Klimawandel, Inflation
Durch die höheren Temperaturen leidet die Landwirtschaft, wie hier der Reisanbau in Nordmazedonien. Laut den dortigen Landwirtinnen und Landwirten war die Reisernte im vergangenen Jahr mehr als 30 Prozent niedriger als in den Jahren davor.
EPA/GEORGI LICOVSKI

Wer gern Süßes isst, dem verheißen die aktuellen Entwicklungen nichts Gutes: Zucker ist gegen Ende des vergangenen Jahres so teuer geworden wie seit 2011 nicht mehr. Einer der Gründe: In Indien, das rund zwölf Prozent des weltweiten Zuckers produziert, ist im vergangenen Jahr die Produktion um mehrere Millionen Tonnen eingebrochen, nachdem der für den Anbau notwendige Regen ausblieb. Viele Investoren befürchteten, dass Indien zum ersten Mal seit sieben Jahren Zuckerexporte verbieten könnte, da das Land selbst mehr Zucker importieren muss, als es exportiert.

Auch in Thailand, dem weltweit drittgrößten Zuckerproduzenten, könnte die Produktion laut Schätzungen um 31 Prozent und damit auf ein 17-Jahres-Tief einbrechen. Das Land kämpft immer noch mit einer schweren Dürre und Wassermangel, begünstigt durch das Wetterphänomen El Niño. Gleichzeitig ist auch in Europa die Zuckerrübenernte aufgrund mehrerer Hitzewellen im vergangenen Jahr schlecht ausgefallen. 2023 war das heißeste Jahr seit Messbeginn – und die durch den Klimawandel begünstigten Dürren und hohen Temperaturen schaden nicht nur der Ernte von Zucker, sondern auch von anderen Lebensmitteln wie Oliven, Weizen, Reis oder Kaffee.

"Climateflation" nennen einige diese Entwicklung: Die durch den Klimawandel immer häufiger und heftiger auftretenden Extremwetterereignisse lassen Ernten einbrechen, was wiederum die Preise von Lebensmitteln erhöht. Müssen wir durch den Klimawandel in Zukunft tatsächlich mit steigenden Lebensmittelpreisen rechnen?

Einige Beispiele

Beispiele für Ernteausfälle durch Extremwetterereignisse gibt es aus jüngerer Zeit einige. In Spanien ist die Produktion von Olivenöl im vergangenen Jahr nach Hitzewellen um die Hälfte gesunken, gleichzeitig ist der Preis von einem Liter Olivenöl in den spanischen Märkten innerhalb eines Jahres um mehr als 50 Prozent gestiegen. 2022 traf eine heftige Trockenheit die Reisproduktion in der Po-Ebene in Norditalien und sorgte dort für heftige Einbußen.

Bei Kaffee sind zwischen April 2020 und Dezember 2021 die Preise am Weltmarkt um 70 Prozent gestiegen, nachdem Dürren und Frost die Ernten in Brasilien zerstört hatten – dem weltweit größten Kaffeeproduzenten. Und auch der Preis von Kakao hat in den vergangenen Monaten neue Rekorde gebrochen. Viele befürchten, dass heftige Regenfälle und Pflanzenkrankheiten der Ernte in der Elfenbeinküste und Ghana schaden könnten, die gemeinsam zwei Drittel des weltweiten Kakaos produzieren.

Klimawandel, Zuckeranbau, Indien
In Indien und Pakistan ist die Zuckerproduktion durch die Folgen des Wetterphänomens El Niño eingebrochen, das vom Klimawandel verstärkt wird. Die weltweiten Zuckerpreise sind im September und Oktober 2023 auf ein 13-Jahres-Hoch gestiegen.
AFP/ARIF ALI

In den österreichischen Supermärkten haben sich die Preissteigerungen im vergangenen Jahr besonders bemerkbar gemacht. Laut dem Preismonitor der Arbeiterkammer sind Kartoffeln im Vorjahr teils um mehr als 40 Prozent teurer geworden als im Jahr davor. Die Preise von Weizenmehl haben sich teilweise verdoppelt, ebenso jene von Sonnenblumenöl.

Teurere Energie

"Climateflation ist durchaus eine Entwicklung, die durch immer mehr und stärkere Extremwetterereignisse befördert wird", sagt Gernot Wagner, Klimaökonom an der Colombia Business School in den USA. Dass sich Preise erhöhen, sei nicht nur Ernteausfällen, sondern beispielsweise auch teureren Versicherungen geschuldet, die angesichts der wachsenden Risiken durch den Klimawandel in die Höhe schnellen.

Wagner warnt jedoch davor, den Klimawandel und Extremwetter als einzige Gründe für Preiserhöhungen bei Lebensmitteln zu sehen. Ein großer Teil der Preissteigerungen in jüngster Zeit sei beispielsweise auf die teureren fossilen Energien zurückzuführen – eine Entwicklung, die auch als "Fossilflation" bezeichnet wird. Das schlage wiederum auf den Preis von Lebensmitteln durch, deren Produktion teils sehr energieintensiv ist. Weizen wiederum hat sich auch aufgrund des Krieges in der Ukraine verteuert, da das Land ein großer Weizenproduzent ist.

"Es geht um Profit"

Zucker ist wieder eine eigene Sache. Denn der Rohstoff wird nicht nur als Nahrungsmittel, sondern auch in großem Stil für die Herstellung von Bioethanol als Treibstoff verwendet. Steigen die Ölpreise, wie beispielsweise im vergangenen Jahr, führt dies im Normalfall zu einer höheren Nachfrage nach Biokraftstoffen, die als Alternative dienen. Das treibt die Produktion in Ländern wie Brasilien in die Höhe, das zu den größten Produzenten von Biokraftstoffen zählt – was wiederum zu einem höheren Zuckerpreis führt.

Nicht zuletzt spielt auch die Preispolitik der Unternehmen eine große Rolle, sagt Wagner. "Für Unternehmen ist das womöglich eine gute Ausrede: Sie wollen eigentlich niedrige Preise, aber der Klimawandel 'treibe' sie zur Preiserhöhung." Am Ende gehe es meist um Profit. "Wenn es möglich ist, mehr für Produkte zu verlangen und diese trotzdem zu verkaufen, dann passiert das auch."

Generell waren Nahrungsmittelpreise in der jüngeren Vergangenheit aber eher keine Inflationstreiber. Laut dem Food Price Index der FAO sind die internationalen Preise für viele Nahrungsmittel, darunter auch Weizen, im vergangenen Jahr wieder gesunken. Auch aus längerfristiger Sicht sind die Preise von Fleisch, Milchprodukten oder Weizen mit Ausnahme von 2022 eher gleich geblieben als gestiegen.

Wachsendes Risiko

Steigende Temperaturen haben aber durchaus eine Auswirkung auf den Preis von Lebensmitteln, welche künftig noch stärker ausfallen könnte. Laut einer Studie der Europäischen Zentralbank und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) hat der extreme Hitzesommer 2022 in Europa die Inflation bei Lebensmitteln in den Monaten danach um etwa 0,6 Prozent erhöht. "Das klingt nach nicht so viel", sagt Maximilian Kotz, Forscher am PIK und Co-Autor der Studie. Bei einem Inflationsziel von zwei Prozent in der EU sei der Effekt aber ziemlich gravierend. Bis 2035 könnten die steigenden Temperaturen die jährliche Inflation bei Lebensmitteln um bis zu 1,18 Prozent ansteigen lassen.

Besonders stark falle der Effekt in wärmeren Ländern im Süden aus. "Es gibt eine gewisse Temperaturgrenze, ab der sowohl die Ernte als auch die Produktivität der Arbeiterinnen und Arbeiter rapide einbricht", sagt Kotz. Diese Grenze sei in ohnehin bereits wärmeren Ländern durch die steigenden Temperaturen noch schneller erreicht. Kommt es aufgrund von Hitzewellen und Ernteausfällen in den Monaten darauf zu Preiserhöhungen, bleiben diese meist für mindestens zwölf Monate bestehen.

Noch wenig Anpassung

"Interessant ist auch, dass reichere Länder nicht viel besser abschneiden als ärmere Länder", sagt Kotz. Das bedeutet: Der Preisanstieg bei Lebensmitteln nach Hitzewellen sei in den meisten Fällen ähnlich. Dies deute wiederum darauf hin, dass es auch reichere Länder mit der Anpassung an den Klimawandel noch nicht sehr weit gebracht haben.

Könnte sich das in Zukunft ändern? Können Landwirtinnen und Landwirte beispielsweise schnell genug auf hitzeresistente Sorten oder Pflanzen umstellen? Werden dort, wo die Temperaturen bisher zu niedrig waren, künftig Weizen und andere Lebensmittel angebaut? Können verbesserte Anbautechnologien Ernteverluste wieder wettmachen?

Überraschende Kosten

"Eine solche Anpassung ist sicher möglich", sagt Wagner. Verlassen sollten wir uns darauf aber nicht. Denn die Veränderungen, die durch den Klimawandel passieren, seien kaum vorhersehbar – ebenso wenig die Kosten, die durch Wetterphänomene und Anpassungsmaßnahmen entstehen. "Das kann eine überraschende Überflutung, Hitzewelle oder Dürre sein, die plötzlich zu weit schlimmeren Ernteausfällen führt."

Treffen werde das vor allem ärmere Länder, in denen schon heute Geld für die Anpassung an den Klimawandel fehlt, sagt Wagner. In denen es keine Versicherung, kein Arbeitslosengeld und starke Abhängigkeiten von einigen wenigen Rohstoffen gibt. "Das ist das noch viel schlimmere Resultat, als wenn in Österreich die Eier ein wenig teurer werden."

Eine einfache Antwort auf Climateflation gebe es jedoch genauso wenig wie auf den Klimawandel, sagt Wagner. Klar sei nur, dass die Emissionen so rasch wie möglich sinken müssen – und dass das "Subventionieren des Alten" ein Ende haben muss, damit die Kosten für eine Anpassung in Zukunft nicht noch viel höher ausfallen, als sie es heute sind. (Jakob Pallinger, 11.1.2024)