Auspuff mit Abgasen eines Verbrennungsmotors
Bislang waren es vor allem die durch den Auspuff ausgestoßenen Emissionen, die im Fokus der EU-Schadstoffvorgaben standen. Nun aber rücken zunehmend Reifen und Bremsen in den Fokus.
imago/Michael Weber

Es ist ein ständiges Streitthema in der E-Auto-Debatte: die Feinstaub- und Mikroplastikbelastung durch Reifen und Bremsen. Zwar emittieren batterieelektrische betriebene Fahrzeuge im Gegensatz zu Verbrennern keine lokalen Schadstoffe, aufgrund der Batterien sind sie aber oft schwerer – und der Reifenabrieb wird dadurch potenziell mehr. In den erneuerten Vorschriften der Europäischen Union wird diesem Umstand nun Rechnung getragen, denn neben aktualisierten Grenzwerten für Abgase werden auch Brems- und Reifenabrieb ins Visier genommen. Die EU-Vorschriften sind damit antriebsunabhängig, gelten auch für E-Autos und Wasserstofffahrzeuge. Allerdings gibt es gleich mehrere Ausnahmen, die kritische Stimmen dem Einfluss der Autolobby zuschreiben.

So fällt die nunmehrige Fassung der neuen Schadstoffnorm (Euro 7), auf die sich Unterhändler von Europaparlament und Rat geeinigt haben, weit weniger streng aus, als es die Kommission ursprünglich vorgeschlagen hat. Für Autos und Vans bleiben die aktuellen Grenzwerte erhalten, Anpassungen gibt es nur bei Bussen und Lkws. Zudem ist von den vorgesehenen Anpassungen der Testbedingungen zur Schadstoffmessung nicht mehr viel übrig – und damit auch von den faktisch bis zu 30 Prozent niedrigeren Grenzwerten.

Gemischte Reaktionen in Expertenkreisen

Die neuen Grenzwerte für Brems- und Reifenabrieb seien "auf jeden Fall begrüßenswert", sagt Stefan Hausberger von der TU Graz. Schließlich fielen die durch Bremsen und Reifen entstandenen Partikelemissionen stärker ins Gewicht als jene durch Abgase aus dem Auspuff. Und dennoch: "Es wäre mehr gegangen." Letztlich seien politische Entscheidungen nicht immer sachgetrieben. Zudem müsse man bedenken, dass auch die Argumente der Industrie nicht gänzlich von der Hand zu weisen sind. Man könne den Euro schließlich nicht zweimal ausgeben, insofern sei die Kompromisslösung prinzipiell nachvollziehbar.

Damit spielt er auf jenes Argument an, das besonders aus der Automobilindustrie immer wieder zu hören ist. Um wettbewerbsfähig bleiben zu können und die Umrüstung auf E-Autos stemmen zu können, dürften die Anforderungen nicht zu streng sein. Mit der Einigung am Montag zeigen sich Vertreter der Deutschen Autoindustrie jedenfalls zufrieden. Der Spagat zwischen Gesundheitsschutz und Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit sei gelungen. Die Vorschriften seien ambitioniert, aber umsetzbar, so der einhellige Ton in der Industrie.

Dass die Einigung der EU-Unterhändler nicht ganz zufällig auf positive Reaktionen der Autoindustrie stößt, zeigen Recherchen des "Spiegel". Demnach seien etwa die "milden und nicht unbedingt realistischen Testbedingungen" zur Evaluierung der Schadstoffemissionen auf den Einfluss der Autolobby zurückzuführen. Zudem gibt es Insidern zufolge einen stillschweigenden Deal, die Grenzwerte für Verbrenner nicht weiter anzupassen. Das wird begründet mit dem Verbrenner-Aus ab 2035.

Sonderregeln für E-Autos

Was genau beinhalten die neue EU-Vorschriften also? In der derzeit gültigen Euro-6-Regelung sind Stickoxide (NOx), Kohlenmonoxid (CO), Partikel, Kohlenwasserstoffe und Methan sowie Ammoniak erfasst. Mit der Überarbeitung der EU-Vorschrift gelten mit Euro 7 künftig strengere Regeln explizit für Busse und Lastwagen, bei Autos und Kleintransportern dürften die derzeitigen Grenzwerte beibehalten werden, wie aus Mitteilungen hervorgeht.

Feinstaubpartikel werden nun statt ab einer Größe von 23 Nanometern bereits ab zehn Nanometern erfasst. Gänzlich neu ist, dass mit Euro 7 erstmals auch der Reifen- und Bremsenabrieb umfasst ist. "Abgasbezogene Feinstaubregelungen gibt es ja bereits seit Euro 3", erklärt Schadstoffexperte Stefan Hausberger. "Richtig scharf" seien die Regelungen aber erst seit 2011 und Euro 5; seitdem verfügt praktisch jeder Diesel über einen Partikelfilter. "Damit kommen beim Auspuff fast gar keine Feinstaubpartikel mehr raus."

Der Fokus auf Reifenabrieb und Bremsabrieb scheint insofern verständlich. Interessant ist dabei, dass die Regelungen für E-Autos strikter ausfallen als jene für Verbrenner und Hybridfahrzeuge. So beträgt das Limit für Elektrofahrzeuge künftig drei Milligramm pro Kilometer, für alle anderen Antriebsarten sieben Milligramm pro Kilometer. Laut Hausberger sei das technisch durchaus begründbar, schließlich bremsten E-Autos weniger mechanisch, wodurch zumindest weniger Bremsabrieb entstehe.

Zudem werden auch explizite Mindestanforderungen an die Lebensdauer von Batterien von Elektro- und Hybridautos eingeführt. Nach fünf Jahren bzw. 100.000 Kilometers soll die Batterieleistung noch 80 Prozent betragen; nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern immer noch 72 Prozent der Ausgangsleistung. Etwas milder sind die Regeln für Vans.

Neue Regeln wohl ab Mitte 2026 in Kraft

Neu ist auch ein sogenannter Umweltpass, den künftig in jedem Fahrzeug mitgeführt werden soll. Dieser soll gewissermaßen die Umweltbilanz des Fahrzeugs abbilden und umfasst folgerichtig Informationen über Kraftstoff- und Stromverbrauch sowie Lebensdauer und Reichweite der eingesetzten Batterien.

Der informellen Einigung folgen nun noch die offiziellen Abstimmungen, diese gelten aber als Formsache. 30 Monate nach offiziellem Inkrafttreten der EU-Vorschrift soll diese dann für Autos und Kleintransporter gelten; Busse und Lkws haben weitere 18 Monate Zeit. Statt – wie ursprünglich von der Kommission vorgesehen – bereits ab 2025 dürften die Vorgaben für Autos und Vans damit wohl erst ab Mitte 2026 gelten; jene für Lkws und Busse wohl mit Anfang 2028 statt im Jahr zuvor. (Nicolas Dworak, 19.12.2023)