Als Russland vor knapp zwei Jahren die Ukraine überfiel, sagten zahlreiche Länder der Regierung in Kiew umfassende Hilfe in Form von Geldern und Waffenlieferungen zu – an vorderster Front das führende Nato-Land USA. Seitdem hat US-Präsident Joe Biden in zahllosen Statements der Ukraine unbedingte Unterstützung zugesichert, so lange auch der Krieg andauern möge – und so lange es sich die USA leisten könnten.

Und in diesem letzten Verb wird das Problem des US-Präsidenten erkennbar: Denn er allein kann seinem in Bedrängnis befindlichen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj zwar alles Mögliche versprechen und zusichern – doch letzten Endes ist es das Parlament (der Kongress), der die beantragten Mittel freigibt. Oder auch nicht.

Joe Biden und Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus, Archivbild vom 12.12.2023
Joe Biden und Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus, Archivbild vom 12.12.2023.
AFP/MANDEL NGAN

Bekanntlich bekniet Biden den Kongress schon seit Monaten, weitere 61 Milliarden Dollar an Militärhilfen für die Ukraine zu beschließen. Doch viele Kongressabgeordnete der Republikaner sind dagegen. Nun könnte in die monatelang in der Schwebe verharrenden Verhandlungen wieder Bewegung kommen – denn der Kongress ist auch seiner feiertagsbedingten Winterpause wieder zurück.

Die Zeit drängt

Und Bewegung wird dringend nötig sein: Denn in knapp zwei Wochen läuft eine weitere Frist in Sachen US-Budgetgesetz ab. Zwar konnten die Fraktionen von Demokraten und Republikanern am Wochenende von einer Grundsatzeinigung im Budgetstreit berichten: So verständigte man sich am Sonntag auf eine Obergrenze von 1.590 Milliarden Dollar (1.456 Milliarden Euro) für das laufende Budgetjahr; doch die "Giftpfeile" (Migration, Ukraine-Hilfe, Israel-Hilfe) seien weiterhin spitz und gefährlich wie eh und je.

Rückblende: Mitte November 2023 konnte der "Shutdown" – die Budgetsperre in der US-Verwaltung – fast in letzter Minute verhindert werden, allerdings nur zu einem für die Demokraten sehr hohen Preis: Über die weiteren Hilfen für die Ukraine und für Israel musste und muss in der Folge separat verhandelt werden – und jetzt ist es so weit. Realpolitisch stellen die Republikaner harte Bedingungen, die u. a. mit der hohen Zahl an unerwünschten Migranten und Migrantinnen an der US-Südgrenze zu Mexiko in Zusammenhang stehen: Man wolle den von der Biden-Regierung geforderten Milliarden für die Ukraine und Israel nur dann zustimmen, wenn die Einwanderungsgesetze massiv verschärft werden. Wichtiger als die Lage in der Ukraine oder in Israel sei die Sicherheit der US-Bevölkerung im eigenen Land.

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, hatte schon vor der Winterpause des US-Kongresses auf eine "schnelle Entscheidung" gedrängt – die er freilich nicht bekam: "Es gibt keine andere Lösung – wir müssen zusätzliches Geld für die Ukraine haben, damit sie den Kampf gegen die russische Aggression fortsetzen können."

Kiew: Wir haben keinen Plan B

Wie brisant die Lage in der Ukraine ist, wurde zu Jahresbeginn wieder deutlich: Der ukrainischen Luftwaffe geht langsam aber sicher die Munition aus, um russische Raketen und Drohnen abzuwehren. Das wiederum weiß die russische Militärführung recht genau – kaum ein Zufall, dass Russland in diesen Tagen seine schweren Raketen- und Drohnenangriffe intensiviert hat. Hier wird sichtbar, wie sehr die ukrainische Luftverteidigung auf US-Waffenhilfe – vor allem auf Nachschub für das hoch effiziente Raketenabwehrsystem Patriot – angewiesen ist.

Dennoch setzt die Ukraine mangels Alternativen voll auf die kostenintensive Militärhilfe aus den USA. "Wir haben keinen Plan B. Wir sind von Plan A überzeugt", sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba vergangene Woche in einem Interview mit dem US-Sender CNN. Kiew ziehe keine Alternative zur Sicherung der ins Stocken geratenen US-Militärhilfe in Betracht; man bleibe zuversichtlich, dass der US-Kongress seine Zustimmung zur Freigabe der Gelder geben werde. "Die Ukraine wird immer mit den Mitteln kämpfen, die ihr zur Verfügung stehen. (...) Was der Ukraine gegeben wird, ist keine Wohltätigkeit: Es ist eine Investition in den Schutz der Nato und in den Schutz des Wohlstands des amerikanischen Volkes", versicherte Kuleba und warnte: Sollte Russland die Oberhand gewinnen, könnte das für andere Player eine Versuchung sein, Ähnliches zu probieren. „Um die Sicherheit in diesem Teil der Welt zu gewährleisten und diese Führer abzuschrecken, werden die USA einen viel, viel höheren Preis zahlen müssen."

Sprich: Die beantragte und erhoffte Ukraine-Hilfe sei im Vergleich zu drohenden Alternativszenarien noch sehr günstig. Die USA sollten sich nicht in falscher Sicherheit wiegen: Russlands Präsident Wladimir Putin sei auf jeden Fall in der Lage, auch weitere Länder anzugreifen – womöglich auch solche, die Nato-Mitglied sind. Dem müsse man gemeinsam vorbeugen. (Gianluca Wallisch, 8.1.2024)