Ist im Gazastreifen eine "Einstellung" der Kämpfe vonnöten oder doch nur deren "Aussetzung"? Sollen Hilfslieferungen weiterhin von Israel oder künftig von der Uno inspiziert werden? Und welche dieser beiden Varianten wäre schneller umsetzbar? Seit Montag beschäftigten diese Fragen die Top-Diplomatinnen und -Diplomaten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Und doch kam es tagelang nicht zu einer Abstimmung in dem 15-köpfigen Gremium, in dem Frankreich, Großbritannien, Russland, China und die USA über ein Veto verfügen. Denn es stand aus Sicht der Antragsteller zu befürchten, dass Letzteres – also das Veto der USA – den Beschluss des Gremiums erneut aushebeln könnte.

Wie Hilfslieferungen nach Gaza künftig inspiziert werden sollen, ist einer der Knackpunkte in den Verhandlungen vor den UN.
AFP/MOHAMMED ABED

Deshalb hatten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die aktuell einen der zehn nichtständigen Sitze in dem Uno-Gremium halten, sich zuletzt stark um Washington bemüht. Eine "Aussetzung" der Kämpfe hatte es am Mittwoch laut zahlreichen Berichten schon in den Entwurfstext geschafft. Die – vor allem von den westlichen Staaten geforderte – Formulierung, mit der die "sofortige und unbedingte Freilassung aller Geiseln" verlangt wird, hatte sich von vornherein in dem Resolutionstext befunden. Und doch bot sich tagelang das gleiche Schauspiel: Die Belegschaft des Sicherheitsrats traf vor laufenden Kameras zur Sitzung ein, diese wurde unter Hochspannung eröffnet – und bald darauf wieder vertagt, um "informellen Beratungen" eine Chance zu geben.

Knackpunkt waren am Ende vor allem die Inspektionen der Hilfslieferungen, die die VAE als Herzstück der Resolution betrachten. Sie sollen nicht mehr nur Israel obliegen, sondern der Uno. Die USA wollten das nach heftigen Protesten aus Israel so aber nicht abnicken. Außenminister Antony Blinken sagte am Mittwochabend, man wolle "verhindern, dass sich Hilfen am Ende vielleicht noch weiter verzögern". Vor allem Präsident Joe Biden soll laut US-Medien heftige Skepsis geäußert haben.

Zahnloser Sicherheitsrat?

Ob Donnerstagabend noch abgestimmt werden würde, war offen – Kritikerinnen und Kritiker warfen den USA schon vorab vor, mit ihrem Hü-Hott-Verhalten die Glaubwürdigkeit der Uno und des Sicherheitsrats weiter beschädigt zu haben. Wenn sich das entscheidende Gremium der Vereinten Nationen in einer solchen Krise nicht auf gemeinsame Standpunkte zur Hilfe für Zivilisten einigen könne – was sei von der Uno dann eigentlich überhaupt noch zu erwarten? Vor allem, weil eindeutige Resolutionen der Generalversammlung, in der alle Staaten der Welt einen Sitz haben, bisher ja folgenlos geblieben sind. Anders als die Generalversammlung, deren Beschlüsse rechtlich nicht bindend sind, wären jene des Sicherheitsrats dies schon. Aber auch sie werden in der Praxis nicht immer eingehalten.

Am Donnerstag gingen die Kämpfe im Gazastreifen – im Bild Beschuss durch die israelische Armee von außerhalb des Küstenstreifens – weiter. Mehrere Initiativen für eine Feuerpause waren aber im Gespräch.
AP/Ohad Zwigenberg

Eine weitere Chance auf eine Feuerpause schien am Donnerstag ebenfalls in größerer Entfernung als in den vergangenen Tagen. Zwar liefen Verhandlungen über einen neuen "Geiseldeal" auf Hochtouren. Allerdings meldete die Hamas erneut Zweifel an. Wie schon am Dienstag teilte ein Sprecher mit, man sei nicht zu einer Einigung über einen "Gefangenenaustausch" bereit, solange die israelische "Aggression" weitergehe. Gemeint ist mit einem "Gefangenenaustausch" eine Einigung auf die Freilassung von am 7. Oktober verschleppten Menschen aus Israel, die seither als Geiseln gehalten werden, und ein Tausch gegen palästinensische Straf- und Administrativhäftlinge aus Israel.

Wenig Fracht in Eilat

In den vergangenen Tagen hatte es mehrfach Berichte über Uneinigkeit innerhalb der Hamas gegeben, wobei die politische Führung für einen Deal sei, die militärische aber dagegen. Das sei auch der Grund, wieso es trotz der negativen Aussagen demnach weiterhin Hoffnung und auch Gespräche unter Vermittlung Katars und Ägyptens gebe.

Einen ähnlichen Deal hatte es Anfang Dezember schon einmal gegeben. Mit der neuen Vereinbarung will Israel laut Berichten israelischer Medien, 30 bis 40 der noch immer über 100 Geiseln freibekommen, besonders die noch in Geiselhaft verbleibenden Frauen sowie alte und kranke Menschen. Im Angebot steht dafür offenbar eine bis zu einwöchige Feuerpause.

Weiter riskant zeigte sich die Lage auch im Norden Israels. Dort haben die bereits seit 7. Oktober bestehenden laufenden Scharmützel zwischen israelischer Armee und der proiranischen libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah zuletzt zugenommen. Am Donnerstag griffen israelische Kampfjets laut eigenen Angaben erneut Einrichtungen der Hisbollah an, darunter Raketenabschussrampen und militärische Gebäude. Zu große Ruhe gibt es indes im südisraelischen Hafen Eilat: Dort ist nach Angriffen der jemenitischen, ebenfalls vom Iran unterstützten Huthi-Miliz auf Frachtschiffe im Roten Meer das Volumen um 85 Prozent geschrumpft. (Manuel Escher, 21.12.2023)