Die internationale Kritik an Israel wird lauter, begleitet von der Forderung nach mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Auch wenn sich derzeit keine Änderung von Israels Strategie abzeichnet, Kritik aus den USA werde "schon sehr ernst genommen", erklärt Außenpolitikexperte Martin Weiss in der "ZiB 2". Niemand könne genau sagen, wie viele der Opfer Zivilisten seien, wie viele Kämpfer der Hamas. Aber die Zahl steige, und die Welt beginne nachzudenken, so Österreichs früherer Botschafter sowohl in Israel als auch in Washington: "Kein kleines Kind hat es sich ausgesucht, in Gaza zu leben." Man müsse aus diesem Krieg, aus den intensiven Kampfhandlungen irgendwie wieder aussteigen, das sei die Aufforderung.

Martin Weiss, ehemaliger Botschafter in Israel und den USA, zur Lage in Gaza bei Armin Wolf in der
Martin Weiss, ehemaliger Botschafter in Israel und den USA, zur Lage in Gaza bei Armin Wolf in der "ZiB 2".
Screenshot: tvthek.orf.at

Gibt es auch in Israel Kritik? Ja, so der derzeitige Leiter des Thinktanks "Salzburg Global Seminar". Die zivilen Opfer würden auch an der israelischen Bevölkerung "nicht spurlos" vorübergehen, man sehe, was passiere, Gaza sei in unmittelbarer Nähe. Aber gleichzeitig gebe es "den Wunsch nach Sicherheit und einen tief sitzenden Schock". 1.200 Israelis wurden massakriert. Weiss erinnert daran, wie tief auch der Schock in Wien bei vier Toten nach einem islamistischen Attentat saß.

Israel will die Hamas vollständig zerstören. Was soll nachher passieren?, will Armin Wolf wissen. Der Ex-Botschafter sieht hier "viele Fragen, wenige Antworten". Wie soll eine vollständige Auslöschung der Hamas gelingen? Die Hamas könne Gaza nicht mehr führen, aber was sei die Alternative, wenn es die Fatah auch nicht sein kann. Eine internationale Verwaltung sei "auch nicht wahnsinnig realistisch".

"ZiB 2": Ex-Botschafter zur Lage in Gaza
ORF

Eine Antwort gebe es vielleicht hinsichtlich des Endpunkts der militärischen Operation. "Wenn es gelingt, die Führer der Hamas auszuschalten oder gefangen zu nehmen, könnte ein Punkt sein, wo man große militärische Operationen beendet." Dann gelte es, langsam in eine neue Situation zu finden, mit einer Pufferzone, internationalen Kooperationen: "Aber genau weiß niemand, wie das aussehen soll", so Weiss.

Wenn man wie Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärtermaßen gegen eine Zweistaatenlösung ist, will man dann einen Staat, in dem in Israel ungefähr ein Gleichgewicht an jüdischen und arabischen Einwohnern herrschen würde? Weiss: "In Wahrheit bleiben da immer Fragen offen."

Bevor es nach einer Vertiefung der Zweistaatenproblematik um den Wandel von Österreichs einst propalästinensischer Außenpolitik geht, betont Weiss noch einmal: "Also viele Fragen, wenige Antworten." Einigkeit ortet Weiss zu guter Letzt insofern, "dass man sagt, zivile Oper müssen verhindert werden so gut als möglich". Die militärische Auseinandersetzung solle so bald als möglich enden, "denn am Ende des Tages werden Israelis und Palästinenser als Nachbarn leben und miteinander leben müssen. Es muss eine positive, friedliche Zukunft geben. Mit Gewalt wird man am Ende des Tages nichts lösen." (Karl Gedlicka, 19.12.2023)