zweitens beruhe das System auf Repression, so Džihić. So werden Medien, aber auch Kritiker fortwährend unter Druck gesetzt. In Serbien gibt es schon lange keine vitale freie Presse mehr, sie wird nur in Nischen zugelassen. Demonstranten werden mitunter auch von der Polizei verprügelt, und die Opposition wird mit Schmierkampagnen eingeschüchtert.

Serbisches Narrativ

Drittens nutze das System Vučić ein dominantes Narrativ, um die Gesellschaft zu kontrollieren, so Džihić. Dazu gehöre etwa die große Erzählung von der angeblichen Ungerechtigkeit im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit des Kosovo und dem angeblichen zentralen Befreiungskampf der serbischen Nation. Tatsächlich gibt es seit Jahrzehnten viele Bürgerinnen und Bürger in Serbien, die genau diesem Narrativ folgen.

Viertens, so Džihić, nütze Vučić geschickt die geopolitischen Verwerfungen, um sich internationale Unterstützung zu sichern. Er kooperiert gleichermaßen mit Russland wie mit den USA. Weil der Westen insgesamt keine Alternative zum System Vučić in Serbien sehe, stelle er sich hinter ihn, meint der Politologe.

Er erwartet, dass das Regime nun noch autoritärer wird. "Vučić spielt auf Zeit. Er wartet darauf, dass die europäischen Kräfte in Europa noch schwächer werden und Donald Trump in den USA wieder an die Macht kommt." Der serbische Staatschef tanze den Akteuren in der EU auf der Nase herum. "Er kennt die Naivität westlicher Politiker und ist ein Meister des Täuschens" so Džihić zum STANDARD. (Adelheid Wölfl, 18.12.2023)