Schlaf stellt einen wichtigen Teil unserer täglichen Routine dar und nimmt in etwa ein Drittel unseres Lebens ein: Jede Nacht schlafen wir mehrere Stunden lang, um am nächsten Morgen wieder fit in einen neuen Tag starten zu können. Guter Schlaf ist ebenso wichtig für unser Wohlbefinden wie Essen und Trinken. Doch Schlafen und im Speziellen Einschlafen kann auch eine Herausforderung sein: Rund 45 Prozent der Weltbevölkerung plagen sich mit Schlafstörungen. Dabei kann ein andauernd schlechter Schlaf zu gravierenderen Problemen als Augenringen führen und etwa das Risiko erhöhen, an Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit oder Depressionen zu erkranken.1

Person gibt Honig in Milch
Kann Milch mit Honig das Einschlafen tatsächlich erleichtern? Die Datenlage ist spärlich.
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Die Zentrale des Schlafs

Die zentrale Schaltstelle für unseren Schlaf ist das Gehirn. Wie dieses unseren Schlaf-Wach-Zyklus genau steuert, ist noch nicht gänzlich geklärt. Man weiß aber bereits, dass daran mehrere wichtige Schaltkreise in unserem Gehirn beteiligt sind. So kontrollieren spezielle Nervenzellen im Thalamus, dem größten Teil des Zwischenhirns, sowohl das Einschlafen als auch das Aufwachen.2

Auch ob wir schon frühmorgens topfit sind oder erst in den Abendstunden in Fahrt kommen, bestimmt unser Gehirn: In einer erbsengroßen Region des Zwischenhirns – dem so genannten suprachiasmatischen Kern – steuert unsere "innere Uhr" den Biorhythmus. Die Hell-Dunkel-Phasen des Tagesablaufs, Klimafaktoren sowie gesellschaftliche Einflüsse sind von hier aus Taktgeber für viele Vorgänge in unserem Körper. So etwa werden mehrere Gene im Tag-Nacht-Rhythmus reguliert. Die Lehre des zeitlichen Rhythmus biologischer Prozesse wird als Chronobiologie bezeichnet.

Melatonin: Schlafhormon und Wunderwaffe?

Unser Schlaf-Wach-Zyklus wird durch das Hormon Melatonin reguliert. Dieses wird bei Dunkelheit durch Impulse aus dem suprachiasmatischen Kern in der Zirbeldrüse im Zwischenhirn produziert und in den Blutkreislauf abgegeben,1 und erst genug Melatonin lässt uns einschlafen. Dem Schlafhormon werden neben seiner schlaffördernden Funktion auch andere Eigenschaften zugeschrieben: Melatonin wirkt Jetlag entgegen, ist ein Antioxidans, wirkt sich positiv auf unserer Immunsystem aus und ist entzündungshemmend.3 Des Weiteren ist Melatonin auch als Anti-Tumor-Wirkstoff bekannt, und eine Vorstufe dieses Hormons soll den Alterungsprozess verlangsamen.4,5 Die durch Schlaf angekurbelte Melatonin-Produktion hat somit viele bekannte positive Wirkungen auf den Körper.

Müdemacher Tryptophan

Da Melatonin auch in Pflanzen, Insekten, Pilzen und sogar Bakterien vorkommt, kann es nicht nur vom Körper hergestellt, sondern auch über die Nahrung aufgenommen werden. Für die körpereigene Produktion von Melatonin wird Tryptophan benötigt. Diese Aminosäure ist nicht nur am Aufbau von Eiweißen (Proteinen) beteiligt, sondern auch für eine Reihe lebensnotwendiger Prozesse wichtig – unter anderem die Synthese von Melatonin. Tryptophan stellt eine wichtige Vorstufe des Schlafhormons dar: In der Zirbeldrüse im Gehirn wird Tryptophan zunächst in das Glückshormon Serotonin umgewandelt, aus dem dann Melatonin entsteht. Daher ist Tryptophan wesentlich an der Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt.6 Damit Tryptophan im Gehirn zur Bildung von Melatonin zur Verfügung steht, muss es zunächst einmal über die so genannte Blut-Hirn-Schranke dorthin gelangen. Ein erhöhter Blutzuckerspiegel begünstigt diesen Transport.7

Da der Körper Tryptophan selbst nicht herstellen kann, muss diese Aminosäure über die Ernährung aufgenommen werden. Zahlreiche Studien belegen, dass die Einnahme von Tryptophan in Form von Nahrungsergänzungsmitteln oder tryptophanreicher Ernährung den Schlaf verbessert.8 Auch durch Melatonin-reiche Ernährung konnte die Schlafqualität verbessert werden.9

Milchproteine für guten Schlaf

Bei der schlaffördernden Wirkung bestimmter Nahrungsmittel kommen nun auch Milch und Milchprodukte wie Cottage Cheese, Hartkäse und Joghurt ins Spiel, denn diese sind reich an Tryptophan: Das in der Milch enthaltene Kasein und die Molkenproteine stellen gute Quellen für diese Aminosäure dar.10 Wie gezeigt werden konnte, führt eine Dosis des Molkenproteins alpha-Laktalbumin vor dem Schlafengehen zu allgemein besserem Schlaf.11 Auch die abendliche Gabe von Tryptophan half bei Schlaflosigkeit.12 Aber die Dosis an Tryptophan, die für die Versuche teilweise eingesetzt wurde, kann mit einer Tasse Milch allerdings nie erreicht werden: Tryptophan wirkt sich erst ab einer Menge von rund 250 Milligramm wesentlich auf den Schlaf aus – ein Glas Milch enthält jedoch nur etwa 100 Milligramm dieser Aminosäure.

Milch beinhaltet des Weiteren auch viele Mikronährstoffe, welche für die Umwandlung von Tryptophan zu Melatonin benötigt werden. So etwa wird Vitamin B6 für die Produktion von Serotonin aus Tryptophan benötigt, und Magnesium und Zink kommen bei der Umwandlung von Serotonin zu Melatonin zum Einsatz.13

Spärliche Studienlage zu Milch als Einschlafhilfe

Die allgemeine Studienlage zur Wirkung von Milch auf die Schlafqualität ist allerdings spärlich. Einige Studien konnten zeigen, dass sowohl ein sehr hoher als auch ein sehr niedriger Milchkonsum mit eher schlechtem Schlaf in Verbindung stehen.9 Dass ein sehr niedriger Milchkonsum mit schlechterem Schlaf korreliert, erscheint nicht überraschend. Die negative Auswirkung von zu viel Milch auf den Schlaf könnte laut Expert:innen das Resultat einer Entzündungsreaktion sein, verursacht durch die gesättigte Fette und den Zucker in der Milch.

Leider wurde nur in den wenigsten Studien ein Zusammenhang vom Milchkonsum kurz vor dem Zubettgehen und der Einschlafdauer untersucht. Bei einer der raren Studien, die sich dieser Fragestellung widmeten, konnten die Versuchspersonen nach dem Konsum von Milch besser einschlafen.14 Für aussagekräftige Daten sind hier jedoch noch weitere Studien nötig.

Honig als Transporthelfer für Tryptophan

Honig ist ein vielfältiges Naturprodukt: Neben verschiedenen Zuckern enthält das "flüssige Gold" unter anderem Antioxidantien, die im Körper freie Radikale binden und so Zellschäden vorbeugen sowie entzündungshemmende und antibakterielle Stoffe. Durch das Beimengen des Honigs zur Milch könnten dessen Zucker den Tryptophan-Transport ins Gehirn beschleunigen – so zumindest die Theorie. Wissenschaftliche Untersuchungen dazu gibt es allerdings bisher noch nicht.

Kraft der Psyche nicht vergessen

Milch enthält neben vielen anderen wertvollen Nährstoffen auch die Aminosäure Tryptophan, die für die körpereigene Produktion des Schlafhormons Melatonin benötigt wird. Zahlreiche Studien belegen die positive Wirkung von Tryptophan und Melatonin auf den Schlaf, und von Zuckern ist bekannt, dass diese den Transport von Tryptophan ins Gehirn beschleunigen. Doch wissenschaftliche Daten zur Wirkung von Milch mit Honig auf die Einschlafdauer und die Schlafqualität sind rar. Aber selbst wenn es wissenschaftlich nicht klar erwiesen ist, dass ein warmes Glas Milch mit Honig das (Ein-)Schlafen verbessern kann: Man darf hier die Kraft unserer Psyche nicht außer Acht lassen. Schon der Gedanke an Omas Honigmilch lässt viele von uns wohlige Wärme verspüren und könnte uns, in schönen Kindheitserinnerungen schwelgend, schneller ins Land der Träume reisen lassen. (Christoph Stifter, 16.1.2024)