Bunte Häuserfront, Kanal
Morgenspaziergang durch ein noch sehr beschauliches Burano.
©Bernd Grosseck

Wenn ich mein Auto im Parkhaus Tronchetto abstelle und in das Vaporetto der Linie 2 steige, dann ist das für mich schon so etwas wie ein Nachhausekommen, denn Venedig ist in den letzten Jahren ein fester Bestandteil meines Reisekalenders geworden. Im vergangenen Jahr hatte ich jedoch erstmals die Gelegenheit, Venedig fast im Winter zu erleben. Heute möchte ich Sie mit nach Burano nehmen, auf die Insel in der venezianischen Lagune, die für ihre bunten Häuser und die Herstellung kunstvoller Spitzen bekannt ist. Die Seidenstickerei wird heute noch in einer Schule für Spitzennadeltechnik gelehrt.

Häuserfront, Bank, Vorhänge
Etwas abseits ein "Fassadenstillleben".
©Bernd Grosseck

Beschauliche Stimmung am frühen Vormittag

Wer Burano schon einmal besucht hat, weiß um die vielen Besucher und Besucherinnen, die diese Laguneninsel Tag für Tag bevölkern. Ich fuhr früh mit der Vaporettolinie 14 von San Marco / San Zaccharia nach Burano. Am Morgen wehte ein kalter Wind. Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, an Deck eines Wasserbusses die Eindrücke der Umgebung auf mich wirken zu lassen, zog ich mich für die etwa 75-minütige Fahrt in das warme Innere des Vaporettos zurück. Als ich in Burano ankam, war der Himmel bedeckt, und die bunten Häuser wirkten daher nicht ganz so farbenfroh wie in meiner Erinnerung. Laut Wettervorhersage war für den späten Vormittag Sonne angekündigt. Deshalb beschloss ich, nicht gleich ins Zentrum zu laufen und meine Fotomotive zuerst dort zu suchen, sondern einmal in östlicher Richtung am Meer entlang zu spazieren. An diesem Tag hatte der Blick auf die Lagune etwas sehr Ruhiges und Beschauliches.

Meer
Sehr viel Stille lag an diesem Morgen über der Lagune.
©Bernd Grosseck

Nur wenig Bewegung war auf dem Meer zu sehen, und auch das Alltagsleben wirkte noch sehr geruhsam. Gelegentlich unterbrachen die Geräusche der Fischerboote und das Kreischen der Möwen die Stille. Einige Bewohner und Bewohnerinnen schlenderten durch die Gassen, grüßten einander freundlich. In Erwartung eines sonnigen Tages hing bei zahlreichen Häusern Wäsche an langen Schnüren, die auf Holzpflöcken vor oder hinter den Gebäuden befestigt waren. Im leichten Wind würden die Textilien wohl bald trocknen.

Wäsche hängt auf Leine, dahinter Meer
In Erwartung eines sonnigen Tages hing die Wäsche schon zwischen den Häusern zum Trocknen.
©Bernd Grosseck

"Wuselmeile" in Burano meiden

Pünktlich um elf Uhr brach die Sonne durch den diesigen Himmel, und die farbenprächtigen Häuser begannen zu leuchten. Es kamen nun auch mehr Tagesgäste, jedoch bei weitem nicht so viele, wie ich es in der Hochsaison schon einmal erlebt hatte. Beim Aussteigen aus dem Vaporetto empfiehlt es sich, nicht allen anderen Besuchern und Besucherinnen zu folgen, sondern ein paar Schritte weiter zu gehen und Wege abseits der "touristischen Trampelpfade" zu nehmen. Hier kann man auch ganz bewusst in den Ort eintauchen, ohne von "Selfie-Sticks" erschlagen zu werden.

Vor etwa zwei Jahren war ich einmal im September an einem wunderschönen Spätsommertag auf Burano. Der Wasserbus war sehr voll, Sitzplätze waren rar. Bei meinem damaligen Aufenthalt mied ich die "Wuselmeile", die "Via Baldassare Galuppi", wo sich die meisten Touristen und Touristinnen aufgrund der Geschäfte und Lokale aufhielten. Selbst an besucherstarken Tagen kann man das Flair von Burano in den kleinen Nebenstraßen genießen, weil sich dorthin nur wenige Menschen aufmachen.

Mann schiebt Karren mit Kisten, spiegelt sich im Wasser
Das "geschäftliche Treiben" spiegelt sich auch im Kanal.
©Bernd Grosseck

Das farbenfrohste Haus in Burano

Fotografisch bietet Burano mit seinen farbenfrohen Häusern natürlich eine Fülle von Motiven. Die Vielfalt der Farben reicht von poppigen bis zu Pastell- und Sandtönen. Das bunteste Haus auf Burano ist zweifellos die "Casa di Bepi". Bis zu seinem Tod im Jahr 2002 soll er täglich die Fassade bemalt haben. Wolfgang Salomon erzählt in seinem Buch "Wintertage in der Serenissima", dass dies das Haus des Filmvorführers, Malers und Süßigkeitenverkäufers Giuseppe Toselli war. Als das Kino, wo Bepi Haustechniker war, schloss, erbte er den alten Filmvorführungsapparat, spannte ein Leintuch vor seine Fassade und so gab es an lauen Sommerabenden in kleinem Rahmen Filme zu sehen.

Buntes Haus
"Casa di Bepi" – das farbenfrohste Haus in Burano.
©Bernd Grosseck

Warum sind die Häuser in Burano so bunt?

Es gibt einige nette Geschichten darüber, warum die Häuser in so unterschiedlichen Farben ausgestaltet sind. Eine davon besagt, dass die Fischer im dichten Nebel ihr Haus und damit ihre Anlegestelle besser finden konnten. Eine weitere Legende meint, dass es so den Postboten leichter gemacht wurde, das richtige Haus für die Postzustellung zu finden, weil viele Menschen auf Burano den gleichen Familiennamen haben. Da es immer wieder zu Verwechslungen bei der Postzustellung kam, haben die Bewohner und Bewohnerinnen ihre Häuser in verschiedenen Farben angemalt, um den Postboten die Arbeit zu erleichtern, denn kein Haus hat die gleiche Farbe wie sein Nachbar.

Bunte Häuserreihe, daneben ein Kanal
Die Vielfalt der Häuserfarben fasziniert beim Flanieren durch Burano.
©Bernd Grosseck

Spaziergang nach Mazzorbo

Wer es auf Burano dennoch zu laut und zu voll findet, kann über eine Holzbrücke nach Mazzorbo spazieren und dort einen Rundweg um die fast rechteckige Insel machen. Mazzorbo ist eines der sechs "sestieri" von Burano. Die übrigen fünf liegen auf der Insel Burano selbst und sind durch Brücken miteinander verbunden. Ein Spaziergang auf Mazzorbo führt an Feldern vorbei, auf denen aktiv Landwirtschaft betrieben wird, darunter Gemüse- und Weinanbau. Nordöstlich liegt die ebenso beschauliche Insel Torcello, etwa 150 Meter von Mazzorbo und Burano entfernt.

Umgedrehtes Boot, Grünfläche, Baum, Mauern, dahinter Meer
Idylle auf Mazzorbo mit einem Blick auf die Nachbarinsel Torcello.
©Bernd Grosseck

Bevor ich meinen Spaziergang auf Mazzorbo beendete und über den "Ponto Longo" zurück nach Burano ging, empfing mich ein Schwarm von Möwen und Tauben, die sich über Brotreste hermachten, die ihnen eine Spaziergängerin hinterlassen hatte; ein Motiv im Gegenlicht, das ich mir nicht entgehen lassen konnte.

Möwen über Grünfläche, dahinter Meer
Gerangel um Brotreste.
©Bernd Grosseck

Wenig Fotoausrüstung als "Slow Traveller"

In den letzten Jahren hat sich meine Art zu fotografieren und zu reisen verändert. Ich sehe mich selbst als einen sehr "bewusst" Reisenden und würde meine Art des Reisens unter den Oberbegriff "Slow Travelling" stellen. Bewusstes Reisen hilft mir, ein Land, eine Region oder vielleicht auch nur einen Ort besser, intensiver kennenzulernen. Als begeisterter Fotograf bietet mir das Reisen als "Slow Traveller" auch viele Vorteile bei der Motivsuche. Ich lasse mich gerne vom Augenblick leiten und habe die Erfahrung gemacht, dass ich, wenn ich nicht verzweifelt versuche, vorgefertigte Ideen fotografisch umzusetzen, oft mit überraschenden und beglückenden Ergebnissen von meinen Fototouren zurückkehre.

Dazu gehört für mich auch, mit leichtem Fotogepäck unterwegs zu sein. Oft habe ich nur ein 28-mm-Weitwinkel- und ein 50-mm-Normalobjektiv mit. Gerade in Burano eignete sich das Weitwinkelobjektiv ideal, um Häuser, Plätze und Wege zu fotografieren. Das Normalobjektiv, dessen Brennweite in etwa dem Gesichtsfeld des menschlichen Auges entspricht, nutzte ich für einige Ausschnitte. Es gibt viele Fensterläden, Eingänge und Details, die sich als Motive finden lassen. Die Normalbrennweite bietet sich auch gut für die Spiegelungen von Booten und Häusern in den Kanälen an, die Burano durchziehen.

In den vielen kleinen Gassen und Winkeln von Burano findet man schnell Motive, vor allem wenn man sich abseits der Fußgängerströme bewegt. Es ist mir jedoch immer wichtig, die Privatsphäre der Bewohner und Bewohnerinnen zu respektieren, da Burano ohnehin einem Freilichtmuseum gleicht und manche Touristen und Touristinnen keine Rücksicht darauf nehmen, was oder wen sie ohne Erlaubnis fotografieren. Gerade in Burano gibt es genug Motive im öffentlichen Bereich.

Bunte Häuserfassade
Kräftige Farben findet man auf zahlreichen Fassaden direkt nebeneinander.
©Bernd Grosseck

Burano, eine der größten Inseln in der venezianischen Lagune, hat mich an diesem Tag wieder einmal beeindruckt. Zuerst war ich fast allein unterwegs, und auch um die grundsätzlich stark besuchte Mittagszeit hatte ich Ende November genug Möglichkeiten, ungestört auf Motivsuche zu gehen. Es empfiehlt sich, den Ausflug auf die Insel in den frühen Morgenstunden oder am späten Nachmittag zu unternehmen, wenn die Tagesbesucher noch nicht aufgebrochen sind oder bereits wieder auf dem Weg nach Venedig sind. Für Fotografen und Fotografinnen sind das natürlich auch die Tageszeiten, in denen das Licht besonders schön ist und die normalerweise stark frequentierten Plätze nicht so überlaufen sind. Zurück ging es mit der Linie zwölf, die über Murano (Haltestelle "Murano Faro") nach Fondamente Nove im Norden von Venedig fährt.

Bunte Häuserfassade, Wäscheleine
Es ist ein besonderes, einzigartiges Flair, das man in den kleinen Gassen zwischen den Häusern von Burano findet.
©Bernd Grosseck

Ein Tipp zum Abschluss: Wenn man noch etwas Zeit hat, kann man einen Tagesausflug nach Burano mit einem Besuch von Torcello, Murano oder auch mit der Friedhofsinsel (Cimitero S. Michele) verbinden. Über Fahrpläne der Vaporetti gibt meines Erachtens am besten die Website von ACTV (Azienda del Consorzio Trasporti Veneziano) Auskunft, der Gesellschaft, die den öffentlichen Nahverkehr in Venedig betreibt.

Turm in Altstadt, bunte Häuserfassade
Die tiefstehende Sonne bildet für "Streetphotography" herrliche Kontraste.
©Bernd Grosseck

(Bernd Grosseck, 8.1.2024)