Für Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz war es der Wahlkampfschlager schlechthin. Die Abgabenquote in Österreich müsse auf mindestens 40 Prozent sinken, versprach Kurz im Wahlkampf 2017. In der Koalition mit der FPÖ wurde das Ziel gemeinsam paktiert. Unter den Nachfolgern von Kurz ist es um das Mantra etwas leiser geworden, aber nur etwas. Schließlich steht auch im türkis-grünen Koalitionsabkommen der Passus, wonach die Steuer und Abgabenquote "in Richtung 40 Prozent" gesenkt werden solle, um "die Menschen zu entlasten".

Wie ist es aber im Wahljahr 2024 bestellt um dieses Ziel? Fix ist, dass es heuer eine Reihe von Entlastungen geben wird: Die Körperschaftsteuer ist zum zweiten Mal in Folge gesunken, von 25 auf 23 Prozent. Bei den Einkommenssteuerstufen geht es ebenfalls weiter nach unten, der Steuersatz in Stufe vier sinkt heuer von 41 auf 40 Prozent, zuvor wurde schon die dritte Steuerstufe abgesenkt. Und: Die kalte Progression, also die schleichenden Steuererhöhungen, sind abgeschafft. Allein das sorgt dafür, dass den Beschäftigten heuer 3,65 Milliarden Euro mehr verbleiben. Dieses Geld hätte andernfalls der Staat bekommen.

Ziel in weiter Ferne

Und dennoch: Wie das Neos-Lab, der Thinktank der Oppositionspartei, in einer Auswertung zeigt, wird die Steuer- und Abgabenquote steigen, und zwar von 42,9 im vergangenen Jahr auf heuer 43,2 Prozent. Das Finanzministerium erwartet eine ähnliche Entwicklung in seinen Budgetanalysen: Dort wird mit einer minimal anderen Berechnungsmethode ein Anstieg auf heuer 43 Prozent erwartet. Danach soll die Abgabenquote bis 2027 konstant bleiben. Von ihrem erklärten Ziel, den 40 Prozent, ist die Koalition genauso weit weg wie bei ihrem Antritt.

Entwicklung der Abgabenlast.
STANDARD

Wie kommt das trotz der beschriebenen Entlastungen? Eine Erklärung lautet, dass unter dem Strich die Steuersenkungen 2024 überkompensiert werden, weil andere Entlastungen mit dem Jahreswechsel ausgelaufen sind. Das führt dazu, dass der Staat mehr einnimmt.

Um es konkret zu machen: Im Jahr 2023 profitierten untere und mittlere Einkommensbezieher von einem steuerlichen Absetzbetrag in Höhe von 500 Euro, dazu wurden die (steuerlich wirksame) Pendlerpauschale erhöht und die Elektrizitätsabgabe gesenkt. Gemeinsam mit einigen anderen Maßnahmen, die zur Linderung der Inflation gedacht waren, brachte dies eine steuerliche Entlastung im vergangenen Jahr von 2,24 Milliarden Euro, rechnet der Budgetdienst vor. Diese Entlastungen fallen heuer zu einem großen Teil weg.

Die Steuern sinken 2024, die Abgabenquote nimmt auch etwas zu.
Getty Images/iStockphoto

Dazu kommt noch ein Effekt: 2024 werden die nominellen Löhne als Folge der neuen Tarifabschlüsse deutlich steigen. Der Budgetdienst schätzt um gut acht Prozent. Im progressiven Steuersystem steigen damit auch die Steuereinnahmen an. Vor Abschaffung der kalten Progression wäre dieser Anstieg höher gewesen, hätte um die zwölf Prozent betragen. Jetzt dürften es bei acht Prozent Lohnplus auch acht Prozent Steuerplus sein, sagt Ökonom Hans Pitlik vom Forschungsinstitut Wifo. Damit steigen die Einnahmen aus der Lohnsteuer 2024 stärker als das Wirtschaftswachstum. Die Folge: Die Abgabenquote steigt. Denn diese setzt ja die eingenommenen Steuern und Abgaben in Relation zur Wirtschaftsleistung.

"Mit der Gießkanne"

Was folgt aus der Entwicklung rund um die Quote? Wenig, wenn die Politik auch mit falschen Versprechungen vorsichtig sein sollte, lautet eine zulässige Interpretation. Die Ökonomin Margit Schratzenstaller vom Wifo sagt, dass die Höhe der Abgabenquote für sich genommen keine große Bedeutung für den Erfolg einer Volkswirtschaft hat. Das würde eine Reihe empirischer Studien belegen. Wichtiger sei es, die Struktur der Belastung zu analysieren, und da zeige sich: Österreich habe ein Problem, weil der Faktor Arbeit so hoch belastet sei, während vermögensbezogene Steuern, etwa auf Erbschaften, und Umweltsteuern zu wenig genutzt würden.

Lukas Sustala vom Neos-Lab kritisiert grundsätzlich, dass die Regierung bei der Entlastung nichts weitergebracht habe. "Im Gegenteil: Die Ausgaben mit der Gießkanne und das Aufschieben wichtiger Strukturreformen für künftige Regierungen werden die Steuerzahler künftig belasten. Mit höheren Steuern oder höheren Schulden."

Im Finanzministerium selbst heißt es auf Anfrage, dass die Entwicklung für das kommende Jahr bisher nur eine Prognose sei. Ein entlastender Faktor, die Senkung der Elektrizitätsabgabe für Haushalte, die auch 2024 verlängert wurde, sei erst im Dezember 2023 fixiert worden und in den Berechnungen daher noch gar nicht enthalten. Die nächste Prognose komme im April. Ansonsten wird auch hier vor allem auf den Anstieg der Lohnsumme durch die Lohnabschlüsse verwiesen. (András Szigetvari, 4.1.2024)