Die vom Papst gebilligte Erklärung "Fiducia supplicans" ("flehendes Vertrauen") des vatikanischen Dikasteriums für die Glaubenslehre (früher Glaubenskongregation) ist für vatikanische Verhältnisse eine Sensation, denn sie wirft einen alten Grundsatz über Bord, den die alte Glaubenskongregation vor noch gar nicht so langer Zeit so festgehalten hatte: Die Kirche sei nicht befugt, homosexuellen Paaren den Segen zu erteilen. Doch inzwischen hat Papst Franziskus seinen Landsmann Kardinal Víctor Fernández als Nachfolger des deutlich konservativen Kardinals Luis Ladaria zum Präfekten des Glaubensdikasteriums ernannt. Seither macht die Behörde, die aus der Inquisition hervorgegangen ist, praktisch im Monatstakt Schlagzeilen mit Öffnungen gegenüber Menschen, die in Beziehungen leben, die nicht dem von der Kirche gepredigten Bild der Ehe aus Mann und Frau entsprechen.

Video: Katholische Kirche erlaubt Segnung homosexueller Paare.
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"Geste pastoraler Nähe"

Nachdem Glaubenshüter Fernández im November bereits die Zustimmung dafür gegeben hatte, Homosexuelle und Transgender-Personen als Taufpaten einzusetzen, erlaubt er nun die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren (und unverheirateten heterosexuellen Paaren, die in einer Beziehung leben). Dabei gibt es allerdings Einschränkungen: Die "Geste der pastoralen Nähe" dürfe keine Elemente enthalten, "die auch nur im Entferntesten einem Hochzeitsritus ähneln", heißt es in dem Dokument. "Die kirchliche Lehre über die Ehe ändert sich nicht; die Segnung bedeutet keine Billigung der Verbindung." Es gehe darum, zu vermeiden, "dass etwas, was nicht der Fall ist, als Ehe anerkannt wird". Daher seien Riten und Gebete, die Verwirrung stiften könnten zwischen dem, was für die Ehe konstitutiv ist, nämlich die "ausschließliche, dauerhafte und unauflösliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau, die von Natur aus offen ist für die Zeugung von Kindern", und dem, was dem widerspricht, unzulässig.

Papst Franziskus erteilt seinen – eingeschränkten – Segen.
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Ebenfalls unzulässig bleibt bei homosexuellen Paaren die "liturgische Segnung". Die Erklärung erinnert daran, dass in streng liturgischer Sicht die Segnung voraussetze, "dass das, was gesegnet wird, dem Willen Gottes entspricht, wie dies in der Lehre der Kirche zum Ausdruck kommt". Insofern bleibe die bisherige Haltung, wonach die Kirche nicht die Befugnis hat, irregulären oder gleichgeschlechtlichen Paaren einen liturgischen Segen zu erteilen, bestehen. Einen "einfachen Segen", an den nicht "dieselben moralischen Bedingungen" geknüpft seien, sei aber durchaus möglich. Diese Art der Segnung könne "allen gespendet werden, ohne etwas zu verlangen" – um die Menschen spüren zu lassen, "dass sie trotz ihrer Fehler gesegnet bleiben".

Wörtlich heißt es, die Kirche müsse sich "im Übrigen davor hüten, ihre pastorale Praxis auf die Festigkeit vermeintlicher doktrineller oder disziplinarischer Sicherheit zu stützen". Wenn jemand einen Segen erbitte, sollte "eine umfassende moralische Analyse keine Vorbedingung für die Erteilung" sein. Auch dürfe dabei "keine vorherige moralische Vollkommenheit verlangt werden".

Keine Richter, die nur ausgrenzen

Glaubenspräfekt Fernández betont in der Einleitung, dass die Erklärung letztlich nur die Überlegungen von Papst Franziskus wiedergebe und präzisiere, die der Pontifex unlängst in seinem Antwortschreiben an fünf konservative Kardinäle gemacht habe. Diese hatten im vergangenen Sommer in der Form von neuen "Dubia" (Zweifel) den Papst unter anderem gefragt, ob die "weitverbreitete Praxis der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften" mit der kirchlichen Lehre in Übereinstimmung zu bringen sei.

In seiner vor der Weltsynode vom Oktober veröffentlichten Antwort hatte Franziskus die Gültigkeit der kirchlichen Lehre bezüglich der Ehe zwischen Mann und Frau ebenfalls bekräftigt; gleichzeitig schrieb er aber auch, dass man die "pastorale Liebe" zu den Menschen nicht vernachlässigen dürfe. Nächstenliebe bedeute auch aus Freundlichkeit, Geduld, Verständnis, Zärtlichkeit und Ermutigung. "Deshalb dürfen wir keine Richter sein, die nur verneinen, ablehnen und ausgrenzen", beschied der Papst den Konservativen. Nun liegt diese Devise schwarz auf weiß vor – in einem offiziellen Dokument der vatikanischen Glaubensbehörde.

Positive Reaktionen in Österreich

Österreichs Bischöfe begrüßen Entscheidung des Heiligen Vaters laut Kathpress. "Die heutige Bekanntgabe des Glaubensdikasteriums habe ich mit Freude aufgenommen", sagte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, Montagabend. Segnen sei ein Grundbedürfnis, "das grundsätzlich niemandem verwehrt werden darf – wie Brot", so der Erzbischof wörtlich.

Als "wichtigen Schritt für eine offene Kirche" bezeichnete Diözesanbischof Josef Marketz die Grundsatzerklärung. Auch der steirische Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl begrüßte die Erklärung des Vatikans zum Umgang mit Beziehungen außerhalb der klassischen Ehe zwischen Mann und Frau. (Dominik Straub aus Rom, APA, 18.12.2023)