Mehrere Personen feiern rund um den Jahreswechsel
Cheers! Zu Silvester feiern kann jeder. Das Bauernsilvester am 30. Dezember ist hingegen relativ neu – auch wenn Veranstalter gerne auf viel Tradition verweisen. Die zünftige Party kommt jedenfalls ohne Böllerei aus.
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Die Weihnachtsfeierlichkeiten sind vorbei, bis zur Neujahrsparty ist es aber noch ein paar Tage hin. Was liegt also näher, die veranstaltungslose Zeit mit einem Zwischendrin-Event zu beleben? Seit einigen Jahren hat sich diesbezüglich vor allem in der Steiermark das Bauernsilvester am 30. Dezember etabliert. Die zünftige Feierei einen Tag vor Silvester kommt noch dazu ganz ohne Böllerei und Mitternachtsstress aus. Und weil sie bestens funktioniert, haben sich den Brauch mittlerweile auch findige Gastronomen und Touristiker im Burgenland, Kärnten oder auch in Wien geschnappt. Das Lokal Hawidere im 15. Wiener Bezirk hat etwa folgenden Slogan gewählt: "Am 31. 12. feiern die Amateure – wir schon am 30." Hochburg des Bauernsilvesters ist freilich Graz: Hier wird unter anderem am Mariahilferplatz und in zahlreichen Lokalitäten groß gefeiert.

Das Bauernsilvester gibt sich dabei bewusst bodenständig: Die Dichte an Lederhosen und Dirndln ist höher als bei Neujahrsfeiern. Statt Kaviarersatz und Lachsbrötchen gibt’s eher eine Speckjause. Glaubhafte überregionale Überlieferungen, dass auf Bauernhöfen in der Vergangenheit speziell am 30. Dezember Silvester gefeiert wurde, gibt es hingegen keine: "Ich finde in alten Büchern fast nichts darüber", sagt Anthropologin Michaela Steinböck-Köhler dem STANDARD. Die wissenschaftliche Leiterin im Österreichischen Freilichtmuseum Stübing kann aber auf einige Bräuche, Legenden und Sagen verweisen.

"Am plausibelsten", wie die Volkskundlerin meint, ist demnach die Erzählung, wonach früher am 31. Dezember auf steirischen Bauernhöfen ein Dienstbotenwechsel stattfand. Die Knechte und Mägde erhielten den Lohn am 30. Dezember – und feierten ihren Abschied vom Hof. "Eine Legende besagt zudem, dass die Landwirte einen Tag vor Silvester feierten, um in der Silvesternacht die Tiere belauschen zu können", sagte Steinböck-Köhler. Immerhin soll das Vieh nur in der Silvesternacht sprechen können.

Ein G'schichtl

Ein richtiges G'schichtl sei zudem die überlieferte Erzählung von einem Bauern aus dem oststeirischen Ort Strallegg. Dieser soll auf dem Rückweg aus Graz in einen Schneesturm geraten sein. Ein kleines Waldmännchen nahm sich des Bauern an, verlangte im Gegenzug aber, dass dieser Silvester mit ihm verbringt. Der Bauer schaffte es, das Männlein davon zu überzeugen, dass schon am 30. Dezember Silvester war. Er konnte danach rechtzeitig den Jahreswechsel zu Hause mit der Familie feiern.

Laut Steinböck-Köhler galt früher die sogenannte Thomasnacht am 21. Dezember als Orakelnacht: Diese dürfte dem heutigen Silvester mit Bleigießen und Co am nächsten kommen. Um in die Zukunft zu blicken, gab es damals die sogenannten Lösselbräuche wie das Hüteheben: In der längsten Nacht des Jahres wurden auf dem Tisch Symbole unter Hüten versteckt und dann aufgedeckt. Puppen standen für Kinder, ein Kamm für lausige Zeiten, eine Schere deutete auf den Tod hin – und ein Wanderbinkerl auf einen neuen Arbeitsplatz.

Die Entwicklung des heutigen Bauernsilvesters habe "vor allem wirtschaftliche Hintergründe", meint Steinböck-Köhler. "Es kommt immer mehr auf." Am ehesten sei der Erfolg mit der Verbreitung von Halloween zu vergleichen – wenngleich in viel kleinerer Dimension. Immerhin gab es vor der Kommerzialisierung um Halloween, das aus den USA nach Österreich schwappte, auch hierzulande schon Bräuche wie das Kürbisschnitzen. "Bräuche sind ständig Veränderungen unterworfen", sagt Steinböck-Köhler. "Oft fallen Elemente weg, andere kommen erst dazu."

Bald neue Tradition

Hält der moderne Brauch zum Bauernsilvester an, könnte er schon bald zur neuen Tradition werden. Die jüngste und wohl realistischste Erzählung zur möglichen Entstehung handelt von einem Veranstalter in Mürzzuschlag, der die Silvesterfeier Anfang des Jahrtausends um einen Tag auf den 30. Dezember vorverlegt hat – weil die Musikgruppe günstiger als zu Silvester war. (David Krutzler, 28.12.2023)