Eine Selbsthilfegruppe von Missbrauchsopfern habe von rund 60
Eine Selbsthilfegruppe von Missbrauchsopfern habe von rund 60 "problematischen Priestern" berichtet, schreibt die Schweizer Zeitung "Le Temps".
APA/HELMUT FOHRINGER

Genf – Die Schweizer Zeitung "Le Temps" hat Fälle von sexueller, körperlicher und seelischer Gewalt bei der erzkonservativen katholischen Pius-Bruderschaft in mehreren Ländern aufgedeckt. Der Priesterbruderschaft St. Pius X. würden auch sektenähnliche Strukturen wie Kontrolle der Gläubigen vorgeworfen, schrieb die französischsprachige Zeitung am Samstag. Eine Selbsthilfegruppe von Missbrauchsopfern habe von rund 60 "problematischen Priestern" berichtet.

Die Pius-Bruderschaft ist eine Priestervereinigung, der 1970 aus Protest gegen die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils von dem umstrittenen französischen Erzbischof Marcel Lefebvre in der Schweiz gegründet wurde. Die Pius-Bruderschaft, die sich selbst als "Bewahrer unverfälschter katholischer Glaubenslehre bezeichnet, ist nach eigenen Angaben in mehr als 60 Ländern aktiv. Ihre mehr als 590 Priestern sind unter anderem in Priesterseminaren und Schulen der Bruderschaft tätig. Die offizielle römische Kirche geht zur Pius-Brüderschaft auf Distanz. Eine Exkommunikation von ohne päpstliches Mandat geweihten Bischöfen der Bruderschaft hatte der damalige Papst Benedikt XVI. 2007 aber zurückgenommen.

"Hat mich verprügelt und danach geküsst"

Die Zeitung "Le Temps" hatte nach eigenen Angaben mehrere Monate lang in der Schweiz, Belgien und Frankreich zu den Missbrauchsvorwürfen gegen die Pius-Bruderschaft recherchiert und zahlreiche Zeugenaussagen gesammelt. Die Reporter sprachen mit Eltern, ehemaligen Schülern und Selbsthilfegruppen.

Der 41-jährige François de Riedmatten aus der Schweiz schilderte der Zeitung etwa Übergriffe, die er als Kind in einem Internat in Frankreich erlitten hatte. Der Täter sei ein Betreuer gewesen, der Freude am Leid anderer gehabt und ihn oft nach dem Duschen missbraucht habe. "Er hat mich verprügelt und mich direkt danach geküsst", berichtete der Betroffene.

Die Recherche stützt sich zudem auf Gerichtsverfahren gegen verurteilte Täter und mehr als 20 interne Dokumente der Pius-Bruderschaft, darunter Briefe und Auszüge aus internen Untersuchungen. Die Vorwürfe betreffen laut "Le Temps" den Zeitraum von der Gründung der Pius-Bruderschaft bis zum Jahr 2020 und auch Länder außerhalb Europas. (APA, 13.1.2024)