Brennendes Flugzeug.
Wie durch ein Wunder wurde im Airbus A350 der Japan Airlines niemand getötet.
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Ein riesiger Feuerball war zu sehen, kurz nachdem die Maschine mit der Flugnummer 516 am Tokioter Flughafen Haneda aufgesetzt war. Bald war klar: Der Explosion war – direkt auf der Landebahn – ein Zusammenstoß mit einem Flugzeug der japanischen Küstenwache vorausgegangen, einer Bombardier DHC8-300, allgemein als Dash 8 bekannt. In letzterer Maschine kamen fünf Personen ums Leben, der Pilot überlebte schwer verletzt.

Im Airbus der Japan Airlines hingegen überlebten alle 367 Passagiere und die zwölf Crewmitglieder. Während Feuerwehrleute draußen bereits versuchten, das gewaltige Feuer zu löschen, verließen die Passagiere über eine Notrutsche das Flugzeug. Unter ihnen waren auch acht kleine Kinder. 17 Flugzeuginsassen erlitten Verletzungen, lebensbedrohlich verwundet wurde jedoch niemand.

Dass alle Insassen gerettet werden konnten, ist laut Einschätzung des Luftfahrtexperten Kurt Hofmann insbesondere der Geistesgegenwart der Besatzung zu verdanken. Es gelte zwar, die weiteren Untersuchungen zum Unfallhergang abzuwarten, eines könne man aber jetzt schon sagen: "Die Crew hat auf jeden Fall eine tolle Leistung erbracht", so Hofmann im Gespräch mit dem STANDARD. "In dieser Situation, wo alle unter Schock stehen, darf man nicht in Panik verfallen. Man braucht wirklich gute Nerven, um alle in Sicherheit zu bringen."

Strenge Sicherheitsvorkehrungen

Zur Unglücksursache könne man vorerst lediglich spekulieren, meint Hofmann: "Die Sicherheitsvorkehrungen in der Luftfahrt sind in Japan aber sehr streng. Bei dem Unfall heute hat also irgendjemand geschlampt." Der Airbus sei vermutlich auf seiner korrekten Bahn unterwegs gewesen. Laut Hofmann war er erst zwei Jahre alt und hatte nach derzeitigem Wissensstand keinerlei technische Probleme. "Es muss also irgendwo ein Kommunikationsproblem gegeben haben, vielleicht auch zwischen dem Flughafen und der Küstenwache." Auf jeden Fall gelte es zu klären, warum die Dash 8 überhaupt auf der Landebahn war.

Ein Pilot im Landeanflug könne eigentlich auch in letzter Sekunde noch durchstarten, wenn er am Boden etwas sieht, was dort nicht sein soll, erklärt Hofmann. Zum Zeitpunkt der Kollision war es bereits dunkel. Wenn ein anderes Flugzeug vielleicht erst unmittelbar vorher auf die Bahn rollt, sei das ein zusätzlicher Risikofaktor.

Die Wucht der Explosion und die Tatsache, dass auch der Airbus völlig ausbrannte, überraschen Hofmann jedoch nicht: "Die Dash 8 hat, wie viele andere Flugzeuge, Treibstoff in den Flügeln. Wenn man diese mit voller Wucht rammt und es zu so einer Explosion kommt, dann können auch tolle Materialien wie die, die beim Airbus 350 eingesetzt werden, in Brand geraten."

Der Zwischenfall werde in der weiteren Entwicklung der zivilen Luftfahrt eine wichtige Rolle spielen, ist Hofmann überzeugt – vor allem, was das Training der Crews anbelangt. "Was hier geleistet wurde, wird als Beispiel dienen: So muss man evakuieren." Der Fall zeige aber auch, wie wichtig es ist, den Sicherheitsanweisungen der Crew zu folgen und sich die Mühe zu machen, sich am Beginn des Flugs die Informationen über die Notfallmaßnahmen anzusehen.

Video: Linienflugzeug geht nach Kollision in Flammen auf.
AFP

Unterwegs ins Erdbebengebiet

Das Flugzeug der japanischen Küstenwache sollte eigentlich Hilfsgüter zu Überlebenden der Erdbebenkatastrophe auf der Halbinsel Noto bringen. Die Bilder vom Flughafen unterbrachen im japanischen Fernsehen die Live-Berichterstattung über die Zerstörungen durch das Beben an der Westküste. Dort suchten Rettungskräfte auch Dienstag weiter nach Überlebenden.

Japans Regierungschef Fumio Kishida hatte zuvor von "weiträumigen Zerstörungen" gesprochen. Die Suche nach Überlebenden sei nun ein "Wettlauf gegen die Zeit". Die Zahl der Todesopfer war nach Angaben eines Sprechers der besonders betroffenen Präfektur Ishikawa inzwischen auf mindestens 48 gestiegen. (Gerald Schubert, 2.1.2024)