Freiwillige sammeln die Plastikkugeln an der Küsten von Galicien ein.
Freiwillige sammeln die Plastikkugeln an der Küsten von Galicien ein.
EPA/SALVADOR SAS

Die Strände im nordwestspanischen Galicien färben sich weiß. Überall werden kleine Plastikkügelchen angeschwemmt. Die "Pellets", die der Herstellung von Plastikteilen dienen, stammen aus Containern, die am 8. Dezember auf einem Schiff unter liberianischer Flagge geladen waren und 80 Kilometer vor der Küste über Bord gingen. 26,25 Tonnen dieser Pellets in 1.050 Säcken à 25 Kilogramm sollen vor dem Norden Portugals ins Meer gelangt sein. Die Strömung trägt jetzt die drei bis fünf Millimeter großen Kügelchen an die galicischen Atlantikstrände, aber auch ins benachbarte Asturien, Kantabrien, Baskenland und gar nach Südfrankreich. Am meisten betroffen ist die galicische Küste nördlich der Hafenstadt Vigo.

Die galicische Regionalregierung unter Alfonso Rueda vom konservativen Partido Popular (PP) weiß seit dem 13. Dezember um die drohende Gefahr für die Strände. Doch sie versuchte die Krise auszusitzen. Am 18. Februar stehen Regionalwahlen an. Putztrupps an den Stränden machen sich da nicht gut. Zumal sie an die Zeit der "schwarzen Flut" nach dem Untergang des Tankers Prestige vor 20 Jahren erinnern würden, als sowohl die Regional- als auch Zentralregierung – beide damals in der Hand des PP – total versagten. Freiwillige reinigten einst die Küste vom Öl. Auch jetzt sind es wieder die Anwohner, die versuchen, der Kügelchen Herr zu werden. Kein leichtes Unterfangen bei Millionen von Pellets, die so groß sind wie ein Reiskorn.

"Wer helfen will, soll helfen"

Regionalpräsident Rueda forderte die Gemeinden auf, die Strände zu säubern, und schickte selbst keine Hilfe. Er weigerte sich bis Dienstagnachmittag, Alarmstufe 2 auszurufen. Erst dann gab er – so das öffentliche Radio – dem Druck der Umweltschützer nach. Die Ausrufung der Alarmstufe 2 ist notwendig, damit die Zentralregierung unter dem Sozialisten Pedro Sánchez staatliche Hilfe schicken kann.

Während Umweltschutzorganisationen davor warnen, dass das Plastik über Vögel und Fische in die Nahrungskette gelangen könnte, spielt die galicische Umweltministerin Ángeles Vázquez die Gefahr weiterhin herunter. Für sie besteht kein Grund zu Beunruhigung; die Pellets seien nicht umweltschädlich.

Dem widerspricht sowohl das Umweltministerium der Zentralregierung als auch die Umweltstaatsanwalt, die seit Montag gegen die Rederei des Containerschiffes ermittelt. Für die Staatsanwaltschaft bestehen "Hinweise auf Toxizität", denn die Pellets seien nicht biologisch abbaubar. Sie würden dazu beitragen, Mikroplastik-Verschmutzung zu verstärken.

Alarmstufe 2 in Asturien

Anders als in Galicien nehmen die Behörden im benachbarten Asturien und im Baskenland die Bedrohung der Meeresflora durch die Plastikkügelchen wesentlich ernster. Asturien hat noch vor Galicien Alarmstufe 2 ausgerufen. Das Baskenland, das derzeit noch wenig betroffen ist, arbeitet an einem eigenen Notprotokoll für den Fall, dass die Plastikkügelchen mehr werden. Die Fischereikooperativen sollen bei der Reinigung helfen.

Die Suche nach den kleinen
Die Suche nach den kleinen "Pellets" ist sehr mühsam.
EPA/BRAIS LORENZO

"Wir wissen immer noch nicht, wie groß das Ausmaß dessen sein kann, was passieren kann. Ich denke, es ist wichtig, dass wir, egal was passiert, zusammenarbeiten", sagt die Ministerin für ökologischen Wandel der Zentralregierung, Teresa Ribera, an Regionalpräsident Rueda gerichtet.

PP-Chef und Oppositionsführer, Alberto Núñez Feijóo, der bis zu seinem Gang nach Madrid 2022 selbst Galicien regierte, nimmt seinen Nachfolger Rueda in Schutz. Das Mikroplastik sei "nicht giftig". Was "giftig ist, ist der politische Nutzen, der aus einer Verschmutzung an den portugiesischen Küsten, die das Meer an die galicischen und im Moment auch an die asturischen Küsten gebracht hat, geschlagen wird", sagt er. Nachdem es Feijóo nicht gelang, nach den Parlamentswahlen im vergangenen Juli eine Regierung in Spanien zu bilden, ist er schwer angeschlagen. Ein schlechtes Abschneiden des PP in Feijóos Heimatregion könnte sein politisches Ende bedeuten. (Reiner Wandler aus Madrid, 9.1.2024)