Eine österreichische Polizistin in Uniform
Nicht Teil des Enkeltricks: eine echte Polizistin.
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Jede zehnte Strafanzeige in Österreich hat laut Kriminalitätsstatistik mit Betrug zu tun. Im nun zu Ende gehenden Jahr wurden 51.900 Betrugsfälle zur Anzeige gebracht. Die Dunkelziffer könnte laut Polizei aber rund fünfmal so hoch sein. Eine "besonders heimtückische Methode" habe gerade rund um die Weihnachtszeit besondere Hochsaison, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit dem stellvertretenden Direktor des Bundeskriminalamts, Manuel Scherscher, und Ermittlungsleiter Karl Popper vom Landeskriminalamt Niederösterreich. Nämlich: die Methode "falscher Polizist".

Wie funktioniert die? Täterinnen und Täter würden gezielt Personen mit älter klingenden Vornamen aus dem Telefonbuch heraussuchen und kontaktieren. Im Telefonat würden sie sich dann als Polizist oder Polizistin ausgeben und dem potenziellen Opfer – nennen wir es Herr Mayer – eine abenteuerliche Geschichte auftischen. Zum Beispiel: Die Polizei habe eine Einbrecherbande hochgenommen und bei dieser einen Zettel mit der Adresse von Herrn Mayer gefunden. Nun befürchte man, dass ein Einbruch in dessen Haus bevorstehe. Man werde Herrn Mayer deshalb einen Polizisten in Zivil vorbeischicken, dem er Bargeld, Schmuck und Wertgegenstände aushändigen solle, um diese sicher zu verwahren. Allerdings: Der "Polizist", der an Herrn Mayers Tür läutet, ist in Wahrheit natürlich ein Trickbetrüger.

290 Betroffene in diesem Jahr

"Ein echter Polizist würde niemals vor der Haustür stehen und Geld abholen", sagte Karner. "Wenn, dann können Sie zu 100 Prozent davon ausgehen, dass es sich um einen Betrugsfall handelt." Die Banden seien Teil der gut vernetzten internationalen Kriminalität. Scherscher habe deshalb eine Sonderermittlergruppe unter Leitung des Bundeskriminalamts zusammengestellt – mit Beteiligung aller Landeskriminalämter und in enger Zusammenarbeit mit Europol. In den vergangenen zwei Jahren habe man 99 Tatverdächtige festgenommen. Allein heuer habe es in Österreich 290 Betroffene von "vollendeten Delikten" gegeben.

Auf die potenziellen Opfer werde massiver psychischer Druck ausgeübt, sagte Scherscher. Auch deshalb handle es sich um eine besonders perfide Form des Betrugs, die ab dem Jahr 2021 massiv zugenommen habe. Die Schadenssumme habe 2021 noch sieben Millionen Euro betragen, 2022 bereits 15 Millionen und heuer gar 19,4 Millionen Euro.

Täter scannen Traueranzeigen

Mitunter würden sich Täter auch als Staatsanwälte oder Richter ausgeben. Eine zweite gängige Betrugsmasche laufe in etwa so ab: Der Täter erzähle Herrn Mayer, dass sein Sohn, seine Tochter oder sein Enkel einen Verkehrsunfall im Ausland verschuldet habe. Dabei sei eine andere Person zu Tode gekommen. Herr Mayers Angehöriger könne nur der Haft entgehen, wenn eine höhere Geldsumme hinterlegt werde. Mittlerweile würden gar gezielt Traueranzeigen gescannt, um älteren Angehörigen von Verstorbenen mit noch kreativeren Geschichten Geld und Vermögenswerte zu entlocken.

Wer den Tätern einmal Wertgegenstände ausgehändigt habe, würde diese in der Regel nie mehr wiedersehen, sagt Scherscher. Denn die professionell agierenden Täter hätten Zugang zu ausgetüftelten Geldwäschestrukturen. Beute würde nach dem begangenen Delikt normalerweise sehr schnell dort eingespeist – und sei danach für die Ermittler kaum auffindbar. Während die "Keiler" an der Front mitunter auch aus Österreich kämen, operierten die Haupttäter im Hintergrund aus dem Ausland. Die Türkei, Polen und Serbien haben die Ermittler laut Scherscher als zentrale Herkunftsländer lokalisiert.

Internationaler Schlag der Ermittler

Jüngst sei ein großer internationaler Schlag gegen einschlägige Tätergruppen gelungen – unter Leitung des LKA Berlin mit über 1.000 Einsatzkräften in mehreren Ländern, darunter auch zahlreiche Beamtinnen und Beamte aus Österreich. Hierzulande würden bei derartigen Trickbetrügereien im Schnitt rund 25.000 Euro an Vermögenswerten erbeutet, in erster Linie in Form von Bargeld, Gold und Schmuck. In einem Fall sei ein einzelnes Opfer aber auch schon um zwei Millionen Euro geschädigt worden.

In der Weihnachtszeit würde diese Art von Trickbetrug besonders stark zunehmen, ließen die Ermittler wissen. Aber warum eigentlich, wo doch gerade rund um Weihnachten viele Familien zusammenkämen und ältere Menschen seltener allein sind als sonst? Täter würden die emotionale Sondersituation in der Weihnachtszeit gezielt ausnützen, sagte Karner. "Da sind Menschen noch mehr als sonst bereit, Geld zu geben." (Martin Tschiderer, 19.12.2023)