Um die Bedeutung der Landwirte für die Gesamtwirtschaft zu vermessen, muss man schon sehr gut hinsehen. Gerade einmal 1,5 Prozent trägt die Landwirtschaft zur Wertschöpfung in Österreich heute noch bei, in Deutschland ist es mit 1,2 Prozent sogar noch etwas weniger. Der politische Einfluss der Bäuerinnen und Bauern ist ungemein größer, wie die Proteste in Deutschland gerade zeigen. Das liegt einerseits an ihren gut organisierten Lobbyverbänden. Andererseits natürlich daran, dass mit der Landwirtschaft wichtige Politik- und Wirtschaftsfelder verbunden sind, wie Lebensmittelsicherheit, ländliche Entwicklung und Tourismus.

Das Interessante an den deutschen Protesten ist, dass sie am Ende einer langen Party stattfinden. Die Unternehmensgewinne bäuerlicher Betriebe in Deutschland haben im vergangenen Jahr um 45 Prozent auf 115.400 Euro zugelegt, wie der Deutsche Bauernverband in einem Bericht stolz festhält. Von diesem Betrag ist noch die Sozialversicherung zu bezahlen. In Österreich lag das Plus zur selben Zeit laut Landwirtschaftsministeriums bei 40 Prozent. Verantwortlich für den Boom war der rasante Anstieg bei den Preisen für Getreide, Milch, Zuckerrüben, Holz, aber auch Fleisch in der Folge des Krieges in der Ukraine und der Inflationskrise. Bereits 2021 war ein starkes Jahr in der Landwirtschaft. Nur Betriebe der Energiewirtschaft konnten ihre Gewinne in der Phase der hohen Inflation noch mehr steigern. Von der vielbeschworenen Krise der Bauern war also zuletzt keine Rede.

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Das ändert sich wieder, seitdem sich die Preise normalisieren. In Österreich sind die Unternehmensgewinne bäuerlicher Betriebe 2023 wieder rückläufig gewesen. Sie sind inflationsbereinigt wieder dort, wo sie 2020 waren. In Deutschland ist das laut Zahlen der Statistiker noch nicht der Fall, dort gab es selbst 2023 wohl ein Plus, was laut dem Ökonomen Franz Sinabell vom Forschungsinstitut Wifo mit der unterschiedlichen Produktionsstruktur in beiden Ländern zu tun haben dürfte.

Wobei wie immer gilt, dass Durchschnittswerte wenig sagen: Kleinere Produzenten werden mit ihren Erzeugnissen nicht reich, das gilt umso mehr für die kleinteiligere Landwirtschaft Österreichs. Allein in den vergangenen zehn Jahren sind hierzulande 10.000 landwirtschaftliche Betriebe verschwunden.

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Faktoreinkommen ist eine alternative Darstellung landwirtschaftlicher Gewinne
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Die Streichung von Subventionen beim Agrardiesel, wie sie die deutsche Ampelkoalition umsetzen will, fällt also in eine Phase, in der die alte Normalität zurückkehrt. In Deutschland fallen pro Liter Diesel 47,04 Cent Energiesteuer an. Landwirte erhalten davon fast die Hälfte, 21,48 Cent, rückerstattet. Für den durchschnittlichen Betrieb sind das fast 3000 Euro an Zuschüssen im Jahr. Die Ampelkoalition will die Förderung nicht wie zunächst angekündigt 2024 abschaffen, sondern den Zuschuss bis 2026 abschmelzen.

Video: Bauern protestieren bundesweit gegen Ampel-Regierung.
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Der Preis für Agrardiesel, mit dem in der Landwirtschaft alles, vom Traktor bis zu den Erntemaschinen, betrieben wird, ist in Deutschland und Österreich etwa gleich hoch. In Österreich gibt es allerdings keinen generellen Rabatt für Landwirte. Was es gibt für die heimischen Bauern, ist die Rückerstattung der CO2-Bepreisung für Diesel, die im Zuge der ökosozialen Steuerreform eingeführt wurde. Und: Von Mai 2022 bis Juni 2023 gab es obendrauf einen Rabatt bei der Mineralölsteuer für Landwirte wegen hoher Energiepreise.

In Deutschland wie Österreich wird die Landwirtschaft stark subventioniert, was die Lebensader kleiner Betriebe ist. Heuer sollen in Österreich 3,07 Milliarden Euro an Zuschüssen aus Budget- und EU-Mitteln fließen. (András Szigetvari, 9.1.2024)

Hubert Aiwanger, stellvertretender Bayerischer Ministerpräsident, bei Großkundgebung des Bauernverbands in München
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