Teenager Mädchen sitzt in ihrem dunklen Zimmer und scrollt auf dem Smartphone
Jugendliche verbringen viel Zeit auf Social Media und tauschen sich dort auch offen über mentale Gesundheit aus. Aber von tatsächlichen Hilfsangeboten werden die wenigsten erreicht.
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Es dauerte nicht lange, bis Fachleute nach dem Ausrufen des ersten Lockdowns Alarm schlugen: Die mentale Gesundheit der Kinder und Jugendlichen leide enorm unter den einschränkenden Maßnahmen während der Corona-Pandemie, warnten sie. Und leider sollten sie Recht behalten. Rasch wurde in zahlreichen Studien einen Anstieg bei depressiven Symptomen und Ängsten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen nachgewiesen.

Seither ist diese Zahl konstant hoch. Der erhoffte Effekt, dass sich mit Ende der Covid-Einschränkungen die mentale Gesundheit von Schülerinnen und Schülern wieder deutlich verbessern würde, blieb bisher aus. Das zeigt aktuell eine Erhebung von Forschenden der Universität Wien und der Med-Uni Wien. Unter Leitung des Studienautors Tobias Dienlin wurden Jugendliche zwischen zehn und 18 Jahren zu ihrer mentalen Gesundheit befragt.

Jeder zehnte Teenager denkt regelmäßig über Suizid nach

"Erfreulich ist, dass wir in den Lebensbereichen Familie und Freunde eine hohe Lebenszufriedenheit sehen", berichtet Paul Plener, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie AKH Wien, der ebenfalls an der Studie beteiligt ist. "Was mich allerdings erstaunt, ist die weiterhin sehr hohe Zahl an Jugendlichen, die nahezu täglich über Suizid nachdenkt. Ich hätte gedacht, dass die Zahl mittlerweile niedriger ist, aber sie bleibt auf einem sehr hohen Niveau", bedauert Plener. Neun Prozent aller Jugendlichen hatten in der Umfrage angegeben, dass sie beinahe täglich oder an mehr als der Hälfte aller Tage über Suizid nachdenken.

In der Studie wurde auch die Smartphone-Nutzung der Jugendlichen erhoben. Das Ergebnis: Durchschnittlich dreieinhalb Stunden pro Tag verbringen die Jugendlichen mit ihrem Smartphone, die meiste Zeit davon auf Instagram, Facebook und Tiktok. Gut ein Drittel von ihnen ist beim Scrollen im Netz bereits auf Suizidberichte gestoßen, 21 Prozent von ihnen auf Suizidaufrufe und neun Prozent auf Suizidvideos – aber nur die wenigsten der Schülerinnen und Schüler sind mit Hilfsangeboten zu dem Thema vertraut.

Prävention im Jugendalter

Das Jugendalter ist in Hinblick auf die mentale Gesundheit einr besonders entscheidende Phase. Denn rund um das 14. Lebensjahr entstehen oft psychische Erkrankungen. Angststörungen sind dabei besonders häufig. "In diesem Altersspektrum geht es aber auch viel um Depressionen, Essstörungen und Suizidgedanken. Auch die Selbstverletzung nimmt zu", sagt Plener.

Aber wenn psychische Erkrankungen früh erkannt werden, kann man vieles in den Griff bekommen, bevor das Problem chronisch wird. "Umso wichtiger ist es, diese Chance zu nutzen und Jugendliche an Schulen mit diesem Thema zu erreichen", sagt Plener. Der Psychiater ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat einer Initiative, die genau das tun will. Im Rahmen der "Mental Health Days" halten Fachleute Workshops in Schulen zu unterschiedlichen Themen psychischer Gesundheit, etwa Mobbing, Leistungsdruck, Depression und Sucht. Und sie klären darüber auf, wo man Hilfe bekommt.

Denn grundsätzlich sprechen Jugendliche zwar sehr offen über mentale Gesundheit, und das Thema ist bei der jüngeren Generation viel weniger tabuisiert, zeigt die Studie. "Aber nur, weil man sagt, es ist okay, sich Hilfe zu holen, weiß man noch nicht, wo man diese Hilfe auch bekommt. Hilfsangebote existieren zwar grundsätzlich, aber viele wissen nicht davon", sagt Plener. Mehr als die Hälfte von Österreichs Schülerinnen und Schülern hat beispielsweise noch nie Hilfsangebote zum Thema Suizid wahrgenommen. "Diese Hilfsangebote sind zudem ein sehr regionales Thema", sagt Plener. Es gibt zwar auch überregionale Anlaufstellen wie Telefonhotlines, etwa Rat auf Draht, aber in den Workshops soll es auch ganz konkret um die Frage gehen: "Wo können Jugendliche im Krisenfall tatsächlich hingehen?" (Magdalena Pötsch, 16.1.2024)