Der Vorstandschef von Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment, Gerald Grohmann, auf einem Sofa sitzend.
Nach 22 Jahren an der Spitze von Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment (SBO) geht Gerald Grohmann Ende Dezember in Pension.
Regine Hendrich

Er ist heuer 70 geworden, wie ein gewisser Franz Klammer, Abfahrtsolympiasieger von 1976 in Innsbruck, auch. "Ein guter Jahrgang", sagt Gerald Grohmann, Vorstandsvorsitzender von Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment (SBO) und leidenschaftlicher Skifahrer. SBO mit Sitz in Ternitz (NÖ) stellt Edelstahlrohre und Bohrgerät für die internationale Öl- und Gasindustrie her. Das Unternehmen zählt auf diesem Gebiet zu den besten der Welt. Nach 22 Jahren an der Spitze von SBO geht Grohmann Ende Dezember in Pension. Ihm folgt die Doppelspitze Klaus Mader und Campbell MacPherson nach.

STANDARD: Wie groß ist die Last, die von den Schultern fällt, wenn Sie in wenigen Tagen offiziell abtreten?

Grohmann: Belastet habe ich mich nie gefühlt. Ich habe den Job immer mit Leidenschaft und Energie gemacht.

STANDARD: Wie ist es, wenn man Verantwortung für 1500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in einer Branche trägt, wo es steil bergauf, dann aber auch wieder rasch bergab geht?

Grohmann: Das ist natürlich eine große Verantwortung. Letztlich sind Anpassungen im Unternehmen aber notwendig, wenn es wirtschaftlich einmal nicht so gut läuft. Wir brauchen viele Jahre, um die Leute auszubilden, damit sie das können, was wir brauchen. Da geht man auch nicht leichtfertig mit diesen Menschen um.

STANDARD: Alle tun sich zunehmend schwer, gut ausgebildetes Personal zu finden.

Grohmann: Absolut. In unserer österreichischen Tochtergesellschaft haben wir zum Glück ein gut funktionierendes Lehrlingssystem. Ein Großteil der jungen Leute, die wir ausbilden, bleibt dann auch bei uns.

STANDARD: Was war ihre beste unternehmerische Entscheidung?

Gerald Grohmann, Vorstandschef von Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment, vor einer Wand mit Fotos, auf einem Sofa sitzend.
Die Entscheidung, 2005 an die Börse zu gehen, war eine gute: Gerald Grohmann, Vorstandschef von Schoeller- Bleckmann Oilfield Equipment.
Regine Hendrich

Grohmann: In 22 Jahren gibt es viele Entscheidungen, die man zu treffen hat. Wichtig für das Unternehmen war 2005 die Entscheidung, eine Kapitalerhöhung zu machen und frisches Geld von der Börse zu holen. Damit konnten wir das Wachstum, das ich kommen gesehen habe, gut finanzieren. 2009 war dann die Lehmann-Krise, die haben wir rasch durchtaucht. Anschließend sind wir auf Akquisitionstour gegangen.

STANDARD: Was hätten Sie im Rückblick lieber anders gemacht?

Grohmann: Natürlich trifft man auch Fehlentscheidungen, Wichtig ist, dass es in der Summe passt. Bei der einen oder anderen Akquisition hat sich nachträglich gezeigt, dass sie nicht optimal war. Wenn es nicht so funktioniert wie gedacht muss man versuchen, etwas zu verändern oder den Mut haben, sich davon zu verabschieden. Das haben wir beispielsweise bei einer Akquisition in England gemacht.

STANDARD: Also nicht zwanghaft festhalten, um irgendetwas zu rechtfertigen?

Grohmann: Nein. Letztlich ist es so, dass die Entscheidungen im Sinne des Unternehmens getroffen werden müssen und nicht, um das eigene Ego in den Vordergrund zu stellen.

STANDARD: Wie viel Öl und Gas sollen wir noch aus dem Boden holen?

Grohmann: In Zeiten des Klimawandels stehen fossile Brennstoffe in der Kritik, weil sie einen wesentlichen Beitrag zu den CO2-Emissionen leisten. Gleichzeitig ist zu sehen, dass Gas nur ein Drittel bis zur Hälfte der CO2-Emissionen hat, wie Kohle sie hat, ein Großteil des CO2-Ausstoßes aber immer noch von der Kohle kommt. Es wäre durchaus sinnvoll, Kohle- durch Gaskraftwerke zu ersetzen. Mit erneuerbaren Energien allein kann die Energiesicherheit wohl noch für längere Zeit nicht gewährleistet werden. Die Weltbevölkerung wächst, und jeder hat das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard. Deswegen sind Öl und Gas noch lange Zeit notwendig.

STANDARD: "Selbstverbrennung" lautet einer der Buchtitel des renommierten Klimafolgenforschers Hans Joachim Schellnhuber. Wir fahren mit zunehmender Geschwindigkeit gegen die Wand, lautet sein Befund.

Grohmann: Solche Katastrophenszenarien gibt es viele. Es hat schon damit begonnen, dass 1972 der Club of Rome das Ende des Wachstums vorhergesagt hat mit der Feststellung, dass es im Jahr 2000 neben vielen anderen Ressourcen auch kein Erdöl mehr geben werde. Das waren anerkannte Wissenschafter, die nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben.

STANDARD: Nur weil das nicht so eingetroffen ist wie vorhergesagt, ist auch das Gerede von der Erderwärmung Quatsch?

Der Vorstadschef von Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment vor eine in intensiven Blautönen gemalten Bild von Erni Marihart.
Gerald Grohmann, Chef von Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment, vor einem Kunstwerk von Erni Marihart.
Regine Hendrich

Grohmann: Ich will damit nur sagen, dass man in Projektionsrechnungen nicht alles berücksichtigen kann. Deshalb glaube ich, dass uns Katastrophenmeldungen nicht weiterführen. Hier ist nüchterner Pragmatismus notwendig. Wir müssen natürlich das Klima unseres Globus bestmöglich schützen. Auf der anderen Seite ist es aber einfach unrealistisch, wenn Klimaschützer sagen, ein sofortiger Ausstieg aus Öl und Gas ist notwendig. Wenn man das täte, würde die Energieversorgung der Industrie nicht sichergestellt sein, damit wären Millionen arbeitslos, und die Menschen müssten im Winter frieren.

STANDARD: Erneuerbare Energien zeigen doch ein rasantes Wachstum?

Grohmann: Man kann nicht das eine abschaffen, ohne dass das andere in ausreichender Menge verfügbar ist. Strom aus Photovoltaik und Wind ist wunderbar, aber die Speicherfähigkeit fehlt noch. Die Realität ist, wir können leider auf Öl und Gas noch nicht verzichten. 2045 werden aller Voraussicht nach 1,6 Milliarden Menschen mehr auf der Welt sein, 20 Prozent mehr als jetzt. Das muss man ins Kalkül ziehen, denn auch sie haben ein Recht auf Mobilität und einen angemessenen Lebensstandard, wofür Energiesicherheit notwendig ist. Natürlich wird es in Zukunft neue Energieträger wie zum Beispiel grünen Wasserstoff geben, und dazu wollen wir als SBO auch einen Beitrag leisten.

STANDARD: Sie sind Ferrari-Fan, sammeln Oldtimer, stehen E-Autos aber skeptisch gegenüber. Warum?

Grohmann: Elektroautos haben eine Berechtigung, zum Beispiel im innerstädtischen Bereich. Dort fährt man kurze Strecken, und es ist wichtig im Sinne der Luftqualität, dass unmittelbar durch den Verkehr keine schädlichen Abgase entstehen. Elektroautos haben aber den Auspuff ganz woanders. Das sind zum Beispiel die Kohleschlote in China. Warum? Weil die Batterien extrem energieintensiv großteils in China mit Kohlestrom hergestellt werden.

STANDARD: E-Autos haben bereits einen großen CO2-Rucksack aufgeladen, bevor sie einen Meter fahren?

Grohmann: So ist es. Nehmen wir Deutschland, die größte Industrienation Europas, als Beispiel. In der Nacht, wenn die meisten E-Autos aufgeladen werden, nimmt man Strom aus dem Netz, der bei wenig Wind mit 500 bis 700 Gramm pro Kilowattstunde (KWh) CO2 belastet ist. Ich frage mich, was das Gute daran sein soll. Die EU hat festgelegt, dass Greenwashing bestraft werden soll. Folgerichtig müsste sie sich als Erstes selbst bestrafen, denn was hier mit der E-Mobilität gemacht wird, ist nichts anderes als Greenwashing. Bei der Berechnung des Flottenverbrauchs der Automobilkonzerne hat die EU festgelegt, dass die Elektroautos mit null Emissionen in die Berechnung eingehen, was nachweislich falsch ist.

STANDARD: Die Autoindustrie ist aber schon auch mitschuldig daran, dass der Diesel so in Verruf geraten ist.

Der Vorstandschef von Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment, Gerald Grohmann, im Interview.
Macht sich Sorgen um die europäische Autoindustrie: Oldtimer-Fan Gerald Grohmann, Chef von Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment.
Regine Hendrich

Grohmann: Da sind zweifelsohne Dinge passiert, die nicht hätten passieren dürfen. Dass einige Industrieführer schwere Fehler gemacht haben, rechtfertigt noch lange nicht, dies durch andere schwere Fehler zu kompensieren und einen erfolgreichen europäischen Industriezweig samt Zulieferern in Schwierigkeiten zu bringen – ohne erkennbaren Nutzen für die Umwelt.

STANDARD: Trauen Sie den Konstrukteuren von Elektroautos keine Innovationssprünge mehr zu?

Grohmann: Natürlich geht die Forschung weiter, es zeichnet sich aber noch kein Durchbruch ab.

STANDARD: SBO ist in einer Branche tätig, die hauptsächlich von amerikanischen Unternehmen geprägt ist. Wie unterscheidet sich der "American way of doing business" vom europäischen?

Grohmann: Die Amerikaner sind wesentlich pragmatischer, wobei ich nicht über unseren österreichischen Standort klagen möchte. In Ternitz haben wir diesen Pragmatismus auch als Unternehmenskultur etabliert. Grundsätzlich ist es aber so, dass man jenseits des Atlantiks mit der Umsetzung wesentlich schneller ist als in Europa.

STANDARD: Sie haben sich in Ternitz der angelsächsischen Unternehmenskultur verschrieben oder zumindest angenähert?

Der Vorstandschef von Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment, Gerald Grohmann, neben einem Bild von Erni Marihart stehend.
"Die Amerikaner sind wesentlich pragmatischer": Gerald Grohmann, Chef von Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment.
Regine Hendrich

Grohmann: Jein. Die Unternehmenskultur in Amerika ist auch als Hire and Fire bekannt. Das tun wir nicht und das wird auch sehr geschätzt von unseren Mitarbeitern.

STANDARD: Gehen Sie mit Freude oder Wehmut?

Grohmann: Es war eine lange Zeit bei SBO, und wenn man zurückblickt, ist ein bisschen Wehmut immer dabei. Gleichzeitig gehe ich auch mit Freude, weil wir im Team viel geschafft haben und ich schon neugierig auf den nächsten Lebensabschnitt bin.

(INTERVIEW: Günther Strobl, 27.12.2023)