Sagiv Jehezkel Sagiv Yehezkel Antalyaspor Botschaft am Handgelenk
Die Botschaft am Handgelenk von Sagiv Yehezkel. "100 Tage 7. 10." verwies darauf, dass immer noch mehr als hundert Israelis in Hamas-Geiselhaft sind. "Das ist keine aggressive Botschaft", sagt IKG-Präsident Oskar Deutsch. "Sondern eine Botschaft dafür, dass unschuldige Zivilisten freigelassen werden sollen."
AP/Adem Akalan

Oskar Deutsch hat, wie er sagt, "vollstes Verständnis" für Sagiv Yehezkel. Dieser, ein israelischer Teamfußballer (acht Länderspiele), hat am Sonntag im Heimspiel seines türkischen Vereins Antalyaspor gegen Trabzonspor bei einem Torjubel eine weiße Schleife an seinem linken Handgelenk in die Kameras gehalten, auf die er "100 Tage 7. 10." geschrieben und einen Davidstern gemalt hatte. Klar, dass Yehezkel (28) so seine Solidarität mit den seit hundert Tagen von der Terrororganisation Hamas festgehaltenen mehr als hundert israelischen Geiseln bekundete. Die türkischen Behörden indes wollten einiges mehr herausgelesen haben, Justizminister Yilmaz Tunc sah "eine hässliche Geste in Unterstützung des israelischen Massakers in Gaza", die Staatsanwaltschaft in Antalya leitete eine Untersuchung wegen "Aufstachelung zu Hass und Feindseligkeit" ein.

"Blödsinn, das ist skandalös", beurteilt Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, diese türkische Einschätzung. "Die Botschaft dieses Fußballers ist nicht aggressiv. Das ist keine Botschaft, die sich gegen irgendjemanden richtet, sondern eine Botschaft dafür, dass unschuldige Zivilisten freigelassen werden sollen." Bei allem Verständnis für Yehezkel will Deutsch festgehalten wissen, dass der Sport "generell nicht für politische Botschaft missbraucht werden" sollte. Die Aussagen des türkischen Justizministers seien erwartbar gewesen, dieser sei "natürlich inspiriert von seinem Präsidenten". Die Inspiration setzte sich dann gewissermaßen fort, der Erstligist Antalyaspor hat Yehezkel zunächst suspendiert, ihn aber wenig später entlassen. Auch der Klubvorstand hielt fest, dass der Israeli "gegen die nationalen Werte unseres Landes gehandelt" habe.

"Nicht weit ins Gefängnis"

Yehezkel, der zuvor unter anderem bei Hapoel und Maccabi Tel Aviv gespielt hatte, war erst im Vorjahr in die türkische Süperlig gewechselt, sein Vertrag bei Antalyaspor sollte bis 2026 laufen. Doch seine letzte fußballerische Tat in der Türkei dürfte der Treffer zum 1:1 gegen Trabzonspor gewesen sein, mit dem er Antalyaspor einen Punkt rettete. Er sollte, wie das israelische Außenministerium mitteilte, noch am Montag nach Israel reisen. Deutsch würde "allen israelischen Fußballern in der Türkei raten, sich anderswo einen Verein zu suchen". Denn in der Türkei sei es "nicht weit ins Gefängnis, wenn man die Gosch'n aufmacht". Und die Türkei sei diesbezüglich nur eines von mehreren Ländern, der Sport insgesamt sei wiederum nur "ein Abbild der Situation in diesen Ländern. Da kann man eben als Jude oder als Israeli nur schwer leben."

Oskar Deutsch IKG-Präsident
In Ländern wie der Türkei sei es "nicht weit ins Gefängnis, wenn man die Gosch'n aufmacht", sagt IKG-Präsident Oskar Deutsch.
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Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant dürfte das ähnlich sehen, er reagierte mit einem emotionalen Posting auf X (vormals Twitter) auf den türkischen Umgang mit seinem Landsmann. Die Türkei habe sich zum ausführenden Arm der Hamas entwickelt, es sei schamlos und scheinheilig, wie sie mit Yehezkel umgehe. Obendrein verhalte sich Ankara undankbar, schrieb Gallant, schließlich habe Israel der Türkei nach dem verheerenden Erdbeben vor einem Jahr schnell Hilfe geleistet.

Südafrikas abgesetzter Cricket-Kapitän

Nicht nur der Fußball und nicht nur die Türkei sorgen im Zusammenhang mit Israel für Schlagzeilen. In Südafrika wurde der Kapitän des U19-Cricket-Nationalteams wenige Tage vor Beginn der U19-Heim-WM abgesetzt. David Teeger ist gläubiger Jude, im Oktober wurde er in Johannesburg mit einem Jewish Achiever Award ausgezeichnet, den er "dem Staate Israel und jedem einzelnen Soldaten" widmete, der dafür kämpfe, "dass wir in der Diaspora leben und gedeihen können". Teeger: "Ich bin jetzt ein 'Rising Star', aber die wahren aufgehenden Sterne sind die jungen Soldaten in Israel." Der südafrikanische Cricket-Verband (CSA) entband Teeger daraufhin des Kapitänsamts, hielt fest, er sei weiterhin ein wichtiger Teil des Teams, doch wolle man den Spieler und alle anderen Teilnehmer "schützen".

Das South African Jewish Board of Deputies (SAJBD) hat die Absetzung Teegers als "ungeheuerlichen Akt des Antisemitismus" und als "beschämend" kritisiert. Allerdings sympathisieren viele Südafrikaner mit Palästina, die südafrikanische Regierung hat Ende Dezember mit einem Eilantrag an das höchste UN-Gericht eine sofortige Einstellung des israelischen Militäreinsatzes gegen die Terrormiliz Hamas im Gazastreifen gefordert. Nun befasst sich der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag mit der von Südafrika gestellten Frage, ob dieser Militäreinsatz als Völkermord zu bezeichnen sein könnte.

Eishockey-Begründung à la Russland

Den "Schutz aller Teilnehmer" bemühte auch der Eishockey-Weltverband IIHF, als er Israel vor einer Woche von allen Wettbewerben ausschloss. Dabei wurde die Auseinandersetzung Israels mit der Hamas mit keinem Wort erwähnt. Umso mehr fiel auf, dass die IIHF eine ganz ähnliche Formulierung zum Thema Sicherheit verwendet hatte, als die Kriegstreiber Russland und Belarus nach der Invasion in der Ukraine von Wettbewerben ausgeschlossen wurden. Für Deutsch ist "diese Gleichsetzung unerhört". Israels Männer-Team sollte im April in Serbien in Gruppe A der niederklassigen Division II antreten und dabei unter anderem gegen die Vereinigten Arabischen Emirate spielen. Israels Frauen-Team sollte im März in Estland bei der WM der Division III in Gruppe B unter anderem auf Bosnien-Herzegowina und Indonesien treffen.

Israel im Fußball-EM-Playoff

Für IKG-Präsident Deutsch ist die IIHF-Entscheidung "absurd", er fordert den Weltverband auf, den Beschluss unverzüglich zu revidieren. "Veranstalter und der Weltverband sollten alles tun, um die Teilnehmer zu schützen, so wie das auch sonst stets passiert", sagt Deutsch. "Und wenn man dazu nicht in der Lage ist, dann kann diese WM leider nicht stattfinden. Aber man kann doch nicht einen einzelnen Teilnehmer ausschließen." Er wünscht sich "die Solidarität der anderen Teilnehmer und Eishockeyverbände" und verweist darauf, dass Israel ja natürlich auch an anderen Sportevents teilnehme, nicht zuletzt im Fußball. Da hat Israels Nationalteam noch Chancen auf die Teilnahme an der EM (Deutschland, ab 14. Juni), im Playoff-Halbfinale geht es im März gegen Island, im Playoff-Finale wäre die Ukraine oder Bosnien-Herzegowina der Gegner.

Der deutsche Eishockeyverband drückte seine "Bestürzung" über den Ausschluss Israels aus, das den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) anrufen will. Und Deutschlands Innen- und Sportministerin Nancy Faeser (SPD) sieht die Dinge ähnlich wie Deutsch. Die Sicherheit aller Teams solle "durch hohe Sicherheitsvorkehrungen und möglichst sichere Spielorte gewährleistet werden". Aber ein Ausschluss Israels wäre "nichts anderes als eine Kapitulation vor dem Hass", der Sport müsse "zeigen, dass er an der Seite der jüdischen Sportler steht". (Fritz Neumann, 15.1.2024)