Polizistin bei Bauernprotesten in Wiesbaden
Meist verlaufen Proteste wie hier in Wiesbaden friedlich.
IMAGO/Jörg Halisch

Berlin – Der Deutsche Bauernverband droht mit längeren Protesten gegen die Agrarpolitik der Berliner Regierung. Die Kundgebungen könnten nach Angaben von Verbandspräsident Joachim Rukwied auch nach dieser Woche anhalten, wenn die geplanten Subventionskürzungen für Agrardiesel nicht zurückgenommen werden. Kommenden Montag sei eine Großkundgebung in Berlin geplant, sagte Rukwied am Mittwoch im ZDF. "Dann behalten wir uns weitere Schritte vor."

Die Bauern bestünden auf der kompletten Rücknahme der geplanten Kürzungen. Denn die gute Einnahmesituation vieler Landwirte 2023 sei eine Ausnahme gewesen, in diesem Jahr sei bereits wieder mit einem Rückgang zu rechnen. Rukwied sagte weiter, er habe am Dienstag kurz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPF) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) gesprochen. Scholz hatte allerdings zuvor betont, dass die Regierung an ihren Kürzungsplänen festhalten werde.

Die Landwirte wollen am Mittwoch ihre Proteste ausweiten, die die ganze Woche fortgesetzt werden sollen. Blockaden hatten bereits am Montag in verschiedenen Teilen Deutschlands zu erheblichen Verkehrsbehinderungen gesorgt.

Polizei an "Belastungsgrenze"

Die deutsche Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht die Einsatzkräfte mittlerweile an der Belastungsgrenze. Vorsitzender Jochen Kopelke sagte der Zeitung "Rheinische Post", die zahlreichen deutschlandweiten Aktionen seien bislang von viel mehr Menschen unterstützt worden als angenommen: "Das heißt, diese große massive Protestwelle wird so schnell nicht abklingen."

Konkret fordert Kopelke mehr Polizistinnen und Polizisten, moderne Ausrüstung etwa für Wasserwerfer und mehr Geld für die Bereitschaftspolizei, um dieses Jahr bewältigen zu können. Die Regierungen der deutschen Bundesländer und der Deutsche Bundestag müssten deshalb "schnell reagieren", sagte Kopelke.

Viele Einsatzkräfte berichteten laut dem Gewerkschafter bisher von friedlichen und geordneten Protesten. Die Zusammenarbeit vor Ort funktioniere hervorragend. "Wir Polizisten bekommen von den Versammlungsteilnehmern viel Dank für unseren Einsatz", sagte Kopelke.

"Gefährlicher Spaltpilz"

Deutschlands Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sieht in den Bauernprotesten Vorboten einer tiefen Spaltung der deutschen Gesellschaft. "Die Menschen auf dem Land haben das Gefühl, abgehängt zu sein. Sie sorgen sich, dass sie in einer zunehmend von Städtern dominierten Politik unter die Räder kommen", sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das ist ein gefährlicher Spaltpilz, der zu Verhältnissen wie in den USA führen kann: Man redet nicht mehr miteinander, man glaubt einander nicht mehr, und man unterstellt sich gegenseitig alles Böse dieser Welt." Das Ziel müsse sein, das Land "in der Mitte zusammenzuhalten".

Özdemir forderte eine Grundsatzdebatte über die Rolle der Landwirtschaft, denn die Interessen der Verbraucher und der Landwirtschaft klafften auseinander. "Der Verbraucher will mehr Tierwohl, mehr Klimaschutz, mehr Umwelt- und Artenvielfalt – und das ist auch gut so. Aber er kauft nicht so ein, auch wenn er es sich leisten könnte", sagte Özdemir. "Wenn wir zum Beispiel mehr Tierschutz im Stall wollen, muss das finanziert werden, zum Beispiel über eine Tierwohlabgabe. Das wäre ein moderater Aufschlag auf Fleisch – ein paar Cent pro Kilo. Das Geld käme der Landwirtschaft zugute."

Leider gebe es bei den Protesten der Landwirte Trittbrettfahrer, die "alles im Schilde führen, nur nicht die Interessen der Bauern. Ginge es nach der AfD, würde die Landwirtschaft einfach gar keine Subventionen mehr bekommen", sagte er. "Ich hoffe, dass es ihnen gelingt, den Protest weiterhin so zu organisieren, dass sich die Trittbrettfahrer nicht in den Vordergrund spielen." (Reuters, red, 10.1.2024)