Das ehemalige Landespflegeheim in Kindberg hat seit 2023 neue Bewohner. Dort eröffnete ein Asylquartier.
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Die Aufregung war groß, als vergangenes Jahr bekannt wurde, dass in Kindberg, einem kleinen obersteirischen Städtchen, ein Asylquartier eröffnet werden sollte. Gemeinsam stellten sich die im Gemeinderat vertretenen Parteien gegen die Unterkunft. Vor Zuständen wie im so oft überfüllten Flüchtlingsheim in Traiskirchen in Niederösterreich wurde gewarnt und mobil gemacht. Gegen das geplante Asylheim in der Stadtgemeinde mit 8700 Einwohnerinnen und Einwohnern unterschrieben 2171 Personen. Sogar aus Wien gab es Unterstützung der Projektgegner: FPÖ-Bundeschef Herbert Kickl reiste zu einer Demonstration gegen die Einrichtung an.

All das brachte zwar Aufmerksamkeit. Die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) eröffnete die Einrichtung im ehemaligen Landespflegeheim mit Platz für rund 250 Geflüchtete trotzdem gegen den Willen der Kindberger Stadtgemeinde. Das Gebäude wird von einem Grazer Immobilienbüro an die BBU vermietet. Davor ist es seit 2018 leergestanden.

Die ersten geflüchteten Menschen zogen schließlich im Februar 2023 ein. Obwohl nach und nach mehr Menschen kamen – die Kapazitätsgrenze wurde nicht überschritten. Derzeit leben laut dem roten Bürgermeister Christian Sander rund 220 Personen in dem Gebäude. Und trotzdem: Die Einrichtung bleibt in der Stadtpolitik unerwünscht. Im November wurde bekannt, dass die Gemeinde auch juristisch gegen den Eigentümer des Asylwerberheims vorgeht. So wurde der Immobilienfirma die bewilligungswidrige Nutzung des Gebäudes als Betreuungseinrichtung vorgeworfen.

Gemeinde will Räumung

Die Gemeinde untersagte per Bescheid den Betrieb und verlangte, dass das Heim geräumt wird. Nun ist die Causa vor Gericht. Begonnen habe der Rechtsstreit aber, bevor die ersten Asylwerber eingezogen sind, sagt Sander zum STANDARD. Nur habe man sehr lange warten müssen, bis man überhaupt das Gebäude betreten durfte "und Schritte setzen konnte". Bei einem Lokalaugenschein habe die Stadtgemeinde schließlich diverse Mängel festgestellt und ein Gutachten formuliert. Um welche Mängel es sich handelt, will Sander wegen des laufenden Rechtsstreits nicht sagen.

"Derzeit sind viele Kinder und Familien da", erzählt Sander. Aber auch ältere und pflegebedürftige Menschen leben in dem Asylquartier: "Alles vulnerable Personen." Dass sich Asylsuchende im Ort befinden, merkt man kaum.

Die Befürchtung, dass in Kindberg viele all-ein geflohene, junge Männer einziehen würden, hat sich also nicht bestätigt. Trotzdem ist sie weiterhin da. Denn: Die Zusage, dass maximal 250 Personen in dem Asylheim untergebracht werden sollen, habe die Stadtgemeinde von Innenminister, Landeshauptmann und BBU-Geschäftsführer erhalten, argumentiert Sander. "Nächstes Jahr werden der Nationalrat und der steiermärkische Landtag gewählt – da können sich die verantwortlichen Personen schnell ändern", sagt er.

Momentan besteht für eine Aufstockung der Belagszahlen aber keine Notwendigkeit. "Wir haben genug Platz in den Erstaufnahmezentren", sagt Thomas Fussenegger, Sprecher der Bundesbetreuungsagentur BBU. Im vergangenen Herbst hatte das Innenministerium Flüchtlingszelte aufgestellt, weil die Erstaufnahmezentren überfüllt waren. Heuer ist davon keine Rede.

2022 hatte es in Österreich mit 112.722 Asylanträgen so viele Schutzansuchen gegeben wie seit der Ungarnkrise 1956 nicht. Zwar reisten viele Ankommende nach dem Antrag weiter – doch das Quartiersystem geriet an seine Grenzen. Heuer ist von insgesamt rund 50.000 Anträgen auszugehen, wobei die Zahlen Ende Oktober extrem zurückgegangen sind.

Viel weniger Anträge seit Oktober

Konkret hatten in der Kalenderwoche 40 – von 2. bis 8. Oktober – noch 2779 Personen in Österreich um Schutz angesucht. Einen Monat später waren in einer Woche nur noch 543 Ansuchen. Im Innenministerium erklärt man dies laut einem dem Standard vorliegenden Protokoll mit verstärkten Kontrollen an der serbischen Außengrenze im Vorfeld der Parlamentswahlen am 17. Dezember. Ob sich das danach wieder ändert, sei unklar.

In der entspannteren Unterbringungssituation habe die BBU heuer mehrere als Quartiere genutzten Hallen sowie ein Containerdorf in Oberösterreich schließen können, schildert Fussenegger. Als Reserve für Zeiten mit wieder mehr Asylanträgen seien sie jedoch jederzeit aktivierbar.

"Wir haben dieses Jahr genützt, um uns in Sachen Quartiere für Flüchtlinge zu konsolidieren", sagt der BBU-Sprecher: eine Einschätzung, der Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination nicht zustimmt. Nach wie vor gebe es nicht genug Plätze in den Bundesländern, in die Asylsuchende aus der Erstaufnahme übersiedeln sollen, sobald ihr Antrag bearbeitet wird, sagt er: "Wenn sich daran nichts ändert, stolpern wir über kurz oder lang ohne Not in eine neuerliche Unterbringungskrise." (Irene Brickner, Oona Kroisleitner, 18.12.2023)