Georg Pangl: "Eine Super League hat keine nachhaltige Existenzberechtigung."
APA/Sportsedition.at/ANGELO KREUZBERGER

Im Streit um die Gründung einer Super League hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am Donnerstag für Aufsehen gesorgt. Das höchste europäische Gericht teilte mit, dass die großen Fußballverbände Fifa und Uefa andere Bewerbe nicht von ihrer Genehmigung abhängig machen und Vereinen und Spielern nicht verbieten dürfen, an diesen Wettbewerben teilzunehmen. Aber was passiert jetzt? Brancheninsider Georg Pangl schätzt im Gespräch mit dem STANDARD die Lage ein.

STANDARD: Uefa-Präsident Aleksander Čeferin weiß nicht, ob er von Plänen der Super League "geschockt oder amüsiert" sein soll. Was halten Sie von den Ideen?

Pangl: Ich bin weder geschockt noch amüsiert. Man wusste, dass vor Weihnachten eine Entscheidung fällt. Und das Urteil war so zu erwarten. Aber man darf jetzt nicht in das panische Geschrei einstimmen, dass die Super League kommt. Das ist nämlich sehr unwahrscheinlich.

STANDARD: Warum?

Pangl: Weil alles zu vage ist. Mich erinnert die Situation an den ersten Anlauf 2021. Das war damals alles sehr plump vorgetragen, das Thema schnell erledigt. Jetzt hat man eben ein Urteil vom EuGH. Die Handhabung der Vergabe von zusätzlichen Bewerben durch die Uefa stand dem Wettbewerbsrecht entgegen und wurde inzwischen behoben. Viel mehr steckt derzeit nicht dahinter.

STANDARD: Alle europäischen Verbände und Ligen stehen hinter der Uefa. Wie kommt das?

Pangl: 55 Nationalverbände freuen sich über die finanziellen Zuwendungen und den guten Job, den die Uefa macht. Die Klubs freuen sich, dass es ab 2024 fünf Milliarden in der Champions League zu verteilen gibt. Die Premier League lehnt das Konzept Super League ab, die Deutsche Fußballliga und die European Club Association ebenso. Am Ende bleiben nur noch ein paar Vereine übrig, die ganz dringend schnelles Geld benötigen. Das wird nicht reichen.

STANDARD: Wäre das Geld die einzige Erklärung für die Gründung der Super League?

Pangl: Eine Super League hat keine nachhaltige Existenzberechtigung. Es kann nicht das Ziel des Fußballs sein, so wie im Boxen verschiedene Verbände und Titelträger zu haben. In der erwähnten Sportmarketingagentur A22 sitzen sicher gute Leute. Aber die Idee, Spiele kostenlos über eine neue digitale Streamingplattform anzubieten, klingt abenteuerlich. Wie soll sich das alles ausgehen?

STANDARD: Will man mit dem freien Zugang vielleicht die Fans auf die Seite der Super League bringen?

Pangl: Das könnte natürlich der Hintergrund sein. Ich bin ein Fußballromantiker und finde es schade, dass man die Champions League fast nur noch im Pay-TV zu sehen bekommt. Aber auch das wird als Köder nicht reichen. Die Football Supporters Europe haben sich klar gegen die Super League ausgesprochen. Die werden ihre Meinung nicht ändern.

STANDARD: Die Ligen wollen keine Super League, die Fans wollen sie nicht, und die meisten Klubs sind auch dagegen. Was soll das Ganze eigentlich? In welchem Szenario soll dieses Projekt funktionieren?

Pangl: Gute Frage, die muss man aber den Machern stellen. Ich kann Ihnen da keine ausreichende Antwort geben. Die Uefa hat seit Einführung der Champions League dazugelernt, im Grunde macht man einen großartigen Job. Die großen Klubs wissen, wie man das meiste Geld herausholt. Und die kleinen Klubs profitieren von Solidaritätszahlungen. Für meinen Geschmack fallen die zwar noch immer zu gering aus, aber im Großen und Ganzen läuft das Geschäft.

STANDARD: 2021 wollten noch zwölf europäische Klubs in die Super League, jetzt sind nur noch Real Madrid und der FC Barcelona dahinter. Was ist passiert?

Pangl: Die anderen sind reumütig an den gut gefüllten Futtertrog zurückgekehrt. Der immense Widerstand in der Fußballwelt war für viele eine bittere Erfahrung. Das will man sich nicht noch einmal antun. Wenn ein gut geführter Klub wie Bayern München sagt, wir brauchen keine Super League, dann hat das schon Gewicht. Nur weil ein paar Vereine nicht wirtschaften können, wird man nicht alles auf den Kopf stellen. 2025 kommt mit der reformierten Klub-WM der Fifa ohnehin eine weitere Verdienstmöglichkeit dazu.

STANDARD: Wie sollte eine neue Liga mit 64 Vereinen überhaupt noch in den Terminkalender passen? Ein Verein wie Sturm Graz wird unter der Woche nicht zwei europäische Bewerbe bestreiten können.

Pangl: Das kann sich in der Tat nicht ausgehen. Zumal wir immer wieder von den ohnehin schon großen Belastungen für die Profis reden. Ja, man könnte einem Verein mehr Geld bieten, wenn er statt in der Conference League in der Blue League spielt. Aber dann wird es wirklich ein eigenartiges Szenario. Der eine Verein spielt da, der andere dort. Man würde die europäischen Bewerbe gefährden. Dieses Chaos will sich keiner vorstellen.

STANDARD: Hat die ganze Angelegenheit auch für die Uefa einen Lerneffekt?

Pangl: Bestimmt. Man muss aufpassen, die Wettbewerbsregeln im europäischen Markt achten und mit der Monopolstellung verantwortungsvoll im Sinne des Fußballs agieren. Die Uefa muss wachsam bleiben, nachbessern, sich mit den kleineren Vereinen noch solidarischer zeigen. Dann wird sich die Super League innerhalb dieser Strukturen nicht positionieren können. So viel Geld kann den großen Klubs gar nicht geboten werden.

STANDARD: Ist es also eine gute Zeit für Fußballromantiker?

Pangl: Nein. Dazu ist der Fußball längst schon zu komplex geworden, es ist mittlerweile zu viel Geld im Spiel. Die alten Zeiten kommen nicht wieder. (Philip Bauer, 22.12.2023)