Ein Sedan von BYD auf der Auto Shanghai 2023 im April 2023.
Ein Sedan von BYD auf der Auto Shanghai 2023 im April 2023.
AP/Ng Han Guan

Einst spottete Elon Musk über den chinesischen Konkurrenten BYD. "Haben Sie deren Autos gesehen?", fragte der Tesla-CEO 2011 in einem Interview mit Bloomberg TV und lachte dabei hämisch. Die Zeiten haben sich geändert. Als ein User den besagten Clip auf X, vormals Twitter, im Mai 2023 teilte, reagierte Musk: "Das war vor vielen Jahren, heutzutage sind sie hochgradig kompetitiv", schrieb der Multimilliardär.

Tatsächlich, so prognostizieren Experten in einem Artikel der Nachrichtenagentur Bloomberg, könnte BYD den Marktführer Tesla bald in der Rolle des beliebtesten Elektroautoherstellers ablösen. Schon im aktuellen Quartal könnte BYD mehr E-Autos verkaufen als der US-Konkurrent, wiewohl Tesla in puncto Umsatz, Gewinn und Marktkapitalisierung weiterhin die Nase vorn hat. Doch auch hier erwarten Experten bei Vermögensverwalter Bernstein, dass die Lücke kleiner wird: Demnach werde Tesla im kommenden Jahr einen Umsatz von 114 Milliarden Dollar erzielen, BYD soll dem Platzhirsch mit 112 Milliarden Dollar dicht auf den Fersen sein.

Wang Chuanfu, die Antithese zu Elon Musk

Diese Entwicklung wirft Licht auf das Unternehmen per se, auf den chinesischen Automarkt und auf BYD-Gründer Wang Chuanfu, der sich in vielerlei Hinsicht von Musk, dem oft lautstark agierenden Multimilliardär, unterscheidet. Als zweitjüngstes von acht Kindern wuchs Wang Chuanfu in einem ärmlichen Dorf in der ostchinesischen Anhui-Provinz auf. Als er ein Teenager war, verstarben seine Eltern, seine älteren Geschwister unterstützten ihn fortan in seiner Schul- und Hochschulausbildung.

Wang Chuanfu auf der IAA in München.
Wang Chuanfu auf der IAA in München.
AFP/TOBIAS SCHWARZ

In seinem frühen Arbeitsleben forschte er für die chinesische Regierung an seltenen Erden, die für die Herstellung von Batterien – und somit auch für Elektroautos – relevant sind. Im Jahr 1995 borgte er sich von einem Freund knapp 300.000 Dollar aus, um BYD zu gründen. Heute kommt er laut Bloomberg Billionaires Index auf ein Vermögen von 14,8 Milliarden Dollar. BYD beschäftigt über 631.000 Menschen und kommt Ende 2023 auf eine Marktkapitalisierung von 612,05 Milliarden Hongkong-Dollar (rund 71 Milliarden Euro).

Anders als Musk meidet Wang Chuanfu soziale Medien und das Scheinwerferlicht. Nur in seltenen Fällen findet er harsche Worte – etwa als die Europäische Union ankündigte, chinesische Förderungen der dortigen E-Auto-Branche zu untersuchen. Wenige Wochen zuvor hatte der BYD-Chef betont, dass es an der Zeit sei, "alte Legenden zu zerstören".

China und der globale Markt

Tatsächlich könnten hohe Importzölle in der EU es BYD erschweren, hierzulande eine ähnliche Wachstumsstory zu verzeichnen wie auf dem Heimmarkt. Denn in China hat BYD ein halbes Dutzend an Elektroautomodellen im Angebot, die günstiger sind als Teslas Model 3. Während Musk also betonen muss, dass höhere Kreditzinsen den Absatz der eigenen Modelle dämpfen könnten, setzt der chinesische Hersteller auf das Pferd der leistbaren E-Mobilität. Und eben auf staatliche Förderung sowie auf technische Innovation und Marktorientierung.

So hatte sich BYD ursprünglich auf die Herstellung von Akkus konzentriert und in dieser Rolle in den frühen 2000er-Jahren damalige Smartphone-Branchengrößen wie Nokia und Motorola beliefert. Das zog auch Warren Buffetts Aufmerksamkeit auf sich, im Jahr 2008 zahlte seine Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway 230 Millionen Dollar für zehn Prozent Anteil an dem Unternehmen. Ein paar Jahre zuvor, 2003, hatte BYD mit dem Kauf eines gescheiterten staatlichen Elektroautoherstellers den Grundstein für den neuen Geschäftszweig der E-Mobilität gelegt.

Zu ebendieser Zeit hatte die chinesische Regierung begonnen, den Kauf und später auch die Produktion von E-Autos und Hybridmodellen zu fördern. Rund 15 Jahre später hatte BYD seine Autos vor allem preislich fit für den Massenmarkt gemacht, hinkte in puncto Design der Konkurrenz jedoch noch hinterher. Somit wurde 2016 ein gewisser Wolfgang Egger als Designchef angeheuert, welcher zuvor an Marken wie Audi und Alfa Romeo gearbeitet hatte. Auch andere internationale Führungskräfte, die zuvor für Ferrari und Mercedes-Benz gearbeitet hatten, sind nun für BYD aktiv. Entsprechend wurde das Portfolio optisch, technisch und preislich nach oben erweitert: Der SUV namens Yangwang U8 kostet 1,09 Millionen Yuan (152.600 Dollar).

Yangwang U8
Der BYD Yangwang U8 setzt für das Unternehmen neue Maßstäbe.
IMAGO/SOPA Images

Künftig, so Experten in dem Artikel der Nachrichtenagentur, könnte das Unternehmen seine Kostenstruktur weiterhin nutzen, um gegen Ende des Quartals ein Drittel des globalen Automarkts für sich zu beanspruchen. Gleichzeitig müsse man aber auch auf technische Innovation setzen und auf Marktgegebenheiten reagieren.

Das weiß auch Wang Chuanfu, der in den vergangenen zwei Jahren rund 60 Länder bereist hat, um Automessen zu besuchen und sich mit Managern und Staatsoberhäuptern zu treffen. Ob BYD irgendwann den weltweit größten Autohersteller, Toyota, überholen wolle? Auf diese Frage in einem Bloomberg-Interview im März 2023 antwortete der Unternehmer vorsichtig optimistisch: BYD sei in der Gegenwart der Gewinner – doch ob das auch in Zukunft so sei, könne er nicht sagen. Man werde sich jedoch weiter auf die eigenen Vorteile konzentrieren und "gute Produkte herstellen". (stm, 27.12.2023)