Nächster Anlauf für die Super League?
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Luxemburg – Deftige Niederlage für die mächtigen Verbände, süßer Sieg für die Abtrünnigen: Der Gründung einer Super League steht wettbewerbsrechtlich nichts im Wege. Statt der erwarteten Vollbremsung sorgte der Europäische Gerichtshof am Donnerstag für vorerst freie Fahrt bei dem umstrittenen Milliardenprojekt, das nun keine Sanktionen fürchten müsste. Die höchste europäische Instanz stufte in ihrem Urteil die Monopolstellung der Europäischen Fußball-Union (Uefa) sowie des Weltverbands Fifa als nicht vereinbar mit europäischem Recht ein.

Konkrete Pläne

Damit wäre nach 17-monatigem Verfahren in dieser Hinsicht der Weg für den Start der Super League frei. Der EuGH stellt einen "Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung" durch Uefa und Fifa fest. "Wir haben das Recht auf Wettbewerb gewonnen. Das Uefa-Monopol ist beendet", sagte Bernd Reichart, Geschäftsführer der klagenden Sportmarketingagentur A22. "Der Fußball ist frei. Die Vereine müssen keine Sanktionen mehr fürchten und können ihre Zukunft nun selbst bestimmen."

Die Initiatoren der Super League haben ihre Pläne nach dem Urteil zugunsten des Projekts konkretisiert. Einer der Kernpunkte der neuen Wettbewerbe sei, dass die Fans alle Spiele "live und kostenlos über eine neue digitale Streaming-Plattform verfolgen" können, teilte A22 mit. Im Männerfußball geht es um ein dreistufiges Ligen-System mit 64 Vereinen. Geplant sind eine Star League als Prunkstück, eine Gold League als Mittelbau und eine Blue League an der Basis.

Finanzierung  über Werbung

Auf- und Abstieg sollen jährlich stattfinden, es soll keine festen Mitglieder geben. Bei den Frauen sollen in zwei Ligen insgesamt 32 Clubs mitspielen. Der freie Zugang vereine "Milliarden von Fans". Die Finanzierung dafür solle über Werbung sichergestellt werden. Reichart betonte, das Super-League-Modell solle "innerhalb der europäischen Fußball-Familie" existieren.

APA

Als Unterstützer gelten bisher allerdings nur Real Madrid und der FC Barcelona, am Donnerstag kam zunächst kein weiterer Club dazu. Die nationalen Ligen würden nicht angetastet werden, meinte Reichart. "Es gibt Vereine, die sehr interessiert sind", sagte er. Sofort Namen zu nennen, würde aber den Fußball teilen, das sei nicht die Absicht.

Uefa gibt sich gelassen

Die Uefa nahm die Niederlage einer ersten Reaktion zufolge gelassen zur Kenntnis. Das Urteil bedeute keine "Billigung oder Bestätigung der sogenannten Super League", teilte der Verband am Donnerstag mit. Er stehe weiterhin zur sogenannten Fußballpyramide, die auf nationalen Ligen beruht, in denen sich Vereine für internationale Wettbewerbe qualifizieren können.

"Wir werden das europäische Sportmodell weiterhin gemeinsam mit den Nationalverbänden, Ligen, Vereinen, Fans, Spielern, Trainern, EU-Institutionen, Regierungen und Partnern gestalten", teilte die Uefa mit. Sie vertraue darauf, dass das derzeitige Modell in Europa durch europäische und nationale Gesetze beschützt werde.

Widerstand der spanischen Liga

Unterdessen bekräftigte die spanische Liga ihren Widerstand gegen eine Super League. "Mehr denn je erinnern wir daran, dass die 'Super League' ein egoistisches und elitäres Projekt ist", schrieb die Liga auf der Plattform X. Jedes Format, das nicht völlig offen und jedes Jahr neu durch die nationalen Ligen geformt werde, sei ein geschlossenes System.

"Der europäische Fußball hat bereits gesprochen, besteht nicht darauf", forderte die Liga von den Befürwortern einer Super League, die das Projekt in den vergangenen Monaten vorangetrieben hatten. Die spanische Liga und die beiden Topklubs Real und Barcelona sind in vielen Fragen seit Jahren zerstritten. Real teilte auf X den Beitrag der Agentur A22, in dem ein Ende des Monopols gefeiert wird.

Sorge in Österreich

Der ÖFB und die heimische Bundesliga haben sich in einer gemeinsamen Aussendung zu Wort gemeldet. Darin meinte ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer: "Der ÖFB wird die Entscheidung genau evaluieren, steht dieser jedoch mit Besorgnis gegenüber. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund von finanziellen Interessen Einzelner der bisher gelebte Grundsatz der Solidarität völlig auf der Strecke bleibt."

Bisher habe durch die Uefa eine Umverteilung der Erträge in die Bereiche Mädchen- und Frauenfußball, Nachwuchsförderung, Inklusion und Integration stattgefunden. "Das ist nunmehr gefährdet und kann gerade in Zeiten von Teuerung und knapper Ressourcen einen großen gesellschaftlichen Rückschlag bedeuten", sagte Mitterdorfer und ergänzte: "Verbände und Clubs haben den Fußball über Jahrzehnte gemeinsam quer durch alle Leistungsstufen nach den Prinzipien des sportlichen Erfolges dorthin gebracht, wo er jetzt ist. Diese Einheit darf nicht gespalten werden, denn der Fußball ist für alle da."

Kritik von Fan-Organisationen

Auch die europäische Fan-Organisation Football Supporters Europe (FSE) stellte sich erneut klar gegen eine Super League. "Was auch immer als Nächstes kommt, die Super League bleibt ein schlecht durchdachtes Projekt, das die Zukunft des europäischen Fußballs gefährdet", schrieb die Organisation auf X. Die FSE werde sich mit allen Mitgliedern und Fans dagegen wehren. Es gebe im europäischen Fußball keinen Platz für "eine abtrünnige Super League".

So wurde 2021 in London gegen die Super League demonstriert.
AP/Matt Dunham

Das Urteil steht jedenfalls im Gegensatz zum Schlussantrag von Generalanwalt Athanasios Rantos. Dieser hatte beinhaltet, dass die Super League den eigenen Betrieb grundsätzlich starten dürfe, aber keine gleichzeitige Teilnahme an den Wettbewerben der Verbände ohne deren Zustimmung einfordern könne. Diesen zweiten Teil kippten die 15 Richter der Großen Kammer am Donnerstag und machten den Treibern Hoffnung.

Einer Genehmigung neuer Wettbewerbe durch die beiden Verbände bedürfe es nicht. Demnach sei die Androhung von Sanktionen bis hin zum Wettbewerbsausschluss vonseiten der Uefa oder der Fifa nicht rechtskonform. Dies wäre qua Urteil von den mächtigen Verbänden ein Missbrauch der Monopolstellung im Sinne des Wettbewerbsrechts.

Zweifel an Umsetzung

Karl-Heinz Rummenigge, Aufsichtsrat des FC Bayern München, glaubt als Vertreter der europäischen Klubvereinigung ECA im Uefa-Exekutivkomitee nicht an eine Umsetzung. Das positive Urteil für die Super League werde "nicht weit führen", hatte der 68-Jährige im Vorfeld gesagt. "Vor 30 Jahren hätte das System die Neuerung begrüßt, heute ist es anders. Die Engländer, Deutschen und Franzosen würden niemals mitmachen."

Ohnehin dürften nun in anderen Bereichen Rechtsfragen zu klären sein, die Uefa zu einem juristischen Gegenschlag ausholen. Das letzte Wort dürfte also noch nicht gesprochen sein. (sid, APA, 21.12.2023)

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