Eine Photovoltaikanlage vor einem Windpark
Mit dem neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz soll den gravierenden Veränderungen, die es in den vergangenen Jahren im Strommarkt gegeben hat, Rechnung getragen werden.
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Fast schien es, als ob es mit dem von der Strombranche zuletzt mit immer größerem Nachdruck geforderten neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) nichts mehr werden würde in dieser Legislatur. Am Freitag war es dann aber so weit: Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat den Entwurf für ein neues, den tiefgreifenden Veränderungen in den vergangenen Jahren im Bereich der elektrischen Energie Rechnung tragendes Gesetz in Begutachtung geschickt.

Gemäß Entwurf, der 124 Seiten umfasst, sollen beispielsweise regionale Verteilnetzbetreiber künftig zehnjährige Ausbaupläne vorlegen müssen. Genehmigen muss diese die Regulierungsbehörde E-Control. Neben dem Übertragungsnetzbetreiber Austria Power Grid (APG) wären damit erstmals auch Verteilernetzbetreiber gezwungen, "aktiv und vorausschauend zu planen", wie es im Energieministerium heißt.

Flexibler Netzzugang

Mit einem "flexiblen Netzzugang" sollen zudem Solar- und Windkraftwerke schneller angeschlossen werden. Heißt konkret: Möchte ein Betreiber oder eine Betreiberin einer Solaranlage Strom ins Netz einspeisen, muss dies künftig in überschaubarer Zeit ermöglicht werden – "auch wenn noch nicht zu jedem Zeitpunkt eine 100-prozentige Einspeisung garantiert werden kann", wie im Entwurf steht. Die Veröffentlichung verfügbarer Netzkapazitäten durch die Netzbetreiber soll außerdem für mehr Transparenz sorgen.

Auch die Rechte der Kunden und Kundinnen sollen gestärkt werden, allen voran jener, die Eigenversorgung, Energiegemeinschaften und Direktabnahmeverträge nutzen. Der Entwurf sieht vor, dass die Teilnahme an sogenannten Energiegemeinschafen künftig nicht mehr durch Lieferanten unterbunden werden kann. Verträge, wonach der gesamte Energiebedarf während der Laufzeit ausschließlich über einen Lieferanten zu decken ist, sollen durch ein Diskriminierungsverbot ausgeschlossen sein. Über Direktleitungen soll Strom künftig auch für den Eigenbedarf der Erzeugungsanlage transportiert werden können, desgleichen sollen Überschusseinspeisungen über die Kundenanlage in das öffentliche Netz nicht nur eingeschränkt wie bisher möglich werden.

Bessere Regeln für den Ausbau

"Moderne und leistungsfähige Stromnetze sind für die Energiewende unerlässlich", betonte Ministerin Gewessler. "Mit dem ElWG schaffen wir nun bessere Regeln für den Ausbau."

Für Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) ist der "rasche Ausbau der Energieinfrastruktur entscheidend für Unternehmen sowie Konsumentinnen und Konsumenten". Kocher zufolge wird mit dem Begutachtungsstart eine Arbeitsgruppe aus den zuständigen Ministerien und Sozialpartnern eingerichtet, die ein neues Modell aus Grundversorgung und Sozialtarif erarbeiten sollen.

Die Arbeiterkammer (AK) fordert Rechtssicherheit bei Strompreisänderungen. Derzeit sind zig Verfahren gerichtsanhängig, weil es die Rechtssicherheit im bisherigen Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (Elwog) nicht gab. Energielieferanten müssten Preiserhöhungen genau und nachvollziehbar begründen, hieß es in einer Aussendung der AK.

Nachbesserungen

Der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) begrüßt die Vorlage. Erneuerbare Energien seien bei der Netznutzung noch immer zahlreichen Hindernissen ausgesetzt, diese müssten mit einem modernen Strommarktgesetz aus dem Weg geräumt werden.

Positives kann auch Oesterreichs Energie, die Interessenvertretung der heimischen Stromwirtschaft, dem Entwurf abgewinnen, wiewohl einige Dinge noch nachzubessern und zu ergänzen seien, etwa die Frage der doppelten tarifären Belastung von Speichern. Die Begutachtungsfrist ist für sechs Wochen angesetzt. Weil das Thema Energie in Österreich eine Ländermaterie ist, braucht das ElWG für die Gesetzwerdung eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. (Günther Strobl, 12.1.2024)