Die NGO des Datenschützers Max Schrems kritisiert den Gläubigerschutzverband KSV 1870.
APA/AFP/JOE KLAMAR

Wer in Österreich ein Visum beantragt oder die Aufenthaltsgenehmigung verlängern möchte, muss erst belegen können, dass er oder sie ausreichende finanzielle Mittel hat, um ohne staatliche Hilfsgelder auszukommen.

Daher verlangt die Einwanderungsbehörde MA 35 in Wien von Einwanderinnen und Einwanderern, ihre Solvenz nachzuweisen. Konkret bedeutet das, dass sie üblicherweise Daten dazu von einem Gläubigerschutzverband einholen müssen. Dadurch lässt sich belegen, dass sie etwa keine Schulden haben.

Nun wirft die Datenschutz-NGO Noyb dem Gläubigerschutzverband KSV 1870 vor, diese Situation auszunutzen – und es Betroffenen "fast unmöglich" zu machen, eine kostenlose Auskunft einzuholen, wie die Datenschützer kritisieren. Stattdessen würde der Verband bewusst auf "irreführende Website-Designs" setzen, um Betroffene dazu zu bewegen, unnötigerweise eine kostenpflichtige Auskunft um 43 Euro zu erwerben. Noyb habe deswegen eine Beschwerde und eine Anzeige bei der heimischen Datenschutzbehörde eingereicht. Die NGO sieht einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung.

Gratisauskunft versteckt

Laut dieser müssten es Unternehmen Betroffenen erleichtern, von ihrem gesetzlichen Auskunftsrecht zu Daten Gebrauch zu machen, sowie diese leicht zugänglich zur Verfügung stellen. Aus Sicht der Datenschützer bei Noyb tue der Gläubigerschutzverband das Gegenteil: So sei die nicht kostenpflichtige Auskunft auf der Website des KSV 1870 besonders schwierig zu finden – durch Google-Suchen finde man tendenziell nur das Bezahlprodukt "Infopass".

Noyb kritisiert, dass die kostenfreie Auskunft anhand einer für Laien unkonkreten Bezeichnung am Ende der Webseite versteckt werde.
Screenshot/ksv.at

Wolle man über die Startseite des KSV 1870 die kostenlose Selbstauskunft ansteuern, sei dies ebenso erschwert, da sie nur am Ende der Webseite unkonkret als "Art 15 DSGVO" in einer Fußnote beschrieben werde. Hinzu kommt, dass auf der Webseite angemerkt wird, dass die kostenlose und gesetzlich vorgesehene Auskunft 25 bis 30 Tage dauert, während das Bezahlprodukt bereits innerhalb von drei Werktagen zur Verfügung steht.

Wahrheitswidrige Suggestion?

Und: Auch auf der kostenlos eingeholten Auskunft versuche der Verband zum Kauf zu verleiten. Eine solche liegt dem STANDARD vor. Darin ist etwa mehrfach zu lesen, dass die Auskunft "ausschließlich zu Ihrer eigenen Information" vorliege.

An anderer Stelle wird angemerkt, dass die Auskunft "nicht zur Vorlage an Dritte geeignet ist", und auch, dass der KSV 1870 für einen Bonitätsnachweis für Behörden und andere Stellen mit dem "Infopass" "unterstützt". Damit werde Noyb zufolge wahrheitswidrig suggeriert, dass die kostenlose Auskunft nicht ausreichen würde.

"Der KSV macht es Betroffenen fast unmöglich, von ihrem gesetzlichen Auskunftsrecht Gebrauch zu machen", sagt Marco Blocher, Datenschutzjurist bei Noyb. Stattdessen werde versucht, den Menschen "ihre eigenen Daten zu verkaufen". Opfer dieser Praktik seien vor allem "Leute, die oft ohnehin über wenig Mittel verfügen und die deutsche Sprache noch nicht beherrschen", kritisiert Blocher. Noyb vermutet einen Schaden bei unwissenden Betroffenen, der in Millionenhöhe liege, wie die NGO schreibt.

Rüge für MA 35

Die MA 35 hat in der Vergangenheit selbst auf das Bezahlprodukt des KSV 1870 verwiesen. Dafür wurde sie offiziell vom Stadtrechnungshof Wien gerügt. Seitdem verlinkt die Behörde auf die kostenlose Selbstauskunft auf der Website des Gläubigerschutzverbands.

Während das kostenpflichtige Produkt auf der von der MA 35 verlinkten Website prominent beworben wird, ist die kostenfreie Auskunft (gelb markiert) weniger leicht zu finden.
Screenshot/KSV.at

Seitdem habe aber der KSV 1870 seine Website unübersichtlicher gestaltet. "Der KSV 1870 unterminiert nun sogar die MA 35", sagt Blocher dazu. Auf der offiziell von der Behörde verlinkten Seite werde das Bezahlprodukt "Infopass" unverhältnismäßig prominent anhand einer großen Schaltfläche beworben.

Dass der KSV 1870 der DSGVO zuwiderhandeln soll, weise man aufs Schärfste zurück, heißt es in einem dem STANDARD übermittelten Statement des Gläubigerschutzverbands. Die angebotenen Produkte würden "im Sinne der Datenminimierung" nur die Daten enthalten, die für den jeweiligen Zweck notwendig sind. Unabhängig davon komme man dem Auskunftspflichten nach. Um eine Unterscheidung zwischen den Produkten und dieser Auskunft zu ermöglichen sei dies auf der Webseite getrennt dargestellt. An der Klärung durch die Beschwerde bei der Datenschutzbehörde wolle der Verband "aktiv mitwirken". (Muzayen Al-Youssef, 4.1.2024)