Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler in ihrem Büro
Rechnet mit einzelnen Insolvenzen, aber nicht mit einer Insolvenzwelle im Tourismus: die für die Branche zuständige Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler.
Regine Hendrich

Die Tourismusbranche habe gelernt, mit Krisen umzugehen, sagt Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP). Sie hoffe, dass Banken den Betrieben bei Bedarf Rückzahlungen stunden, eine Insolvenzwelle erwarte sie nicht. Zur Linderung des herrschenden Arbeitskräftemangels fordert die Staatssekretärin im STANDARD-Interview "eine völlig neue Lösung für das Thema saisonaler Beschäftigung – flexibler, praxisnäher". Mittelfristig werde Österreich nicht um mehr Drittstaatsangehörige herumkommen.

STANDARD: In Frankreich hat unlängst wieder ein Skigebiet nahe dem Mont Blanc geschlossen mit der Begründung: zu wenig Schnee. Ein Einzelphänomen oder müssen wir uns vermehrt auf Schließungen von Skigebieten im Alpenbogen einstellen?

Kraus-Winkler: Durch den Klimawandel wird es Veränderungen geben. In Österreich haben wir den Vorteil, in einem Bereich der Alpen zu sein mit allein in Tirol 320 Gletschern und einem sehr gut ausgebauten Ski- und Beschneiungsangebot, das weltweit zu den besten gehört. Wir gehen nicht davon aus, dass bei uns reihenweise Skigebiete schließen müssen.

STANDARD: Die Buchungslage über Weihnachten und Neujahr war gut bis sehr gut, ein neuer Nächtigungsrekord scheint in Griffweite diesen Winter. Ist Corona damit endgültig verdaut?

Kraus-Winkler: Corona per se schon. Wir haben gelernt, damit umzugehen wie mit einer Verkühlung oder leichten Grippe. Nicht verdaut ist, dass wir multiple Krisen haben, die unterschiedlichste Herausforderungen sofort nach Corona gebracht haben.

STANDARD: Andererseits sind nur wenige Branchen so krisenerfahren wie der Tourismus. Kaum ein Jahr, ohne dass nicht Vogelgrippe, Vulkanausbruch oder ein Krieg für Unsicherheit gesorgt hätten.

Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler in ihrem Büro
Man habe gelernt, mit Krisen umzugehen: Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler.
Regine Hendrich

Kraus-Winkler: Der Tourismus ist resilient, man hat gelernt, mit Krisen umzugehen. Und das Schöne ist, dass es nach einem Krisenereignis immer eine schnelle Erholung gibt. Möglicherweise auch deshalb, weil Reisen so stark in unserer DNA ist, dass wir nicht darauf verzichten wollen.

STANDARD: Corona hat den Betrieben aber auch Umsatz gekostet?

Kraus-Winkler: Das ist jedenfalls noch nicht verdaut. Wir sind noch immer damit beschäftigt zu schauen, ob das Vor-Corona-Niveau erreicht ist. Ohne Corona wären wir tatsächlich bei ganz anderen, weit besseren Zahlen.

STANDARD: Die Insolvenzzahlen sind in Österreich zuletzt steil nach oben gegangen, im Tourismus aber kaum. Warum?

Kraus-Winkler: Man muss unterscheiden zwischen Gastronomie und Hotellerie. In der Gastronomie gibt es traditionell mehr Insolvenzen. Oft handelt es sich um Pachtbetriebe, die Cashflow-Probleme bekommen und schließen müssen. Meist sperrt kurz darauf ein neuer Pächter wieder auf.

STANDARD: Und in der Hotellerie?

Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler in ihrem Büro
Covid-Hilfen seien für Gastronomie und Hotellerie wichtig gewesen, sagt Susanne Kraus-Winkler, Staatssekretärin für Tourismus.
Regine Hendrich

Kraus-Winkler: Da haben wir es überwiegend mit eigentümergeführten Betrieben zu tun, wo die Immobilie in der Bilanz steht. Trotz niedrigen Eigenkapitals ist die Konstellation dort eine andere. Durch die verschiedenen Covid-Überbrückungshilfen, die es gegeben hat, wurden vielen Betrieben durch die Krise geholfen. Anschließend ist das Geschäft rasch wieder angesprungen.

STANDARD: Hat das viele Geld, das während Corona geflossen ist, dazu geführt, dass Betriebe, die unter normalen Umständen hätten zusperren müssen, mitgeschleppt wurden?

Kraus-Winkler: Das ist eine Theorie, die sich hartnäckig hält. Wenn so ein Betrieb jetzt aber weiter am Markt besteht, kann er auch vorher nicht so schlecht gewesen sein, behaupte ich.

STANDARD: Sie rechnen nicht damit, dass noch eine Welle an Insolvenzen aus dem Bereich Hotellerie kommt?

Kraus-Winkler: Eine Welle würde ich ausschließen. Wenn es zu Insolvenzen kommt, dann dort, wo Betriebe einen variablen Zins haben und wegen der hohen Zinssätze ein Cashflow-Problem bekommen. Wenn die Zinsen im kommenden Jahr wie von einigen erwartet um 50 Basispunkte sinken, wäre das ein Signal für die Banken zu sagen, okay, setzen wir die Tilgungen zwei Jahre lang aus, um den betroffenen Betrieben Luft zu verschaffen. Das große Problem für die Betriebe sind aber die Personalkosten, die teilweise schon 40 Prozent und mehr betragen.

STANDARD: Auch die Energiekosten sind weiterhin hoch, wenn auch nicht mehr so hoch wie vor einem Jahr. Der Energiekostenzuschuss II sollte das abfedern. Wie viele Betriebe haben sich bis jetzt darum beworben?

Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler
Auch die Betriebe müssten dazulernen und früher nach Personal zu suchen beginnen, möglicherweise auch anders, sagt Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler.
Regine Hendrich

Kraus-Winkler: Insgesamt 24.000. Das ist die aktuellste Zahl für alle Branchen, darunter natürlich auch Hotellerie- und Gastronomiebetriebe.

STANDARD: Anspruchsberechtigt sind Betriebe, die ein um mindestens 40 Prozent niedrigeres Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen gemessen am Jahr 2021 nachweisen können.

Kraus-Winkler: Ein schlechtes Referenzjahr, weil es da besonders viele Lockdown-Tage gab.

STANDARD: Wollte man den Kreis der Empfänger bewusst eng halten?

Kraus-Winkler: Das war nicht intendiert. Wir sind aber nicht allein in der Regierung, man muss Konzessionen machen, um voranzukommen.

STANDARD: Es ist zwar schon spät im Jahr, aber manche Betriebe suchen noch immer Personal – und finden keines. Was läuft da falsch?

Kraus-Winkler: Alle, die in der Wintersaison arbeiten wollen, haben sich schon für einen Betrieb entschieden, für den in ihren Augen interessantesten. Die weniger gefragten Betriebe haben ein Problem. Die Unternehmen müssen dazulernen, früher zu suchen beginnen, möglicherweise auch anders zu suchen.

STANDARD: Da und dort kommt es bereits zu Leistungseinschränkungen, weil Mitarbeiter fehlen. Für ein Tourismusland wie Österreich nicht gerade ein Renommee?

Kraus-Winkler: Wir werden mittelfristig nicht um Drittstaatsangehörige herumkommen, zumal nicht nur in Österreich, sondern in der gesamten EU nach Arbeitskräften gesucht wird.

STANDARD: Das heißt in erster Linie Westbalkan?

Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler
Hat viele Wünsche für 2024, heuer ist ja auch ein Schaltjahr: die Staatssekretärin für Tourismus, Susanne Kraus-Winkler.
Regine Hendrich

Kraus-Winkler: Derzeit kommen die meisten im Tourismus tätigen Drittstaatsangehörigen aus Bosnien und Herzegowina sowie aus Serbien. Länder wie die Philippinen vermitteln Facharbeiter international, sie bilden spezifisch auch Tourismusmitarbeiter für die ganze Welt aus. Da sind wir dran.

STANDARD: Wenn sie könnten, wie sie wollten …

Kraus-Winkler: … würde ich versuchen, eine völlig neue Lösung für das Thema saisonaler Beschäftigung zu finden, flexibler, praxisnaher.

STANDARD: Was hindert Sie?

Kraus-Winkler: Es reden beim Thema Arbeitsmarkt sehr viele mit. Wie so oft in Österreich hat man Sorge, dass eine schlechtere Lösung als die bestehende herauskommt, wodurch große Reformen letztlich verunmöglicht werden. Das ist schade. Durch fehlende Arbeitskräfte im Tourismus geht schließlich auch Wohlstand verloren. Wenn weniger Umsatz gemacht wird, sinken auch die Steuereinnahmen – ein Teufelskreis.

STANDARD: Wenn sie einen Wunsch frei hätten für 2024, welcher wäre das?

Kraus-Winkler: Dass sich die wirtschaftliche Situation stabilisiert, Inflation und damit auch die Zinsen schneller zurückgehen, dass die Nachfrage stark bleibt und dass wir moderne Lösungen für den Arbeitsmarkt aus Drittstaaten finden, die schnell und effizient funktionieren.

STANDARD: Das war ein Bündel an Wünschen.

Kraus-Winkler: 2024 ist ja auch ein Schaltjahr. (Günther Strobl, 3.1.2024)