Die Neujahrsansprache des chinesischen Präsidenten Xi Jinping wird auf einer Großbildwand in Peking übertragen.
Die Neujahrsansprache des chinesischen Präsidenten Xi Jinping wurde unter anderem auf Großbildwänden in Peking übertragen. Zu Jahresbeginn präsentierte Xi nun auch einen neuen Verteidigungsminister.
EPA/WU HAO

Die Kommunistische Partei Chinas ist eine Blackbox. Selbst vermeintliche Insider wissen wenig über Personalentscheidungen in der obersten Führungsetage. Im vergangenen Jahr war es im Kabinett Xi Jinpings geradezu wild hergegangen. Ob die Turbulenzen nun mit der Ernennung von Dong Jun zum neuen Verteidigungsminister ein Ende finden, weiß man nicht. Aus der neuen Personalie aber lassen sich ein paar Tendenzen herauslesen.

Dong ist der erste Militär aus den Seestreitkräften, der dieses Amt übernimmt. Und: Der 62-Jährige war zuvor in leitender Position sowohl für das Südchinesische Meer und die Taiwan-Straße zuständig. Es sind genau diese beiden Regionen, in denen die Wahrscheinlichkeit für eine militärische Auseinandersetzung aktuell am höchsten ist: Peking hat jüngst wieder seine Ansprüche auf das demokratisch regierte Taiwan bekräftigt.

Dort finden am 13. Jänner Präsidentschaftswahlen statt, die die Dynamik der Situation beschleunigen können. Im Südchinesischen Meer erhebt Peking Ansprüche auf Inseln innerhalb der sogenannten Neun-Punkte-Linie. Diese liegen allerdings weit außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone und werden von zahlreichen Anrainern ebenfalls beansprucht. Zuletzt kam es zu Zusammenstößen mit Schiffen der Philippinen.

Stärkung der Achse mit Moskau

Dong hat zudem mehrere Großmanöver mit russischen Streitkräften geleitet. Das deutet auf eine weitere Stärkung der russisch-chinesischen Achse hin, nachdem schon bisher der Krieg in der Ukraine die Allianz zwischen Moskau und Peking eher gestärkt als geschwächt hat.

Nicht alles an der Ernennung Dongs deutet jedoch auf Eskalation hin. Sein Vorgänger Li Shangfu stand auf der Sanktionsliste der USA. Beide Supermächte aber arbeiten aktuell auf etwas mehr Entspannung hin, um die Schäden der vergangenen Jahre zu begrenzen. In den USA wird Ende des Jahres gewählt, und die chinesische Wirtschaft leidet unter den amerikanischen Sanktionen. Mit Dong ist nun auch eine militärische Kommunikation wieder möglich.

Manche Experten mutmaßen auch, dass Xi, in den vergangenen Monaten durch den Krieg in der Ukraine und die Ereignisse in der russischen Armee beeinflusst, massiver gegen Korruption in der Volksbefreiungsarmee vorgeht. Dongs Vorgänger Li soll in seiner Zeit als Chef des militärischen Beschaffungs- und Entwicklungsamtes Gelder veruntreut haben. Gleichzeitig mit der Ernennung Dongs wurden neun Generäle ihres Amtes enthoben.

Gestiegene Verteidigungsausgaben

Dongs Nachfolger als Oberkommandierender der chinesischen Marine ist übrigens ein U-Boot-Admiral. Auch das kann als Zeichen gedeutet werden, wonach Peking diesem Bereich mehr Aufmerksamkeit schenkt. Die Volksrepublik erhöht seit Jahren ihr Verteidigungsbudget in relativen wie absoluten Maßstäben. Die Bemühungen gehen in erster Linie dahin, einen amerikanischen Angriff abwehren zu können.

Die Vorgänge deuten allerdings auch darauf hin, dass es Xi Jinping in den vergangenen zehn Jahren trotz großer Bemühungen und drakonischer Strafen nicht gelungen ist, die Korruption im Staatsapparat auszurotten. (Philipp Mattheis, 3.1.2024)