Kongos Präsident Felix Tshisekedi winkt.
Kongos Präsident Félix Tshisekedi (Zweiter von rechts) grüßt sein Volk, das ihn wiedergewählt hat.
AFP/ARSENE MPIANA

Jakob Kerstan, örtlicher Büroleiter der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung im Kongo, gehörte dort zu den wenigen europäischen Wahlbeobachtern und hat die chaotischen Zustände bei den Wahlen am 20. Dezember aus der Nähe beobachtet. "Die Wahlkommission war de facto nicht bereit", sagt Kerstan. Viele Wahllokale seien stundenlang oder gar nicht geöffnet worden, andere hätten erst nach sieben Tagen geschlossen. Viele Wähler fanden ihre Namen nicht auf den Listen. Und in Privatwohnungen wurden Wahlmaschinen entdeckt, erzählt der 29-Jährige.

Die Geschichte umstrittener Wahlen in dem geopolitisch zunehmend relevanten Land ist lang – und wird in diesen Tagen also um ein weiteres Kapitel verlängert. Am Sonntag hat die Wahlkommission Amtsinhaber Félix Tshisekedi mit über 73 Prozent der Stimmen zum klaren Sieger erklärt. Die Opposition erkennt das wenig überraschend nicht an. Neun unterlegene Kandidaten forderten gemeinsam eine Wiederholung, es habe sich um "Scheinwahlen" gehandelt. Derartige Töne sind zuletzt zum Refrain in Afrika bei der Bewerbung um Staatsämter geworden, sie begleiteten schon die Urnengänge in Simbabwe, Nigeria, Sierra Leone und Gabun.

Unterstützung vorab gesichert

Trotz der Unregelmäßigkeiten hält Kerstan den Wahlsieg insgesamt für glaubwürdig, davon geht auch die größte Wahlbeobachtungsmission der Kirchen CENCO und ECC aus. Der talentierte Strippenzieher Tshisekedi, Sohn eines langjährigen Oppositionsführers, hatte sich im Vorfeld die Unterstützung politischer Schwergewichte gesichert. Am Dienstagnachmittag gab es zumindest in der Hauptstadt Kinshasa keine Anzeichen für größere Proteste. "Der Präsident verfügte über die mit Abstand größten finanziellen und logistischen Mittel im Wahlkampf, wozu die staatlichen Behörden bewusst und im großen Umfang beisteuerten", sagt Kerstan.

Die Bilanz des Wiedergewählten ist durchwachsen. Das Wirtschaftswachstum war zuletzt etwas auf vier Prozent gestiegen. Wenngleich das Gros der Bevölkerung vom enormen Rohstoffreichtum des Kongos kaum profitiert und besonders im Osten des Landes unter der steigenden Gewalt leidet, hatte Tshisekedi zuletzt immerhin Reformen im sozialen Bereich eingeführt – wie etwa die überfällige Einführung von kostenloser Grundschulbildung.

Verbündete auf Uno-Ebene

Endgültig ist das Ergebnis noch nicht, doch es wird allgemein davon ausgegangen, dass Kongos Verfassungsgericht die Ergebnisse am 10. Jänner bestätigen wird. Entsprechend hielt sich der Westen – im Gegensatz zu großen afrikanischen Ländern wie Südafrika und Kenia – mit Gratulationsschreiben bislang noch zurück. Die USA riefen vorsichtig mahnend dazu auf, "jegliche Wahldispute friedlich und entsprechend den kongolesischen Wahlgesetzen zu lösen".

Doch in Washington und Brüssel hatte Tshisekedi, der lange in Belgien lebte, während seiner ersten Amtszeit durchaus Unterstützer. Bei UN-Resolutionen stimmte der Kongo unter ihm meist für US-Positionen, etwa gegen Russland wegen des ukrainischen Angriffskriegs – angesichts des gestiegenen Einflusses des Kremls in der Sahelzone und in Südafrika ein wichtiger Faktor. Als Tshisekedi mit Kriegsrhetorik gegen Ruanda auf Stimmenfang ging – die Regierung wirft dem Land die Unterstützung der ostkongolesischen Miliz M23 vor –, drosselte er auf Wunsch der USA den Ton.

Chinas Dominanz

Die USA hatten im Jahr 2019 nach Tshisekedis erster umstrittener Wahl rasch gratuliert und damit zu seiner internationalen Legitimation beigetragen. Das trägt bis heute die Beziehungen, zuletzt warf einer von Tshisekedis wichtigsten Ministern Russland gar vor, die Wahlen manipulieren zu wollen. Doch der Analyst Tresor Kibangula von der kongolesischen Denkfabrik Ebuteli relativiert die Wahrnehmung einer allzu klaren Positionierung: "Tshisekedi zeigte besonders am Anfang eine prowestliche Orientierung, aber die Wirtschaftslandschaft blieb unverändert, westliche Unternehmen zögern weiter mit Investitionen." So dominiere China mit fast 40 Prozent des Handels die kongolesische Wirtschaft, verglichen mit weniger als zehn Prozent mit den Vereinigten Staaten.

Der Kongo verfügt über die Hälfte der weltweiten Kobaltvorräte, die bei der Batterieproduktion im Zuge der Energiewende zunehmend an globaler Bedeutung gewinnen. "15 der 19 Kobalt produzierenden Minen im Kongo sind in chinesischer Hand", sagt Kibangula. Auch andere geopolitische Akteure wie die Türkei würden sich verstärkt engagieren, insbesondere im Infrastrukturbau.

Mangel an europäischen Angeboten

Europa, das sich zuletzt kleinere diplomatische Scharmützel mit dem Kongo lieferte, hält sich derweil vornehm zurück. In dem zweitgrößten Flächenstaat Afrikas und seinem gelinde formuliert anspruchsvollen Geschäftsklima sind nur wenige Firmen aktiv. Immerhin in das einst von Deutschland angestoßene G20-Investitionsprogramm Compact with Africa wurde der Kongo im vergangenen Jahr aufgenommen, was das enorme Risiko von privaten Investitionen über die Zusicherung von staatlichen Bürgschaften künftig mildern könnte.

Stiftungsmann Kerstan hält das für höchst an der Zeit – und erfolgsversprechend. Die dominante chinesische Präsenz werde schließlich im Kongo durchaus kritisch gesehen, sagt er, zudem sei Tshisekedi zuletzt beim Versuch abgeblitzt, in China Rohstoffverträge nachzubessern. Es bestehe der Wunsch nach einer Diversifizierung der Partner, "aber es mangelt an attraktiven europäischen Angeboten".

Das sei besonders für die deutsche Automobilindustrie wegen der Bedeutung kongolesischer Rohstoffe für die Mobilitätswende riskant. "So steigt die deutsche Abhängigkeit im globalen Ressourcenwettstreit weiter", sagt Kerstan. Vor allem von China. (Christian Putsch aus Kapstadt, 3.1.2024)