Trümmer und Feuerwehrleute zwischen Wohngebäuden.
Bei den russischen Luftangriffen vom Freitag wurden auch zahlreiche Wohngebäude getroffen, wie hier in der Hafenstadt Odessa.
REUTERS / Sergey Smolentsev

Die Hauptstadt Kiew, die Schwarzmeer-Metrople Odessa im Süden, Charkiw im Nordosten, Lwiw ganz im Westen: Das sind nur einige der ukrainischen Städte, in denen am Freitag Menschen durch russische Luftangriffe ihr Leben verloren haben. Insgesamt gab es bei den Attacken laut offiziellen Angaben aus Kiew mindestens 26 Todesopfer, mehr als 130 wurden verletzt. Das ukrainische Militär sprach von der größte Welle an Luftangriffen seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022.

Dabei kamen demnach strategische Bomber sowie über 150 Raketen und Kampfdrohnen zum Einsatz. Der Großangriff erfolgte in mehreren Wellen aus verschiedenen Richtungen. Ziele seien Einrichtungen der zivilen und militärischen Infrastruktur sowie der Industrie gewesen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beklagte vor allem die massiven Schäden im zivilen Bereich: Getroffen worden seien unter anderem Bildungseinrichtungen, eine Entbindungsstation, ein Einkaufszentrum und viele private Wohnhäuser. Das russische Verteidigungsministerium hingegen sprach von einem "Schlag mit Hochpräzisionswaffen und Drohnen", der gegen Rüstungsbetriebe, Militärflughäfen und Waffendepots geführt worden sei.

Die Zahl der Toten könnte laut Informationen von Freitagnachmittag noch steigen: So wurden etwa in Kiew noch mehrere Menschen unter den Trümmern eines Lagerhauses vermutet. In den Regionen Kiew, Odessa, Charkiw und Dnipropetrowsk kam es zu Stromausfällen. Bereits zuvor hatte Russland immer wieder die Energieinfrastruktur der Ukraine ins Visier genommen. Selenskyj sprach von einem terroristischen Akt und kündigte an, dass die Ukraine darauf antworten werde.

Stockende Hilfe

Andrij Jermak, der Stabschef des ukrainischen Präsidialamtes, bat die westlichen Verbündeten der Ukraine erneut um weitere Militärhilfen. "Die Welt muss einsehen, dass wir mehr Unterstützung und Kraft brauchen, um diesen Terror zu stoppen", schrieb Jermak auf Telegram. Zuletzt war die Hilfe für die Ukraine allerdings ins Stocken geraten: Die USA hatten am Mittwoch ihre vorerst letzte Militärhilfe im Umfang von 250 Millionen Dollar (gut 226 Millionen Euro) freigegeben. Eine Einigung auf weitere Unterstützung für Kiew war zuletzt aber am Widerstand der oppositionellen Republikaner im US-Kongress gescheitert. Auch in der EU gibt es ähnlichen Widerstand: Hier verweigerte zuletzt Ungarn seine Zustimmung für ein neues Ukraine-Hilfsprogramm über 50 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre.

Auch der ukrainische Botschafter in Österreich, Wassyl Chymynez, warb am Freitag einmal mehr für weitere Hilfe: Der Terror Russlands sei nicht nur gegen die Ukraine gerichtet, sondern gegen das Völkerrecht und die globale Friedensordnung. "Deswegen kann es nur eine einzige richtige Antwort der freien und demokratischen Welt geben – eine langfristige und starke militärische und finanzielle Hilfe für die Ukraine", so Chymynez.

Zudem appellierte Chymynez auch an Vertreter der österreichischen Wirtschaft, sich aus Russland zurückzuziehen: Der "russische Aggressor" nütze die Steuerzahlungen ausländischer Unternehmen dafür, um Angriffe wie jenen am Freitagvormittag zu finanzieren. Während der "russische Diktator und seine Schergen" in Moskau fröhlich Feiertage feierten, würden Kinder, Frauen und viele Zivilisten in der Ukraine Opfer eines "anachronistischen Terrorkriegs".

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in seinem Element: Er droht und lässt dementieren.
AFP/POOL/ALEXANDER KAZAKOV

Etwa zur selben Zeit drohte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow mit dem Einzug von Vermögen aus Europa und den USA, sollten die G7-Staaten wegen des Ukrainekriegs knapp 270 Milliarden Euro an eingefrorenen Reserven der russischen Zentralbank beschlagnahmen. Zuvor hatte es Berichte über entsprechende Überlegungen der sieben führenden Industrienationen gegeben.

Flugobjekt über Polen

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg äußerte auf X (früher Twitter) seine Bestürzung über die "beispiellose Zahl an Raketen und Drohnen", die Zerstörung über zivile Infrastruktur und ziviles Leben gebracht hätten: "Russland muss diese grausamen Angriffe jetzt stoppen!"

Für Aufregung sorgte die Angriffswelle vom Freitag auch im Nato-Mitgliedsstaat Polen: Ein zunächst nicht identifiziertes Flugobjekt hatte Armeeangaben zufolge den polnischen Luftraum durchflogen und in Richtung Ukraine wieder verlassen. Alles deute darauf hin, dass es sich dabei um eine russische Rakete gehandelt habe, sagte der polnische Generalstabschef Wiesław Kukuła später vor Journalisten. Erinnerungen an den November 2022 wurden wach: Damals war in einem polnischen Dorf nahe der Grenze zur Ukraine eine Rakete eingeschlagen, zwei Zivilisten kamen ums Leben. Der Westen geht davon aus, dass bei dem Vorfall eine ukrainische Flugabwehrrakete niedergegangen war, die zur Verteidigung gegen russische Angriffe eingesetzt wurde. (schub, 29.12.2023)