Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Steyregg löschen einen Müllcontainer mit einer Schlauchleitung.
Am 27. Dezember brannte ein Müllcontainer bei einer Asylwerberunterkunft in Steyregg. Darüber, was im Zuge des Feuerwehreinsatzes passierte, gehen die Darstellungen auseinander.
FF Steyregg

Mittagszeit im Steyregg, in einem Lokal sind fast alle Tische belegt. An den Wänden hängen Bilder von fernen Inseln, die Karte bietet Wiener Schnitzel vom Schwein, Shrimps Saganaki und Pizza. Mehrere Gäste wirken merklich gereizt, es fallen Formulierungen wie "alle abschieben" und dass man sich nicht wundern müsse, "wenn das Haus brennt".

Es geht um das örtliche Asylwerberheim, das die Stadtgemeinde wenige Kilometer donauabwärts von Linz in die Schlagzeilen bringt. Vor einigen Tagen brannte vor dem Gebäude ein Müllcontainer, die Feuerwehr rückte an. Die Schilderungen, was während des Löschvorgangs passierte, klaffen etwas auseinander. Die Feuerwehr sprach davon, dass sie bei der Löscharbeit von Dutzenden der jungen Migranten gestört wurde, die Rede war von Gegröle, Getanze und bedrohlichem Gehabe gegenüber Feuerwehrfrauen. Die Polizei, die etwas später vor Ort erschien, vermerkte keine Behinderung, allerdings seien Bewohner des Asylheims zwischen den Einsatzfahrzeugen herumgelaufen. Zu Schaden kam keine Person, darin ist man sich einig.

Einige der Jugendlichen sind inzwischen in andere Einrichtungen verlegt worden, es habe ernste Ansprachen gegeben, der Bürgermeister setzte einen "Sicherheitsgipfel" für den 11. Jänner an. Doch all die Maßnahmen scheinen die Stimmung in Steyregg nur nicht wirklich gehoben zu haben. Fast jede Bewohnerin und jeder Bewohner, die man dieser Tage vor Ort spricht, scheint eine abgeschlossene Meinung zu der Causa zu haben. Die Offiziellen sind um die Jahreswende schwer erreichbar. Bei der örtlichen Polizei erklärt man, "leider nichts sagen" zu dürfen. Der Bürgermeister reagiert auf eine Anfrage des STANDARD bis Redaktionsschluss nicht.

Bewohner wollen lieber anonym bleiben

Aber manche Bewohner Steyreggs reden, auch wenn namentlich lieber niemand aufscheinen möchte. Ein älterer Gast im Stadtwirt spricht von absichtlich ausgelösten Fehlalarmen. Und davon, dass die Asylbewerber die Feuerwehrfrauen mit Christbaumkugeln bewarfen, als es dann wirklich brannte. Auch das Wort "Hure" sei gefallen, behauptet der Senior, der selbst Mitglied bei der Feuerwehr sein will. "So viel Deutsch können sie dann doch."

Doch es gibt auch gegenteilige Ansichten im Ort. Ein anderer Mann winkt ab, er lacht bitter und sagt, da sei eine Bagatelle aufgebauscht worden. "Das sind Burschen, die 14, 15, 16 Jahre alt sind", sagt er und fragt: "Was für Dummheiten haben Sie in dem Alter gemacht?" Bei so vielen Jugendlichen, wie in dem mit 120 Personen überbelegten Heim einquartiert seien, gäbe es immer einen Prozentsatz "schwarzer Schafe". Und dann erzählt er noch von einem Stützpunkt der "Identitären". Die Rechtsextremen hätten sich vor einigen Jahren im Ort über einen Strohmann "eingenistet" und seien daran interessiert, Zwietracht zu stiften und Hass zu schüren.

Stützpunkt der Identitären in Steyregg, an dem ein Transparent mit der Aufschrift
Seit einigen Jahren sind auch die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "Identitären" in der kleinen Gemeinde aktiv.
Oliver Das Gupta

Das Haus im alten Teil Steyreggs liegt prominent zwischen dem Stadtsaal und einer Filiale der Raiffeisenbank, vor dem Gebäude ist ein Zebrastreifen in Regenbogenfarben auf den Asphalt gemalt. Auf der Straße schräg gegenüber steht eine Passantin, die auf das rechtsextreme Quartier zeigt. Die Aktivisten haben ein Transparent über die Fassade gehängt: "Es reicht", prangt darauf, und "Asyl-Inferno löschen." Mit Abscheu in der Stimme sagt die Einwohnerin: "Das ist eine Schande für unser Steyregg."

Der aktuelle Vorfall mit der Feuerwehr scheint sie weniger aufzuwühlen, als die generellen Zustände in der Asylunterkunft. "Es sind einfach zu viele für unseren Ort", sagt sie, "hier leben weniger als 5.000 Bürger". Von schlechten Erfahrungen mit den Migranten weiß sie nichts, die meisten jungen Männer würden freundlich lächeln. Aber man müsse Verständnis haben, wenn bei manchen in Steyregg die "Nerven blank" lägen. Straffällige Migranten würde auch sie sofort abschieben wollen. Ihr und ihrem Mann sei schon unwohl gewesen, wenn die inzwischen fortgezogene Tochter alleine auf dem Dammweg unterwegs war. Aber der Unmut der Einwohnerin fokussiert sich weniger auf die Flüchtlinge, als gegen die Bundesregierung. "Die schickt diese Menschen hier, wir können nichts tun", klagt sie.

Ärger über den Bundeskanzler

Wut auf "die in Wien" zeigt sich auch bei anderen. Der Senior, der eben noch im "Stadtwirt" saß, steht nun auf dem Gehsteig vor dem Lokal und hadert mit der Politik der ÖVP, "meiner Partei", wie er sagt. Wieso würden nur junge Männer nach Steyregg verfrachtet, fragt er, warum keine Familien? Und dann ärgert er sich darüber, wie die Volkspartei von Kanzler Karl Nehammer den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán hofiert. "Der Orbán winkt uns doch die ganzen Flüchtlinge durch zu uns nach Österreich". Ungarns Regierungschef bringe in Europa "alle gegeneinander auf", schimpft der Konservative. "Ich verstehe nicht, warum man den nicht stoppt."

Auch er sagt, dass in Steyregg bislang eigentlich nichts weiter vorgefallen sei, was die Migranten betrifft. Parteiübergreifend halte man eigentlich zusammen in Steyregg, versichert er, die Rechtsextremen im Ort hätten "keine Chance". Allerdings sei das Klima schlechter geworden seit Sommer. Und das läge aus seiner Sicht vor allem an den wiederholten falschen Feueralarmen in der Asylunterkunft. Dann erzählt der Senior noch, wie es früher war. Als man noch nicht die Haustüre abschließen musste, weil jeder jeden kannte und ein Einbruch undenkbar war.

Damals, als im pittoresken Ortskern in Hangnähe unterhalb des Schlosses das Leben pulsierte, als es hier eine Bäckerei gab und all die anderen Geschäfte, von denen nun nur noch leere Schaufenster zeugen. Zum Einkaufen muss man jetzt in den Ortsteil jenseits der Bahnlinie, dort gibt es Supermärkte und Tankstellen, einen Backshop, Bürogebäude und die Auffahrt zur Straße, die Linz mit Mauthausen verbindet.

Das graue zweistöckige Cohotel in Steyregg, in dem junge Asylwerber untergebracht sind.
Die Unterkunft für junge Asylwerber im Gewerbegebiet der oberösterreichischen Gemeinde.
Oliver Das Gupta

Dort, im wenig ansehnlichen Teil Steyreggs, befindet sich auch das ehemalige CoHotel. Das Gebäude ähnelt einem klotzigen Riegel, von der Fassade hängen vergilbte grün-graue Stoffbahnen herab. Brandspuren sind keine zu sehen. Einige Burschen schauen aus dem Fenster, vor dem Gebäude spielen zwei Jugendliche Federball. Die Teenager kommen aus Afghanistan, sagen sie. Schon eilt ein Betreuer herbei, seine neongelbe Warnweste leuchtet, der Unmut ist ihm anzusehen – schon wieder taucht ein Reporter auf wegen der Brandgeschichte. "Sie müssen bis zur Straße zurückgehen", sagt er bestimmt. "Ohne Genehmigung kann ich nicht mit Ihnen reden." Zu erzählen hätte der Mann sicherlich einiges. Im Weggehen schüttelt er den Kopf und murmelt vor sich hin, die Wortfetzen "aus einer Mücke ein Elefant" sind deutlich zu verstehen. (Oliver Das Gupta, 1.1.2024)