Neun Tage nach den Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo liegen noch immer keine verlässlichen Ergebnisse der Abstimmung vor – und was vorliegt, wird von den fast zwanzig oppositionellen Kandidaten als Resultat massiver Manipulationen zurückgewiesen.

Fünf der bedeutendsten oppositionellen Präsidentenanwärter fordern eine Wiederholung des Urnengangs: Straßenproteste, zu denen sie für Mittwoch aufgerufen hatten, wurden von der Polizei sofort gestoppt. Beobachter befürchten, dass der ohnehin labile zweitgrößte Staat Afrikas nach der Bekanntgabe der umstrittenen Ergebnisse noch zusätzlich destabilisiert werden könnte.

Ungewöhnlich klare Verhältnisse

Nach der Auszählung von gut sechs Millionen Stimmen sieht die kongolesische Wahlkommission Ceni nämlich den amtierenden Präsidenten Félix Tshisekedi mit einem riesigen Vorsprung in Führung: Er soll bisher gut 77 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt haben. An zweiter Stelle liegt danach mit 16 Prozent der ehemalige Gouverneur der Katanga-Provinz, Moïse Katumbi, gefolgt von Martin Fayulu, der nach Erhebungen der katholischen Kirche im Kongo die vergangenen Wahlen vor fünf Jahren klar gewonnen hatte. Damals erkannte die umstrittene Wahlkommission den Sieg allerdings Tshisekedi zu. Dieses Mal soll der einstige Exxon-Mobil-Direktor Fayulu bisher nur auf vier Prozent gekommen sein. Noch weiter abgeschlagen liegt der Gynäkologe und Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege, dem Ceni weniger als ein Prozent zuschreibt.

Der Thron ist leer, auch wenn Unterstützer von Kongos Präsident Félix Tshisekedi diesen auch weiterhin dort sitzen wollen sehen.
AP/Samy Ntumba Shambuyi

In einem offenen Brief werfen die Kandidaten der von Tshisekedi handverlesenen Wahlkommission "massiven Betrug" vor. Wahlurnen seien mit gefälschten Stimmzetteln vollgestopft und Wahllokale am Tag der Abstimmung absichtlich nicht geöffnet worden. In Regionen, in denen es kaum Anhänger des amtierenden Präsidenten gebe, habe ihm Ceni eine Mehrheit der Stimmen attestiert. Schon am Tag der Abstimmung war es zu dermaßen vielen Unregelmäßigkeiten gekommen, dass die Abstimmung offiziell um einen Tag verlängert werden musste. In manchen Regionen, melden Wahlbeobachter, seien noch fünf Tage nach dem offiziellen Ende des Urnengangs Stimmen abgegeben worden. Zum Teil waren in den Wahllokalen keine Stimmzettel eingetroffen, in zahlreichen Fällen funktionierten die elektronischen Maschinen nicht. Selbst Fridolin Ambongo, Erzbischof der im Kongo hochangesehenen katholischen Kirche in der Hauptstadt Kinshasa, sprach in seiner Weihnachtspredigt von einer "gigantischen Schlamperei". Ceni sei für die Veranstaltung der Wahlen nicht ausreichend vorbereitet gewesen, habe sie aber unter allen Umständen trotzdem abhalten wollen. "Nun haben wir dafür die Rechnung bekommen."

Tränengas und Schlagstöcke

Für Mittwoch hatten mehrere Oppositionsparteien ihre Anhänger zu Protesten in Kinshasa aufgerufen. Diese wurden von der Regierung allerdings verboten, weil sie "den Wahlprozess untergraben" würden, so Innenminister Peter Kazadi. Trotzdem fanden sich vor Kandidat Fayulus Hauptquartier einige Hundert Demonstranten ein und wollten von dort zum Sitz der Wahlkommission marschieren. Daran wurden sie von der Polizei allerdings gehindert. Die Ordnungskräfte setzten nach einigen Angaben Tränengas, Schlagstöcke und Blendgranaten ein: Nach Fayulus Darstellung gaben sie auch Schüsse mit scharfer Munition ab. Ein Geschoss sei sogar in seinem Büro gelandet.

Félix Tshisekedi wird am Ende wohl Präsident des Kongo bleiben – auch wenn seine Wahl, wie schon jene vor vier Jahren, wenig glaubwürdig ist.
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Im Kongo selbst werden die Proteste eher als Armutszeugnis der Opposition gewertet, weil diese nur wenige Hundert Menschen auf die Beine stellen konnte. Dennoch sprach Ex-Gouverneur Katumbi auf X (vormals Twitter) von einem "Wendepunkt" in der kongolesischen Politik und kündigte weitere Proteste an. Dass die Demonstrationen nach der für den 31. Dezember angekündigten Bekanntgabe der vorläufigen Endergebnisse umfangreicher werden, ist allerdings kaum zu erwarten: Die kongolesischen Wähler scheinen sich an manipulierte Abstimmungen längst gewöhnt zu haben. Wie viele der 44 Millionen registrierten Wähler und Wählerinnen tatsächlich ihre Stimmen abgaben, hat die Wahlkommission bislang ebenfalls noch nicht bekanntgegeben. Allein im Osten des Landes waren 1,7 Millionen potenzielle Wähler wegen den dort verbreiteten Unruhen von einer Stimmabgabe ausgeschlossen. (Johannes Dieterich, 28.12.2023)