Heuer feiert die Linux-Distribution Zorin OS ihr 15-jähriges Release-Jubiläum. 2008 hatte die Entwicklung begonnen, 2009 erschien die erste Ausgabe. Der Fokus des federführend vom in Dublin lebenden Artyom Zorin entwickelten Systems liegt seit jeher darauf, den Umstieg auf das freie Betriebssystem zu erleichtern. Insbesondere wollte man dabei Windows-Nutzer abholen, mittlerweile ist der Anspruch aber gewachsen.

Kurz vor Weihnachten ist mit Zorin OS 17 die neueste Ausgabe erschienen, die natürlich ein paar Updates und Neuerungen bringt. Und außerdem bessere Performance verspricht. DER STANDARD hat sich das System in der Pro-Ausgabe näher angesehen.

Wachsende Beliebtheit

Daran, dass Zorin OS mittlerweile einige Beliebtheit erlangt hat, dürfte wenig Zweifel bestehen. Version 16 verzeichnete laut Hersteller 6,2 Millionen Downloads. Im Such-Ranking von Distrowatch rangiert Zorin (Stand: 11. Jänner 2024) in den Top Ten und damit in der Nachbarschaft von Fedora, Debian und Ubuntu.

Ein Screenshot aus Zorin OS 17
Nach dem Start begrüßt einen auf dem Desktop eine App, die eine kurze Tour durch das System gibt. Zudem bringt das System dann installierte Software auf den aktuellen Stand.
DER STANDARD/Pichler

Letzteres bildet auch nach wie vor die Basis für Zorin. Genauer gesagt die Langzeit-Supportversion 22.04.3 („Jammy Jellyfish“), womit auch Sicherheitsupdates bis zumindest Juni 2027 garantiert sind. Unter der Haube läuft der Linux-Kernel in der Version 6.2 nebst Mesa 23 für Grafikbelange. Als Mindestanforderungen an die Hardware ist weiterhin ein Dualcore-Prozessor von Intel oder AMD mit mindestens einem GHz Rechentakt vorgesehen. Das Minimum in Sachen Arbeitsspeicher konnte im Vergleich zum Vorgänger sogar von 2 auf 1,5 GB gesenkt werden.

Wichtiger Hinweis: Angaben zur Performance von Zorin OS 17 werden in diesem Test nicht gemacht, da das System dafür auf einer virtuellen Maschine (via Oracle Virtualbox 7.0) unter Windows 11 lief. Es durfte sich dafür vier Rechenthreads eines Ryzen-3700X-Prozessors sowie 4 GB des Arbeitsspeichers abzwacken. Nach einer problemlosen Installation lief das System auf diesem Weg ordentlich, war aber aufgrund der Limitierungen der VM nicht für grafisch aufwendigere Zwecke nutzbar. Auf Apples eigenen Chips (M1, M2) lässt sich Zorin aktuell nur in einer VM ausführen. Releases für ARM-Plattformen gibt es derzeit auch noch nicht.

Ein Screenshot aus Zorin OS 17
Man kann aus zahlreichen Desktop-Layouts wählen. Zwei sind hinzugekommen, sie lehnen sich an Gnome 2 und Chrome OS an.
DER STANDARD/Pichler

Für die grafische Benutzeroberfläche setzen Zorin Core und Zorin Pro auf Gnome 43.9. Zwischen den beiden Versionen gibt es nur wenige Unterschiede. Die Pro-Version bietet ein paar mehr Desktop-Layouts an, und mehr Open-Source-Programme sind ab Werk vorinstalliert, lassen sich aber auch unter Core einfach nachinstallieren. Der für den Erwerb verlangte Betrag von 48 Euro versteht sich daher mehr als Spende an das Projekt.

Noch nicht veröffentlicht ist Zorin OS 17 Lite, das wohl in den nächsten Wochen bis Monaten erscheinen sollte. Bei diesem wird Gnome durch das sparsamere Xfce ersetzt und es werden grafische Effekte reduziert. Bedient werden damit vor allem Systeme am unteren Ende des Hardwarespektrums. Ebenfalls später verfügbar wird die für den schulischen und universitären Einsatz zugeschnittene Education-Ausgabe.

Neue Layouts und Universal Search

Nach dem Aufsetzen präsentiert sich Zorin 17 zunächst in einem Desktop-Layout, das vor allem Windows-10-Nutzern bekannt vorkommt. Der erste Weg für Anpassungen führt über die "Zorin Appeareance"-App. Dort lässt sich einfach zwischen den verschiedenen Interface-Stilen wechseln. Wer ältere Windows-Versionen bevorzugt, wird dort ebenso bedient wie Fans von Windows 11, macOS, Ubuntu und anderen Systemen. Neu dabei sind nun auch ein Layout im Stile des Klassikers Gnome 2 und Googles Chrome OS.

Ein Screenshot aus Zorin OS 17
Neu dabei: ein "Desktop Cube", der sich auch mit einem "räumlichen" App-Switcher kombinieren lässt.
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Dazu kommen verschiedene Zusatzfeatures wie Akzentfarben, Dark Mode, Fensterkachelung oder die Anzeige des Taskswitchers. Letzterer bietet neben der zweidimensionalen Anordnung der laufenden Apps auch eine räumliche Darstellung an. Und wer mehrere Desktops nutzt, kann optional auch über eine Würfeloberfläche („Desktop Cube“) zwischen ihnen hin- und herschalten. Die späten 2000er-Jahre lassen herzlich grüßen, als dieses Feature zuerst in der Linux-Welt auftauchte und über verschiedene Freewares und Bezahlsoftwares auch unter Windows möglich wurde.

Deutlich größeren Mehrwert bietet die neue universale Suche. Wer im Startmenü etwas eintippt, bekommt nicht mehr nur installierte Apps angezeigt, sondern auch Dateien, Ordner, Einstellungen sowie Programme, die man aus dem Softwarekatalog herunterladen kann. Die dafür genutzte App hat eine grafische Überarbeitung erhalten, und auch die Wetter-App erstrahlt in neuem Glanz.

In neuen Design zeigen sich auch die Schnelleinstellungen. Das Tool für Bildschirmaufnahmen beherrscht nun auch die Auswahl einzelner Bildschirmbereiche und die Aufnahme von Videos, die Installation zusätzlicher Software ist nicht mehr nötig. Eltern finden nun auch erweiterte Einstellungen für Benutzerkonten ihrer Kinder vor. Sie nutzen als Basis das Tool "Malcontent", das allerdings bei der Einschränkung von Apps Limitierungen hat. Verwalten kann es nur Programme, die als Flatpak daherkommen. Mit Snap-Containern kann es aktuell ebenso wenig umgehen wie mit Debian-Paketen (.deb), die sich beide ebenfalls auf Zorin installieren lassen.

Ein Screenshot aus Zorin OS 17
Eines der neuen Layouts im Stil von Chrome OS.
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Während Zorin Core 17 hinsichtlich der vorinstallierten Programme entschlackt wurde, bietet die Pro-Version weiterhin ein großes Paket, das abseits von Spielen viele Bereiche abdeckt. Egal ob eine Office-Suite, Bildbearbeitung, Videoschnitt, Streaming, E-Mails, To-do-Listen, 3D-Modelling oder Basics wie Browser und Mailclient – alles ist an Bord, üblicherweise in Form bekannter und allgemein beliebter Software wie Libre Office, Blender, VLC oder Gimp. Die Remote-Desktop-Lösung Remmina läuft nun standardmäßig über das RDP-Protokoll.

Proprietäre Treiber sind ab Werk nicht dabei, können sich aber schon im Rahmen der Installation herunterladen lassen. Für dedizierte Grafikkarten und integrierte Grafikchips ist das durchaus empfehlenswert, da die nativen Treiber von AMD, Nvidia und Intel üblicherweise bessere Performance ermöglichen als die freien X.org-Implentationen. Wer mag, kann vor dem Log-in auch auf Wayland umschalten, was allerdings eine volle Installation auf einem PC voraussetzt und in einer VM nicht möglich ist.

Einfacher Umstieg, besonders für Windows-Nutzer

Wer vorherige Versionen von Zorin OS kennt, wird sich auch in Ausgabe 17 problemlos zurechtfinden. Wer von Zorin OS 16.2 umsteigt, muss das System nicht mehr neu aufsetzen, sondern kann seit dieser Version direkt upgraden, was ein klarer Fortschritt in puncto Komfort ist.

Ein Screenshot aus Zorin OS 17
Ein paar Apps haben eine grafische Überarbeitung bekommen, so auch der Appstore, der Zugriff auf den Programmkatalog für Ubuntu-Systeme bietet.
DER STANDARD/Pichler

Für frisch wechselnde Windows-Nutzer bietet Zorin ebenfalls ein grafisch weitgehend vertrautes Umfeld, dessen kleinere Eigenheiten man schnell verinnerlicht hat. Dank Play on Linux und Wine lassen sich Windows-Programme installieren und ausführen. Die Installation des "Windows App Support" erfolgt nachträglich, wird aber automatisch vorgeschlagen, sobald man ein Windows-Programm öffnen will. Die Kompatibilität schwankt freilich von Software zu Software. Das simple Open-Source-Rennspiel "Dust Racing 2D" lief in der Windows-Version ohne Schwierigkeiten, wenn man von der VM-bedingten schlechten Performance absieht.

Dank eines von der Community gepflegten Derivats des Steam-Clients für Steam OS steht auch diese Plattform zur Verfügung. Über den "Heroic Games Launcher" ist prinzipiell auch der Zugriff auf Spiele des Epic Store, von Amazon Prime Games und GOG möglich.

Auch für Mac-Nutzer sollte sich ein Wechsel relativ einfach gestalten. Mittels der App "Zorin Connect" lassen sich auch Smartphones an das System anbinden und steuern, eine tiefgreifende Integration, wie sie zwischen macOS und iPhones möglich ist, gibt es freilich nicht.

Ein Screenshot aus Zorin OS 17
Eine der wichtigsten Neuerungen von Zorin OS 17 ist die Universal-Suche, die neben installierten Apps auch Programme aus dem Softwarekatalog, Dateien, Ordner und mehr findet.
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Fazit

Insgesamt präsentiert sich Zorin OS 17 als solide Weiterentwicklung einer mittlerweile gut etablierten Distribution. Insbesondere Windows-User, die sich an einem Linux-System versuchen wollen, sollten hier einen Blick riskieren. Mittels virtueller Maschine oder Betrieb von einem USB-Stick oder einem anderen Wechseldatenträger kann man eine gute Kostprobe machen, ohne das System direkt auf dem eigenen Rechner zu installieren.

Künftig soll Zorin auch für den Einsatz in Firmen und Organisationen attraktiver werden. Seit Jahren arbeiten die Entwickler dafür an "Zorin Grid", das IT-Administratoren die einfache Installation, Betreuung und Aktualisierung von vielen Zorin-Systemen ermöglichen wird. Die Verwaltung von Nutzern, Apps und Updates wird dabei über ein zentrales Dashboard möglich sein.

Eine Illustration, wie die Verwaltungssoftware Zorin Grid künftig aussehen soll
Diese Illustration zeigt, wie "Zorin Grid" in Zukunft aussehen soll.
Zorin

Aktiv vermarktet man das Betriebssystem noch nicht an diese Zielgruppe, erklärt Artyom Zorin gegenüber dem STANDARD. In die Entwicklung von Zorin Grid sind dabei auch Erfahrungen eingeflossen, die man mit dem Einsatz von Zorin im italienischen Vicenza gemacht hat. Dort hat die lokale Verwaltung 2016 umgestellt, und das Fehlen einer guten Administrationslösung stellte sich dabei als ein wesentliches Defizit heraus. Aktuell plant man einen Release für das 2. Halbjahr diesen Jahres.

Das Interesse am Einsatz von Zorin ist aber laut dem Gründer beachtlich. Man habe bislang von rund 6.000 Organisationen weltweit gehört, die sich vorstellen könnten, die Linux-Distribution in Verbindung mit Zorin Grid zu nutzen. Die Bandbreite sei dabei sehr groß und reiche von kleinen Unternehmen über größere Konzerne, Spitäler und Universitäten bis hin zu Regierungsorganisationen. (Georg Pichler, 14.1.2024)