Derzeit liegt die AfD in Umfragen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen auf Platz eins. In allen drei Ländern wird im September ein neuer Landtag gewählt
Derzeit liegt die AfD in Umfragen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen auf Platz eins. In allen drei Ländern wird im September ein neuer Landtag gewählt.
REUTERS/ANDREAS GEBERT

Wenn AfD-Mitglieder, -Sympathisanten und -Politiker in diesen kalten Jännertagen auf die Umfragewerte der Partei schauen, dann wird ihnen warm ums Herz. In drei ostdeutschen Bundesländern – Brandenburg, Sachsen und Thüringen – wird im September ein neuer Landtag gewählt. Und überall liegt die AfD in Umfragen auf Platz eins und kommt auf mehr als 30 Prozent. In Sachsen könnte sie sogar die absolute Mehrheit erreichen.

Die Mehrheit der Deutschen rechnet damit, dass die AfD bei mindestens einer der drei Landtagswahlen in Ostdeutschland in diesem Jahr die absolute Mehrheit erreicht und damit auch den Ministerpräsidenten stellen kann.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur halten 53 Prozent ein solches Szenario für wahrscheinlich und nur 32 Prozent für unwahrscheinlich.

Antisemitismus, eine Schande

Die Stärke der AfD in Umfragen, aber auch die bei einem Geheimtreffen besprochenen Pläne zur "Remigration" lösen in Deutschland aber auch immer stärkere Besorgnis aus. Wie berichtet haben auch AfD-Funktionäre laut einem Bericht der Rechercheplattform "Correctiv" an einem Geheimtreffen in Potsdam teilgenommen, bei dem es darum ging, wie man Asylwerber und Asylwerberinnen, Ausländer mit Bleiberecht und "nichtassimilierte Staatsbürger" (also auch deutsche Staatsbürger und Staatsbürgerinnen mit Migrationshintergrund) loswerden könnte.

In der ARD-Sendung "Kontraste" warnte nun der Chef des deutschen Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, dass die Demokratie in Deutschland stärker bedroht sei, als es von der Mitte der Gesellschaft wahrgenommen werde. Dies zeige sich an einer Gleichgültigkeit "gegenüber dem Erstarken bestimmter Parteien", aber auch im Umgang mit Antisemitismus. Haldenwang: "Man hat sich sehr in seinem komfortablen Privatleben eingerichtet, und man nimmt nicht hinreichend wahr, wie ernsthaft die Bedrohungen für unsere Demokratie inzwischen geworden sind."

Thomas Haldenwang, der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Deutschland, wünscht sich, dass die
Thomas Haldenwang, der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz in Deutschland, wünscht sich, dass die "schweigende Mehrheit" endlich aufwacht.
EPA/CLEMENS BILAN

Er wünsche sich, dass "die schweigende Mehrheit in diesem Land wach wird und auch endlich klar Position bezieht gegen Extremismus in Deutschland". Denn, so der Verfassungsschutz-Chef: "Es ist eine Schande, es ist beschämend, wie in dem Land, von dem der Holocaust ausgegangen ist, wie offen inzwischen Antisemitismus gezeigt wird."

AfD will "umkrempeln"

Haldenwang ist nicht der Einzige, den die Sorge umtreibt. Andreas Voßkuhle, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sagte im "Tagesspiegel" über die AfD: "Die politischen Köpfe dieser Partei zielen auf eine grundsätzliche Systemveränderung. Die AfD als stärkste Fraktion in einem oder mehreren Landtagen würde die politische Landschaft Deutschlands umkrempeln."

Derzeit könne man in Polen beobachten, dass der Abbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen nicht so einfach rückgängig zu machen sei. "Die Landtagswahlen 2024 müssen uns daher beunruhigen", so Voßkuhle.

Am 1. September finden die Wahlen zunächst in Sachsen und Thüringen statt, am 22. September folgt Brandenburg. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der derzeit mit SPD und Grünen in einer sogenannten Kenia-Koalition regiert, hat sich diese Woche den Bauernprotesten angeschlossen, um seine Kritik an der Ampelregierung deutlich zu machen.

Desaströse Werte für SPD

Und er bekam jetzt schon, acht Monate vor der Wahl, eine Empfehlung von ungewöhnlicher Seite. Ex-SPD-Chef und Ex-Außenminister Sigmar Gabriel rief zur Wahl des CDU-Mannes Kretschmer auf: "Der Einzige, den ich kenne, für den ich als Sozialdemokrat Wahlkampf machen würde, ist der CDU-Ministerpräsident in Sachsen", sagte er. Gabriels Begründung: "Der geht da in den Straßenwahlkampf und in den Nahkampf mit der AfD, lässt sich da nicht verscheuchen und nicht einschüchtern."

Auf seine eigene Partei – die SPD – setzt Gabriel offenbar gar nicht mehr. Diese wird in Umfragen unter fünf Prozent gesehen. Bleibt sie dort, kommt sie nicht mehr in den Landtag.

In Deutschland schauen viele nicht nur auf die Umfragestärke der AfD, sondern auch auf die CDU und deren Umgang mit der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Partei. Immer wieder wird die CDU gefragt, ob die "Brandmauer" gegenüber der AfD halten werde.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann versuchte in einem Interview mit dem "Stern" zu beruhigen und erklärte: "Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD, auch nicht beim Bier in der Kneipe. Die haben kein Interesse daran, dass es Deutschland gut geht. Bei der AfD knallen die Sektkorken, wenn die Insolvenzen steigen. Die wollen genau das Gegenteil von dem, was wir wollen." (Birgit Baumann aus Berlin, 11.1.2024)